Immobilienwirtschaft 2/2018 - page 27

27
0
2.2018
ist leicht zu überspringen, denn derMieter
macht es ja heute oft schon mit Amazon.
Was passiert, wenn sich Mieter weigern
den Online-Weg mitzugehen?
Striebich:
Natürlich kündigen wir nicht.
Wir überlegen aber, ob wir mit ihm einen
Folgevertrag abschließen. Denn wir zwei-
feln an seiner Zukunftsfähigkeit. Ein sol-
cher Kunde infiziert den anderen Teil des
Marktes. Das Gesamtgefüge ist im Center
sehr wichtig. Das Prinzip funktioniert nur,
weil jeder Laden einen Kunden mitbringt
und alle anderen davon profitieren.
Müssen Center stärker mit dem Kunden
kommunizieren?
Striebich:
Ja. Der Kunde will seine Zeit
vernünftig investieren. Man braucht eine
Kommunikationsplattform, die ihm zeigt,
was wann wo vorrätig ist.
Mutieren Center tatsächlich zu Logistik-
standorten?
Behrens:
Eine denkbare Vision ist, Park-
häuser künftig zu verkleinern und auf der
Hälfte des Kellers ein Hochregallager hin-
zustellen. Aber es werden natürlich nicht
alle Produkte eines Sortiments gelagert
werden können. Ich brauche das Gesamt-
sortiment aber auch nicht mehr, wenn die
Vermarktungsplattform funktioniert ...
Einige Online-Plattformen, wie Amazon
oder Zalando, werden stationär. Warum
gehen die gerade in Shopping Center?
Striebich:
Das Center hat eine viel stär-
kere Vernetzung in der Stadt und hat seine
Kunden, die ihm treu sind. Auf der grünen
Wiese wird Amazon die nicht gewinnen.
Welche Folgen hat der digitale Wandel
für die Immobilie als solche?
Striebich:
Nehmen wir als Beispiel Apple,
die haben ganz klare Ansprüche, wie ihr
Standort ICONIC sein soll. Große De-
ckenhöhe, passende Nachbarschaft, pas-
sendes Design. Auch die technischen
Herausforderungen sind enorm. Apple
braucht eine Glasfaseranbindung. Breit-
band müsste da liegen. Aber das ist hier
ein großes Problem. Es kostet Unsummen.
Hager:
Redenwir über Gastronomie. Frü-
her war das Quick Service. Heute müssen
Sie hier Vergnügen liefern. Will ein Gas-
tronom einen Lieferservice außerhalb der
Öffnungszeiten des Centers anbieten, gilt
es, neue Modelle zu finden. Immer mehr
Food-Umsatz wird per Lieferservice ge-
macht. Wir müssen sicherstellen, dass es
Logistik-Hubs im Center gibt, über die
Lieferdienste versorgt werden können.
Wie ist das Verhältnis zwischen Center-
Betreibern und Kommunen?
Behrens:
Besser, als oft dargestellt. Das
Problem ist nur: Muss ich einen ehema-
ligen Baumarkt umgestalten, will ich einen
Food Court etablieren, falle ich sofort in
das Loch der Sortimentsbeschränkung,
weil mein Baurecht nur bestimmte Pro-
dukte erlaubt. Wollenwir aus Kick-Boards
Nudeln machen, weil Kick-Boards nicht
mehr gehen, braucht es wegen des Bau-
rechts oft Jahre. Die Chancengleichheit
zum Onlinehandel ist hier nicht gegeben.
Auch brauchen wir eine deutliche Libera-
lisierung bei den Öffnungszeiten.
Macht das Center die Innenstadt kaputt?
Striebich:
Nein! Das Zusammenspiel der
einzelnen Institutionen in der Stadt ist
wichtig. Das Center kann die Rolle des
Community-Buildings in der Stadt wahr-
nehmen. Die Idealkonfiguration ist, dass
das Center einer Stadt, die vielleicht nicht
ganz so gut organisiert ist, bei der Orga-
nisation helfen kann.
Behrens:
Es gibt viele Beispiele, bei denen
Kommunen eigentlich bestimmte Dinge
wollten, Ihnen aber aufgrund von Regula-
rien die Hände gebunden waren, weil eine
Nachbarkommune gegen die Einzelhan-
delsentwicklung war.
Striebich:
Die Stadt hat eine Schutzfunk-
tion, und das ist auch gut so. Warum
entstanden 1C- oder 2A-Lagen? Weil
Kunden bestimmte Produkte brauchten.
Diese Zeiten sind vorbei. Trotzdem stehen
schlechtere Lagen unter demSchutz vieler
Städte. Ichmeine, das ist nicht mehr nötig.
Soll die Sortimentsbeschränkung kom-
plett fallen?
Striebich:
Nein, sie ist nicht per se schlecht.
Wenn der Markt aber den Wunsch nach
bestimmten Produkten nicht mehr ge-
währleisten kann, wandert der Kunde
in den Onlinehandel ab. Eine Kommune
sollte deshalb in der Lage sein, einen Be-
bauungsplan schnell zu aktualisieren.
Wie steht es mit der Zusammenarbeit?
Hager:
Wir haben für Kommunen gute
Angebote. Deshalb würde ich mir eine
größere Beteiligung ihrerseits wünschen.
Striebich:
Wir sind ein Lobbyverband, der
viele Seiten zusammenbringen kann. Wir
sind auf dem Weg zum Omni-Channel-
Handel und müssen alle Beteiligten mit-
nehmen. Lösungen für die künftige Form
des Handels müssen wir selbst erfinden,
zusammen mit Kommunen, Bürgern,
Händlern, Kunden und Investoren.
TEILNEHMER
»
Klaus Striebich,
Vorsitzender des GCSC Vorstands, 25 Jahre ECE und seit 1. Januar selbstständiger Consultant mit seinem
Unternehmen RaRE Advise, Besigheim
»
Christine Hager,
GCSC Vorstand und Managing Director der Redos Invest Management GmbH, Hamburg
»
Ingmar Behrens,
Leiter Public Affairs und Security des GCSC
«
Dirk Labusch, Freiburg
„Wenn Mieter sich wei-
gern den Online-Weg
mitzugehen, überlegen
wir, ob wir mit ihnen
einen Folgevertrag
schließen.“
Klaus Striebich,
Vorstandsvorsitzender
des German Council
1...,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26 28,29,30,31,32,33,34,35,36,37,...76
Powered by FlippingBook