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          TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
        
        
          I
        
        
          
            ENERGIEVERSORGUNG & IMMOBILIENWIRTSCHAFT
          
        
        
          Die Tücken temporärer
        
        
          Stromabschaltung
        
        
          
            W
          
        
        
          ie gewährleisten eigentlich Fern-
        
        
          wärmeversorger die Wärmeliefe-
        
        
          rung an ihre Kunden? Immerhin
        
        
          werden etwa 20 Prozent der deutschen
        
        
          Wohnungen mit Fernwärme beliefert.
        
        
          Dieser Anteil wird aller Voraussicht nach
        
        
          weiter steigen. Und wenn eine Kraft-Wär-
        
        
          me-Kopplung keine ausreichende Abwär-
        
        
          me mehr produziert, etwa weil vorgela-
        
        
          gerte Großkraftwerke außer Betrieb ge-
        
        
          nommen werden, was dann? Das könnte
        
        
          in Deutschland gut 100 Kohlekraftwerke
        
        
          betreffen. Und welche weiteren Folgen
        
        
          sind zu beachten? Aktuelle Erkundungen
        
        
          hierzu am Beispiel des Großkraftwerks
        
        
          Staudinger und der Stadt Hanau liefern
        
        
          höchst interessante Resultate.
        
        
          Vorab noch wichtig: Kohlebefeuerte
        
        
          Großkraftwerke wurden zunächst we-
        
        
          gen der Stromerzeugung errichtet. Und
        
        
          die anfallende Abwärme entwickelte sich
        
        
          zu einem geschätzten Nebenprodukt.
        
        
          Hieraus resultieren komplexe Wechsel-
        
        
          wirkungen zwischen dem Produkt „Ab-
        
        
          wärme“ und den Anforderungen an die
        
        
          energetischen Mindeststandards derart
        
        
          versorgter Gebäude. Zu nennen sind bei-
        
        
          eingeschränkt oder untersagt werden.
        
        
          Die strombedingte Systemrelevanz und
        
        
          die damit verbundene Einsatzbereitschaft
        
        
          oder Vorhalteleistung reichen jedoch bei
        
        
          Weitem nicht aus, die zur Wärmeversor-
        
        
          gung erforderliche Abwärme bereitzustel-
        
        
          len. Hinzu kommt, dass die Zeitfenster für
        
        
          die erforderliche Stromproduktion regel-
        
        
          mäßig nicht deckungsgleich sind mit der
        
        
          bedarfsorientierten Wärmeauskopplung.
        
        
          Wie sich diese Problematik tatsächlich
        
        
          auswirkt, lässt sich an der planmäßigen
        
        
          temporären Stilllegung des größten Kraft-
        
        
          werkes inHessen ablesen. Der Eigentümer
        
        
          und Betreiber Uniper SE (vormals E.ON)
        
        
          kündigte am 20. Oktober 2017 in einer
        
        
          Pressemitteilung an, dass das Großkraft-
        
        
          werk Staudinger (Block 5) „künftig in den
        
        
          Sommermonaten still“ steht – etwa vom1.
        
        
          Juni bis 31. August 2018.
        
        
          Diese Absicht des Betreibers ist mög-
        
        
          licherweise ökonomisch nachzuvollzie-
        
        
          hen. Festzuhalten bleibt jedoch zunächst
        
        
          – auch im Hinblick auf kommende ähn-
        
        
          lich gelagerte Fälle –, dass nicht nur die
        
        
          gewählte Kommunikation, sondern der
        
        
          Gesamtprozess äußerst kritisch zu hin-
        
        
          spielhaft die Primärenergiefaktoren und
        
        
          das Hocheffizienzkriterium. Doch auch
        
        
          bei zeitweiligen energiewendebedingten
        
        
          Niedrigstpreisen im Stromhandel müssen
        
        
          Großkraftwerke weiterbetrieben werden,
        
        
          umdieWärmeversorgung sicherzustellen.
        
        
          Somit verschiebt sich die Stromerzeu-
        
        
          gung erstmals vom Haupt- zum Neben-
        
        
          produkt. In der Konsequenz prüfen ver-
        
        
          ständlicherweise die Kraftwerksbetreiber,
        
        
          wie sie Kosten optimieren können. Sie
        
        
          erwägen auch, Großkraftwerke planmä-
        
        
          ßig über Wochen und Monate vom Netz
        
        
          zu nehmen.
        
        
          Stromproduktion ist nicht
        
        
          deckungsgleich mit Bedarf
        
        
          an Wärmeauskopplung
        
        
          Der aktuell bestehende Rechtsrah-
        
        
          men betrachtet nur Auswirkungen für
        
        
          die Stromversorgung. Ist ein Kraftwerk
        
        
          für die Netzstabilität „systemrelevant“,
        
        
          kann auch die nur temporäre Stilllegung
        
        
          durch die Bundesnetzagentur (BNetzA)
        
        
          Foto: wdo 2018
        
        
          Uniper Kraftwerk Staudinger –
        
        
          das gegenwärtig größte Kraft-
        
        
          werk in Hessen: Etwa 19.000
        
        
          Haushalte werden mit Wärme
        
        
          versorgt. Die Haushalte verfügen,
        
        
          zumindest kurzfristig, über keine
        
        
          Alternativen.