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2-01.2019
Effizienteres Gebäudemanagement & Co: Digitalisierung ist für die Zukunft der Kirchen
unglaublich wichtig. Die Kirchengebäude haben in der Immobilienwirtschaft einen natür-
lichen, doch wenig genutzten Partner. Beide zusammen müssen zügig handeln.
scheuen. Denn die mit der Digitalisierung
einhergehende Entwicklung ist unum-
kehrbar. Für die deutsche Immobilien-
wirtschaft ist dies zudem eine einzigartige
Möglichkeit, die deutschen Kirchen aktiv
in diesem Prozess zu unterstützen. Indi-
viduelle Digitalisierungsansätze von Ge-
meinden und Gläubigen sind richtig und
gut, aber es braucht einen gesamten Para-
digmenwechsel. Es ist nicht ausreichend,
wenn bloß vereinzelt Vordenker seit Jah-
ren versuchen, eine Veränderung inner-
halb der Kirche zu provozieren und dabei
immer wieder gegen Wände stoßen. Es
kann flächendeckend nur in einem über-
geordneten großen Wurf funktionieren!
Denn nur eine aktive und ganzheit-
liche Digitalisierung der Kirche und ihrer
Gebäude erreicht die gewünschten Effekte.
Dafür muss sich am besten die Immobi-
lienwirtschaft zusammen mit ranghohen
Mitgliedern der Kirchen zur Digitalisie-
rung zusammentun. Es braucht Mut und
Beweglichkeit als Motoren für eine Di-
gitalisierungsstrategie. Die Kirche trägt
eine besondere soziale Verantwortung in
unserer Gesellschaft. Sie darf das Thema
Digitalisierung nicht allein der virtuellen
Szene überlassen. Sonst wird sie am Ende
jammern, wenn der Zug längst in Rich-
tung Zukunft fährt, während sie selbst
noch am Bahnsteig steht.
eine verbesserte Planung des notwendigen
Instandhaltungsbudgets mit einemneuen
Berechnungsmodell ermöglichen.
Spannend ist auch das neue Vor-
gehen etwa der Erzdiözese Freiburg.
Anfang dieses Jahres suchten die Ver-
antwortlichen mit einem aufwändigen
Ausschreibungs- und Testverfahren nach
einer Softwarelösung. Mehr als 1.100 Kir-
chen, rund 3.000 weitere Gebäude sowie
30.000 Liegenschaften und zahlreiche
Kunstschätze wollen verwaltet sein. Sechs
Produkte wurden auf ihre Funktionen
und Nutzerfreundlichkeit hin erprobt.
Die Erzdiözese beschloss schluss
endlich,
die Facility Management Software visual
FM von Loy & Hutz einzuführen. Diese
Software soll die Aufgabengebiete opera-
tives Immobilienmanagement, Immobi-
liensteuerung, Gebäude-, Portfolio- und
Vertragsmanagement sowie Haus- und
Mietverwaltung abdecken. Zukünftig
soll der Bereich des Erbbaurechts in der
Software zusätzlich abgebildet werden.
Konkret besteht bei den Kirchen al-
lein in diesen Aufgabengebieten ein rie-
siges Rationalisierungspotenzial. Doch
von den 45.000 evangelischen und katho-
lischen Kirchen in Deutschland stehen
rund 40.000 unter Denkmalschutz. Das
erfordert jedes Mal kreative und indivi-
dualisierte Lösungen. Die Kirche darf
sich trotzdem nicht vor einer Weiterent-
wicklung mit Vorstoß in die digitale Welt
Thermographie-Kamera und 3D-Vermes-
sungen zur statischen Bauteilüberprüfung
sowie regelmäßige Begehungen aller kri-
tischen Bauteile kann bereits auf kleinste
Veränderungen und Schäden an der Bau-
substanz frühzeitig reagiert werden.
Ein solches deutlich kostenbewusste-
res Gebäudemanagement könnte auf alle
deutschen Kirchen ausgeweitet werden.
Dies zeigt auch ein erster forschungsori-
entierter Ansatz am Karlsruher Institut
für Technologie und Management. Dort
wurde ein Projekt zur Entwicklung eines
Budgetierungsverfahrens für Instandhal-
tungsmaßnahmen bei Kirchengebäuden
in Zusammenarbeit mit der evangelischen
Landeskirche in Baden ins Leben gerufen.
Denn aufgrund rückläufiger Steuerein-
nahmen und sinkender Mitgliederzahlen
werden die Instandhaltungsverantwort-
lichen regelmäßig angehalten, Kosten
einzusparen.
Es besteht ein riesiges
Potenzial, doch die bau-
liche Vielfalt erfordert
individualisierte Lösungen
Allerdings stehen die bauliche Viel-
falt sowie die Besonderheiten in Nutzung
und Ausstattung der Kirchenbauwerke,
gepaart mit fehlenden Kenntnissen zur
Instandhaltungsrelevanz, einer belast-
baren Instandhaltungsplanung weiterhin
entgegen. Doch nun werden erstmalig auf
Grundlage realer Instandhaltungsdaten
von 30 Kirchengebäuden der evange-
lischen Landeskirche in Baden die Maß-
nahmenkosten für Sakralgebäude in Form
einer Datenbank strukturiert und umfas-
send ausgewertet. Ziel ist es, die maßgeb-
lichen instandhaltungsrelevanten Zusam-
menhänge bei Sakralgebäuden aufzuzei-
gen und zu bewerten. Das soll zukünftig
Fotos: HfWU Nuertingen-Geislingen University
«
Prof. Dr. Winfried Schwatlo und Claudius Blix
Claudius Blix
Projektorganisation;
Student Immobilien-
wirtschaft (B.Sc.) an
der HfWU Nürtingen-
Geislingen
Prof. Dr. Winfried
Schwatlo FRICS
Projektleiter; Professor
für Immobilienwirtschaft
mit Wirtschaftsethik und
Konfliktmanagement an
der HfWU Nürtingen-
Geislingen
AUTOREN