Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 61

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brauch ist, umso höher ist die Ersparnis.
Aktuell können Wohngebäude mit Mie-
terstrom einen Autarkiegrad von bis zu 80
Prozent erreichen. Wenn die Energiever-
luste durch eine verbesserte Gebäudehülle
weiter sinken und Batteriespeicher preis-
werter werden, kann das zum Standard
werden. Damit wirkt Mieterstrom auch
als Strompreisbremse.
Eine weitergehende Partizipation am
Mieterstromangebot durch die Mieter,
etwa über Rückvergütungsmodelle, ist
möglich. Doch sie wird in der Praxis kaum
nachgefragt. Die Energieerzeugungsanla-
gen werden entweder vom Immobilien­
besitzer oder über Contractingmodelle
vom Mieterstromdienstleister finanziert
und betrieben. Neben dem rein finanzi-
ellen Nutzen darf der emotionale Mehr-
wert von Mieterstrom nicht vergessen
werden. Strom aus eigener Herstellung,
der mit den Nachbarn geteilt wird, ver-
bindet nicht nur über Leitungen.
IMMOBILIENWERT, EINNAHMEN UND NEUE
GESCHÄFTSFELDER
Mit Mieterstrom stei-
gern Immobilieneigentümer nicht nur den
Immobilienwert und erwirtschaften Zu-
satzrenditen, sie haben auch die Chance,
neue Geschäftsfelder zu erschließen. Wird
der erzeugte Stromauch für E-Tankstellen
genutzt, sind Sharingangebote von Elek-
troautos in Quartieren möglich. Ebenfalls
denkbar sind Angebote, die sich aus dem
Einsatz von Smart Metern ergeben, sprich
Serviceleistungen zur Gerätewartung und
-pflege. Weiter in die Zukunft gedacht
bieten sich Möglichkeiten im Bereich des
Regelenergiemarktes, des Spotmarktes
sowie in Sachen Nachbarschaftsstrom.
Dafür sind jedoch eine grundlegende Re-
formder Netzentgelte und eine angepasste
Netzinfrastruktur Voraussetzung. Kurz-
fristig erleichtert es Mieterstrom, Förder-
kriterien und hohe energetische Gebäu-
destandards zu erfüllen. Für die aktuell
höchste KfW-Forderung, KfW40 Plus, ist
MieterstromVoraussetzung. Auch für den
bald geltenden Niedrigstenergiestandard
ist ein perfektes Zusammenspiel von ener­
gieeffizienter Bauweise, leistungsstarken
Energieerzeugern und Speichern und
lokaler Energieversorgung unverzichtbar.
HÖHERE ENERGIEAUTARKIE MIT SPEICHER
Stand bisher die Geräteeffizienz im Mit-
telpunkt, geht es nun stärker um die effi-
ziente Steuerung von Energiemengen und
ihre Speicherung, umdenAutarkiegrad zu
steigern. Die Speicherpreise sind seit 2013
um rund 40 Prozent gesunken, sodass die
Herausforderung beim Einsatz von Spei-
chern weniger in den Kosten als in den
Geräteausmaßen liegt. Ein Tesla Power
Pack, der für Mieterstrom geeignet ist,
wiegt beispielsweise rund zwei Tonnen
und ist über zwei Meter hoch. Trotzdem
überwiegen am Ende die Vorteile eines
Batteriespeichers den zusätzlichen Inves­
titions- und Planungsbedarf, zumal es di-
verse Förderungen gibt.
EIN SMARTES PARADEBEISPIEL
„Die Forde-
rung der Stadt Esslingen, ein 100-prozen-
tig CO
2
-neutrales Quartier zu errichten,
verlangt ein vernetztes Energiekonzept
mit Mieterstrom“, erklärt Carsten Busch-
mann von der RVI GmbH in Saarbrücken.
„Alleine mit Maßnahmen der EnEV“, so
der Geschäftsführer, „war das nicht er-
reichbar. Wir setzen auf ein Smart Grid,
an das alle Stromerzeuger und -verbrau-
cher mit Smart Meter angeschlossen sind.
Ergänzt durch Smart-Home-Geräte und
Handy-Applikationen zur lokalenGeräte­
steuerung sehen wir Lok.West als Parade-
beispiel eines smarten Quartiers.“
SUMMARY
»
Mieterstrom
ist der Kern einer effizienten, klimaneutralen Stromversorgung von Quartieren.
»
Smart Grids
steigern den
Direktstromverbrauch durch optimierte Steuerung des Strombedarfs gemäß der Stromerzeugung.
»
Batteriespeicher
erhöhen den Autarkiegrad
und steigern die Flexibilität der Energieversorgung.
»
Wirtschaftlicher Mehrwert
entsteht für Immobilienbesitzer durch zusätzliche Förderungen,
Renditen aus dem Mieterstromangebot, neue Geschäftschancen und gesteigerten Immobilienwert.
Foto: RVI GmbH
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Florian Henle, Polarstern GmbH, München
Im Quartier Lok.West in Esslingen wird der lokale Stromfluss per Smart Grid optimiert.
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