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2-01.2017
künstliche Intelligenz.Während klassische
Unternehmen dieser neuen Technologie
skeptisch gegenüberstehen, ist sie für
PropTechs von großer Bedeutung. Schon
heute kommt sie bei fast jedem zweiten
PropTech zum Einsatz (45 Prozent), in
fünf Jahren werden es 75 Prozent sein.
Der Blick über den Tellerrand gibt den
jungen Unternehmen Recht: Amazon,
Google, Facebook, IBM und Microsoft
etwa haben mit „Partnership on AI“ erst
kürzlich eine Plattform für künstliche In-
telligenz gegründet, die der Durchführung
von Forschungsprojekten dienen soll – ein
Schlaglicht auf das Potenzial dieser Tech-
nologie.
DAS KERNGESCHÄFT IST IN GEFAHR
Nach-
denklich stimmt auchdieses Studienergeb-
nis: Ein Großteil der befragten Unterneh-
men geht davon aus, dass ihr Kerngeschäft
durch den digitalenWandel und durch die
jungen Technologieunternehmen nicht in
Gefahr ist. Möglicherweise unterschätzen
hier einige Firmen die Kraft der Verän-
derung. In anderen Branchen – etwa im
Bereich von Finanzdienstleistungen und
imBankensektor – hat sich bereits gezeigt,
dass clevere Start-ups etablierte Business-
Modelle zum Wanken bringen können.
Zu Beginn der Digitalisierung in die-
sem Segment wurden Start-ups noch be-
lächelt. Ähnliches vollzieht sich beispiels-
weise imAutomotive- undVersicherungs-
segment. Auch hier mischen die jungen
Wilden tradierte Branchen auf.
Unternehmen, deren Anspruch es
ist, nicht nur zu reagieren, sondern zu
agieren, sollten auf die Zeichen der Zeit
hören. Dabei geht es auch darum, durch
Synergieeffekte zwischen Etablierten und
PropTechsMehrwert zu erzielen und neue
Wege zu gehen.Wer sich solchenMöglich-
keiten verweigert, droht den Anschluss zu
verlieren.
STUDIE VON ZIA UND EY:
Insgesamt haben 152 sowohl privatwirtschaftliche als auch öffentliche Unternehmen Auskunft über ihre digitalen
Strategien gegeben. Die teilnehmenden etablierten Immobilienunternehmen sind dabei in erster Linie in der Nutzungsphase (zum Beispiel in der
Mieterbetreuung) oder in der Phase der Investition/Finanzierung aktiv. Dabei beschäftigen sie sich schwerpunktmäßig mit Büro-, Wohn- und Einzel-
handelsimmobilien. Die befragten technologienahen Unternehmen bewegen sich mehrheitlich in der Phase der Vermarktung (zum Beispiel als
Online-Makler) und der Nutzung. Sie fokussieren sich dabei auf die Wohnimmobilie.
«
Martin Rodeck, Berlin
Herr Rodeck, hat Deutschland
eine innovative Immobilien-
branche?
In der Immobilienwirt-
schaft ist der Innovationsgrad
leider nicht so hoch wie auf
anderen Wirtschaftsfeldern.
Doch inzwischen haben sich die
Trend- und Innovationszyklen
beschleunigt. Das überträgt sich
zunehmend auch auf die Immobi-
lienwirtschaft.
Kommen denn digitale Innova-
tionen insbesondere für Real
Estate Companies eigentlich
immer überraschend?
Nach
zwei größeren ZIA-Studien – eine
mit der Immobilienakademie
IREBS durchgeführt und die ande-
re mit EY Real Estate - kann ich
sagen, dass die Selbstwahrneh-
mung in der Branche zuweilen
positiver ist als die tatsächliche
Lage. Das zeigt, dass das Thema
Digitalisierung inzwischen zwar
in der Immobilienwirtschaft
durchaus angekommen ist. Sie
wird allerdings von vielen noch
nicht als fortlaufender Prozess
betrachtet. Auch in den ZIA-
Ausschüssen höre ich oft: „Ich bin
doch schon Marktführer!“ Doch
das ist keine innovative sondern
eine retrospektive Aussage. Wer
Marktführer bleiben will, muss
sich wirklich mit dem prozessu-
alen Charakter der Digitalisierung
auseinandersetzen und neue
Erfolgsfaktoren entwickeln.
Gibt es eigentlich derzeit auch
Innovationen in der Branche,
bei denen nicht die Digitali-
sierungsfrage im Vordergrund
steht?
Selbstverständlich. In vielen
Fällen ist diese dann eher eine
geschlossene Innovation innerhalb
eines Unternehmens. Doch beim
1. ZIA-Innovationslab 2015 hatten
wir 40 Teilnehmer. 37 Vorschläge
beinhalteten eine Digitalisierungs-
thematik. Im 2. Innovationslab im
letzten Monat hatten zwei Drittel
der Themen direkt damit zu tun.
Auch in der Kommunikation des
ZIA laufen Innovation und Digitales
mittlerweile meistens zusammen.
Auf welchen Feldern kann ein
Projektentwickler innovativ
sein?
Vor allem beim Smart Buil-
ding, das letztlich ein Baustein für
die Smart City darstellt. „The Edge“
in Amsterdam etwa ist Referenz-
projekt der OVG Real Estate. Vor
zwei Jahren eröffnet, lernen wir
täglich aus den Dingen, die noch
nicht richtig funktionieren. Das
geht nur mit einer ausgeprägten
und transparenten Fehlerkultur.
Was also müsste passieren?
Zu
viele verschiedene Unternehmen
wollen allein Trendsetter werden.
Lasst doch die Konkurrenz! Und
lasst uns einmal zusammen einen
Standard festlegen!
„Lasst doch die Konkurrenz!“
INTERVIEW
MIT MARTIN RODECK
Martin Rodeck, Innovations-
beauftragter beim ZIA und
Geschäftsführer der OVG Real
Estate in Deutschland
Jorg Seifert, Freiburg