15
5.2018
Gleichwertige Lebensverhältnisse
für alle Regionen stärken
D
ynamische Wachstumsräume und strukturschwache Entleerungsregionen entwi
ckeln sich immer mehr auseinander. Dies zeigt sich unter anderem beim Zugang
zu Bildung und Gesundheitsdienstleistungen sowie bei der Infrastrukturausstat
tung und der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Politik hat dieses Problem erkannt
und Chancengleichheit im Koalitionsvertrag verankert: Sie möchte die kommunale
Finanzierungsbasis stärken, entlastende Programme wie die Städtebauförderung fort
führen und bedarfsgerecht anpassen sowie gleichwertige Lebensverhältnisse mit einem
neuen gesamtdeutschen Fördersystem unterstützen. Eine Kommission soll Vorschläge
zu Daseinsvorsorge und Strukturveränderungen erarbeiten – dazu zählen auch „Hilfe
zur Selbsthilfe“ und die Altschuldenproblematik kommunalerWohnungsunternehmen.
KLEINSTÄDTE FÜR DEN GESELLSCHAFTLICHEN ZUSAMMENHALT WICHTIG
In der Fach
öffentlichkeit steigt das Bewusstsein dafür, welche Bedeutung Klein- und Mittelstädte
in ländlichen Regionen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit haben. Erforderlich ist jedoch ein differenzierter Blick: Prosperieren
de Teilräume von Metropolregionen sowie traditionell wirtschaftsstarke Regionen mit
einemNetz dynamischer Klein- undMittelstädte stehen peripheren Räumen gegenüber.
Im näheren und weiteren Umland von Metropolen belegen steigende Mieten und Im
mobilienpreise ein teils unerwartetes Wachstum: Für die Stadt Eberswalde im Norden
Berlins wurde noch vor wenigen Jahren mit einer Einwohnerzahl von knapp 37.000 für
das Jahr 2020 gerechnet. Aktuell wohnen dort bei steigender Tendenz schon deutlich
über 41.000 Menschen. Auf der anderen Seite stehen viele zentrumsferne ländliche
Gebiete undGrenzregionen vor demProblemeiner negativen demografischen Entwick
lung. Knappe öffentliche Haushalte verstärken dabei die Problemlage.
Die wichtigsten „Schmiermittel“ zur Lösung des Problems heißen Erreichbarkeit
und Mobilität. Die Anbindung von abgelegenen Gebieten ist daher ein zentrales An
liegen des Interreg-Projektes Peripheral Access. Darin arbeitet der Deutsche Verband
derzeit gemeinsam mit europäischen Partnern an einer Verbesserung der Mobilität in
diesen Regionen. Neben innovativen Mobilitätsdienstleistungen sind interkommunale
Zusammenarbeit und Stadt-Land-Partnerschaften entscheidend. Damit lassen sich
Standortvorteile von strukturschwachen Regionen neu bewerten.
Damit solche Maßnahmen langfristig Wirkung zeigen, muss jedoch in EU, Bund
und Ländern ein Politikansatz verstetigt werden, der auf Chancengleichheit setzt. Die
EU-Mitgliedstaaten hatten das Ziel des räumlichen Ausgleichs bereits 2007 in der „Ter
ritorialen Agenda der EU“ festgehalten. Die darin formulierten Leitbilder müssen in
Zukunft wieder stärker ihren Niederschlag in Fachpolitiken und Förderinstrumenten
finden. Dies gilt sowohl für die europäische Strukturförderung als auch für die nationale
Förderpolitik und Raumordnung. Strukturpolitik darf sich nicht auf Innovations- und
Wirtschaftsförderung einengen. Vielmehr sollte es darum gehen, die Unterschiede zwi
schen den Regionen mit integrierten Maßnahmen abzubauen und den Zusammenhalt
zu stärken.
Die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge in strukturschwachen Regionen ist dem
Deutschen Verband ein wichtiges Anliegen, mit dem er sich bei seiner Jahrestagung
am 6. Juni 2018 in Berlin auseinandersetzen wird. Auch künftig wird er dieses Feld
konstruktiv begleiten.
Maßnahmen, um den Zusammenhalt der
Regionen zu stärken, fordert der DV-Präsident.
Chancengleichheit
Die
neue Bundesregierung will
den wachsenden Unterschie-
den zwischen den Regionen
begegnen. Dazu braucht es
einen differenzierten Blick,
die Stärkung der Stadt-Land-
Zusammenarbeit und eine
wirklich ausgleichsorientierte
Entwicklungspolitik.
«
Dr. Jürgen Heyer, Präsident des Deutschen Verbands
Foto: DV