Immobilienwirtschaft 7-8/2016 - page 16

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MARKT & POLITIK
I
TITELTHEMA
Fotos: BulwienGesa; Exporo
der PlattformHomeday können Eigentümer in ihrer Region nach
einemgeeignetenMakler suchen, Letztere wiederumkönnen sich
präsentieren und positionieren. VomeigentlichenMaklergeschäft
hält sich das Start-up bewusst fern. Makeln sei ein schwer ska-
lierbarer Prozess, sagt Wicker. Jeder Immobilienkauf bleibe ein
individuelles Produkt, kosten- und mitarbeitersparende Blau-
pausen sind kaum durchsetzbar. Auf Kooperation setzt auch das
Start-up Homelike, das sich auf möbliertes, zeitlich befristetes
Wohnen konzentriert. Das Unternehmen hat gemeinsammit der
Versicherung AXA ein Versicherungspaket entworfen, das spe-
ziell auf die beworbene Wohnform zugeschnitten ist – nach den
Worten von Homelike ist das Angebot bundesweit einzigartig.
Bei Realbest haben Geschäftsführer Winckler und sein
Partner versucht, schon bei der Auswahl der Mitarbeiter an die
Marktstruktur anzuknüpfen: Im Team treffen Immobilien- auf
Online- und Marketingexperten, der Partner selbst arbeitete zu-
vor bei einemder großenMaklerhäuser. Realbest versteht sich als
Kontaktplattform zwischen privaten Verkäufern und Bauträgern
auf der einen und Maklern mit ihren Kundenkontakten auf der
anderen Seite. Mit dem Konzept ist das Start-up seit drei Jahren
auf Wachstumskurs. Das Maklernetzwerk umfasst Winckler zu-
folge mehr als 4.000 Immobilienmakler und mehrere tausend
Vermittler und Finanzdienstleister, etwa 1.000 Objekte stehen
derzeit zum Verkauf. Eine Anzeige kostet zunächst nichts, erst
beim Verkaufsabschluss wird eine Provision fällig, die sich Real-
best mit Maklern und Vermittlern teilt. Das Unternehmen be-
schäftigt derzeit 35 Mitarbeiter.
VIEL BEKANNTES, WENIG INNOVATION
Catella-Analyst Dr. Tho-
mas Beyerle geht nicht zuletzt mit Blick auf die häufig lediglich
ins Digitale übertragenen bekannten Geschäftsmodelle davon
aus, dass in fünf Jahren an die 90 Prozent aller Start-ups von
etablierten Firmen übernommen und damit vom Markt ver-
schwunden sein werden. „Ein Innovationsschub blieb bislang
aus“, bilanziert Beyerle. Seiner Ansicht nach liegen die Gründe
in der zu „analogenGrundstruktur des Immobiliengeschäfts“, der
löchrigen Datengrundlage ohne gleiche Datenstandards und der
Individualität des Produkts Immobilie. Ähnlich verhalte es sich
auf Nachfrageseite: Die Datenlage sei oft diffus. „Wer einenÜber-
blick will, braucht Personal – mit zwei, drei Leuten ist das nicht
zu stemmen“, gibt er zu bedenken und kommt zu dem Schluss:
„Von einem disruptiven Einfluss auf die Immobilienbranche ist
der PropTech-Sektor zurzeit noch ein gehöriges Stück entfernt.“
Die Blogger Gustke und Haberkorn pflichten dem bei. Letztlich
sei es für Start-ups überlebenswichtig, Geld zu verdienen und den
Markt zu verändern – egal ob allein oder in Zusammenarbeit mit
bestehenden Firmen. Innovationspotenzial sehen die Beobachter
und Unternehmer etwa in Anwendungen und Techniken rund
ums Tablet. Mieterservices könnten auf ganz anderen Wegen
organisiert werden, wenn sie „smart“ ablaufen, erklärt Gustke.
Mängel in der Wohnung oder im Haus würden so etwa deutlich
Andreas Schulten,
Vorstand der gif Ge-
sellschaft für Immo-
bilienwirtschaftliche
Forschung e.V.
Andreas Schulten über
den Einfluss der Digital
Economy auf die Immobi-
lienbranche, wie weit sie
ist und welche Kultur sie
braucht, um Innovationen
zu entfalten.
In der PropTech-Szene in
Deutschland spürt man
eine hohe Dynamik, wie
weit ist diese Branche
tatsächlich?
Die Branche
ist zurzeit noch gar nicht so
stark entwickelt. Obwohl
sie in Deutschland schon
früh gestartet ist – mit den
Maklerplattformen Immobi-
lienscout und Immowelt, die
seit 2000/2001 eine wichtige
Größenordnung erreicht
haben.
Brauchen wir eine bessere
Gründerkultur?
Deutsch-
land wird schon immer
vorgeworfen, überreguliert zu
sein. Dies mag ein Hindernis
sein. Regulierung gibt es in
wichtigen Start-up-Hubs wie
in Stockholm, Frankreich oder
den USA aber genauso. Die
Frage ist, gibt es genügend
gute Ideen und genügend
Bedarf am Markt. Viele Start-
ups müssen sterben. Nicht alle
können Airbnb sein. Das ist
der limitierende Faktor.
Bedarf es einer gemein-
samen Vision in der
Branche?
Ich bezweifle, dass
solche Visionen aus Verbänden
kommen, denn sie fungieren
eher als Lobbyisten. Freiräume,
Originalität sind nötig, um
Ideen zu fördern. So braucht
es beispielsweise ein globales
Flair. Auch eine reibungslose
Anwendung der Technologien
und ein gutes Design sind
essenziell, dafür braucht es
gutes Personal. Nicht zuletzt
spielt die künstlerische Szene
eine große Rolle. Deshalb ist
zurzeit der Standort Berlin so
beliebt bei Gründern, und nicht
Frankfurt oder München.
PropTechs leben digitale
Technologien vor, wie weit
sind etablierte Unterneh-
men hierbei?
Sie sollten ge-
nauso weit sein. Damit meine
ich, digitale Plattformen zu
nutzen, die die Arbeitsabläufe
leichter machen. Das macht
schließlich ein PropTech aus.
Energiedienstleister liegen
hier im Branchenvergleich
weit vorne.
Interview: Laura Henkel
„Nicht alle können Airbnb sein“
INTERVIEW
MIT ANDREAS SCHULTEN
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