Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 60

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
MIETERSTROM
brauchen, ist in Mehrparteiengebäuden
letztlich nur mit Mieterstrom erreichbar.
Quartiere schöpfen aufgrund ihrer Grö-
ße die Mieterstrom-Vorteile am stärksten
aus. Die Skaleneffekte bei den Investiti-
onen sind höher, genauso wie die Flexi-
bilitäten. Das Management von flexiblen
Strommengen ist nicht nur der Kern
künftiger Energieversorgungskonzepte,
sondern auch der Knackpunkt zur Steige-
rung des Direktstromverbrauchs. Durch
die technologieoffene Gestaltung können
in Mieterstromlösungen Wärmeerzeuger
und E-Tankstellen integriert werden, die
zusätzlich den Stromverbrauch vor Ort
erhöhen.
Die Energieversorgung von Quartie-
ren ist idealerweise als Smart Grid ange-
legt. Basierend auf den aktuellen Erzeu-
gungs- und Verbrauchsdaten wird der
lokale Stromfluss kontinuierlich gesteuert
und optimiert. Je nach Nutzungsstruktur
werden die Gebäude eines Quartiers dazu
von vornherein vernetzt oder – wenn sich
die Nutzungsart gleicht – zunächst einzeln
für sich geplant, jedoch mit Schnittstellen
für eine künftig mögliche Vernetzung.
So geschieht es beispielsweise im neu-
en Quartier Lok.West in Esslingen. Hier
entstehen bis 2022 fünf Wohn- und Ge-
schäftsgebäudemit rund 500 Ein- bis Vier-
Zimmer-Wohnungen und privaten sowie
öffentlichen Grünflächen und Höfen.
VORTEILE FÜR MIETER
Bei Mehrparteien­
gebäuden war es lange Zeit attraktiver
und einfacher, lokal erzeugten Strom ins
öffentliche Netz einzuspeisen, als ihn den
Mietern zukommen zu lassen. Das hat
sich inzwischen geändert. Wie viel Mieter
sparen können, die lokal erzeugten Strom
beziehen, hängt unter anderem von der
Größe der PV-Anlage oder des BHKWs
sowie vomVerbrauchsprofil ab. ImSchnitt
liegen die Ersparnisse bei zehn bis 20 Pro-
zent. Allgemein gilt, je höher der Anteil
vor Ort erzeugter Energie am Stromver-
W
o früher Lagerhallen, Fabriken,
Kasernen oder Gleisflächenwaren,
entstehen heute Wohnungen, Bü-
ros und Geschäfte. Die Bundesregierung
sieht in solcher Quartiersentwicklung eine
wichtige Maßnahme, um Zusammenhalt
der Bürger und Integration zu unterstüt-
zen. Ein fester Bestandteil integrierter
Quartierskonzepte ist die Energieversor-
gung. Denn aufgrund ihrer Größe und der
gemeinsamen Gebäudekonzeption sind
Quartiere ideal für die dezentrale Energie-
versorgung mittels Mieterstrom geeignet.
TREIBER DEZENTRALER ENERGIEVERSOR-
GUNG
Jährlich steigende Netzentgelte und
Abgaben erhöhen die Strompreise und da-
mit die Wohnnebenkosten. Deshalb sind
Maßnahmen wie die dezentrale Energie-
versorgung immer gefragter. Denn wer
vor Ort erzeugten Strom auch vor Ort
nutzt, der muss darauf keine Netzentgelte
und Abgaben zahlen. Diese machen der-
zeit rund 40 Prozent des Strompreises aus.
An Bedeutung gewinnen die Strom­
kosten auch durch die fortschreitende Sek-
torenkopplung. Sie treibt den Strombedarf
stark an. Die Netzinfrastruktur ist jedoch
nicht auf die steigenden und schwanken-
den Strommengen aus erneuerbarenEner­
gien ausgelegt, sodass dezentrale Erzeu-
gungskonzepte politisch erwünscht sind.
Gleichzeitig kommt die Bundes
regierung
damit ihren CO
2
-Gebäudezielen näher,
die vor allem durch Richtlinien und Ver-
ordnungen wie die Energieeinsparverord-
nung (EnEV) oder den Niedrigstenergie-
standard angestrebt werden. Umgekehrt
wächst auf Seiten der Mieter der Wunsch
nach Unabhängigkeit und Freiheit, einem
nachhaltigen Lebensstil und mehr Mitei-
nander. Sichtbar ist das im vielzitierten
LOHAS-Trend (Lifestyles of Health and
Sustainability) und in Sharingangeboten
wie dem Car-Sharing.
Das Ziel, immer mehr der benötigten
Energie vor Ort zu erzeugen und zu ver-
Dezentraler Strom für die Quartiere
In städtischen Quartieren
spielt die dezentrale Ener-
gieversorgung eine wichtige
Rolle. Sinkende Wohnneben-
kosten, Effizienzgewinne,
höheres Energiebewusstsein
– das alles wird durch Mieter-
strom unterstützt. Doch noch
mangelt es an der Vernet-
zung per Smart Grids und
intelligenter Technik.
„PV-Stromerzeugung,
Biogas-Therme & Co. sind
intelligente Versorgungs-
lösungen. Wir sparen 50
Prozent mehr Energie,
als laut EnEV gefordert.“
Carsten Buschmann,
RVI-Geschäftsführer
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