Immobilienwirtschaft 2/2018 - page 30

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHTSGUTACHTEN
Einschätzung: Die Statuierung einer Wei­
terbildungspflicht ohne vorangehenden
Sachkundenachweis kann als systemwid­
rig angesehen werden. Schließlich baut
eine Weiterbildung auf bereits erwor­
benen berufspraktischen Kompetenzen
und Fähigkeiten auf. Sachliche Gründe
dafür, dass sich der Gesetzgeber entge­
gen dem ursprünglichen Gesetzentwurf
letztlich bewusst gegen die Einführung
eines Sachkundenachweises entschieden
hat, sind seinem Gutachten zufolge nicht
erkennbar.
Wird auf den Sachkundenachweis
verzichtet, muss zumindest der Anspruch
an die Qualität der Weiterbildung umso
höher sein. Eine Schwierigkeit hierbei
ist aber bereits, dass ohne einen Sach­
kundenachweis das Wissensniveau der
Teilnehmer massiv schwanken dürfte.
Bei vielen Teilnehmern wird eine Maß­
nahme daher ins Leere laufen, wenn zu
viele vorausgesetzte Kenntnisse fehlen.
Andererseits ist der Erkenntnisgewinn für
erfahrene Teilnehmer marginal, wenn nur
geringe Kenntnisse vorausgesetzt werden.
FORTBILDUNG AM MITTAGSTISCH?
Ein Im­
mobilienverwalter muss mehr als 60 Ge­
setze und Verordnungen beachten und
umsetzen. Das erfordert, so sollte man
annehmen dürfen, ein enormes Fachwis­
sen – das auf einem aktuellen Stand ge­
halten werden muss. Allerdings sieht der
Gesetzgeber dafür nur eineWeiterbildung
von insgesamt 20 Stunden in drei Jahren
vor. Das entspricht rund 6,7 Stunden pro
Jahr. Zum Vergleich: Ein Vermittler von
Versicherungen, der für seine Arbeit im
Übrigen einen Sachkundenachweis benö­
tigt, hat eineWeiterbildungspflicht von 15
Stunden – pro Jahr. Dass trotz des Dreijah­
reszeitraums eine jährliche Mitteilung an
die entsprechende Behörde verlangt wird,
sorgt dabei für einen unangemessenen
Bürokratieaufwand bei geringer Aussage­
kraft: Da die Fortbildung nicht gleichmä M
an lernt nie aus – das gilt auch für
Wohnimmobilienverwalter. Eine
Weiterbildungspflicht ist daher
ein wichtiger Eckpfeiler auf dem Weg
zur Qualitätssicherung seiner Dienstleis­
tungen und zu mehr Verbraucherschutz.
Ohne eine angemesseneGrundausbildung
aber ist eine adäquateWeiterbildungmehr
als fraglich. An diesem Punkt hätte das
neue „Gesetz zur Einführung einer Be­
rufszulassungsregelung für gewerbliche
Immobilienmakler und Wohnimmobili­
enverwalter“ ansetzen müssen, mit dem
erstmals eine Erlaubnispflicht in § 34c
Gewerbeordnung eingeführt wurde. Doch
anstatt den Sachkundenachweis – der im
ursprünglichen Gesetzentwurf sogar vor­
gesehen war – zu beschließen, lehnten ihn
Wirtschaftspolitiker der Unionsfraktion
im Deutschen Bundestag ab. Beschlossen
wurde stattdessen nur eine Weiterbil­
dungspflicht.
Für die Praxis bedeutet das: Markt­
teilnehmer dürfen weiterhin ohne einen
Nachweis ihrer Sachkunde Immobilien­
bestände und damit die Vermögens- und
Altersvorsorge vonMillionenVerbrauche­
rinnen und Verbrauchern verwalten – un­
abhängig davon, ob sie hierfür qualifiziert
sind oder nicht. Allein für den Bereich
der Wohnungseigentümergemeinschaf­
ten sprechen wir überschlägig von einem
fremdverwalteten Immobilienvermögen
von rund 640 Milliarden Euro, fremd­
verwaltete Mietwohnungen und -häuser
schlagen mit über 250 Milliarden Euro
zu Buche und die ebenso verwalteten
Instandhaltungsrücklagen betragen ge­
schätzt 610 Milliarden Euro – in Summe
1,5 Billionen Euro.
ERST AUSBILDUNG, DANN FORTBILDUNG
In einem vom Dachverband Deutscher
Immobilienverwalter in Auftrag gege­
benen Rechtsgutachten kommt Univ.-
Prof. Dr. Christian Armbrüster von der
Freien Universität Berlin zu einer klaren
Erlaubnispflicht für Verwalter: Ziel verfehlt
Ab dem 1. August 2018 gilt
für gewerbliche Immobilien-
makler und Wohnimmobili-
enverwalter eine gesetzliche
Erlaubnispflicht. Eine Neufas-
sung der Makler- und Bauträ-
gerverordnung soll die Um-
setzung des Gesetzes regeln.
Doch ein Gutachten zeigt:
Für die Weiterbildungs- und
Versicherungspflicht bleibt
die angestrebte Professiona-
lisierung der Branche aus.
Martin Kaßler
ist Geschäftsfüh-
rer des Dachver-
bands Deutscher
Immobilienver-
walter
AUTOR
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