Immobilienwirtschaft 7-8/2016 - page 11

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-8.2016
Pakt von Amsterdam: EU-Politik
„stadtverträglicher“ gestalten
S
tädte in ganz Europa stehen vor gleichlautenden Aufgabenstellungen: die umwelt-
gerechte Gestaltung von Verkehr und Energie, das Angebot bezahlbarer und ener-
gieeffizienter Wohnungen, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und die Inte-
gration von Zuwanderern. Um all dies zu bewältigen, mag mancher nach einer starken
europäischen Stadtentwicklungs- oder gar Wohnungspolitik verlangen. Doch dafür hat
die Europäische Union – zu Recht? – keine Kompetenz. Allerdings wirken sich einzelne
Rechtsakte der EU, beispielsweise zum Beihilfe- oder Vergaberecht, direkt auf die städ-
tische Entwicklung aus. Nicht zu vernachlässigen sind auch die enormen EU-Mittel,
die für Städte und die Stadtentwicklung eingesetzt werden. Es gibt folglich eine Vielzahl
relevanter EU-Politikfelder, die untereinander nicht immer abgestimmt sind und im
schlimmsten Fall in den Städten entgegengesetzteWirkungen entfalten. Die Städte selbst
haben dabei nur ein geringes Mitspracherecht. Die Wirkung einzelner EU-Regularien
zu harmonisieren und Städten mehr Mitwirkungsmöglichkeiten zu gewährleisten, sind
zwei der Kerngedanken einer neuen „Städtischen Agenda“, die am 30. Mai mit dem
„Pakt von Amsterdam“ von EU-Kommission undMitgliedstaaten verabschiedet wurde.
EU-2020-STRATEGIE
Europa hat sich selbst mit der EU-2020-Strategie ehrgeizige Ziele
gesetzt. Mithilfe des Abkommens sollen EU-Politiken auf städtische Problemlagen wie
sozioökonomische Segregation, schlechte Luftqualität oder knappen bezahlbarenWohn-
raum zugeschnitten werden, sodass die Städte imGegenzug ein größeres Entwicklungs-
potenzial entfalten können. Die EU-Urban-Agenda knüpft dabei an Ziele undGrundsät-
ze der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ aus dem Jahr 2007 an. Darin
verständigten sich die Mitgliedstaaten auf ein „europäisches Stadtentwicklungsmodell“,
das durch fachübergreifende und partizipativeHandlungsansätze gekennzeichnet ist und
die Wiederbelebung benachteiligter städtischer Gebiete berücksichtigt.
THEMATISCHE PARTNERSCHAFTEN
Mit dem „Pakt von Amsterdam“ muss die EU nun
beweisen, dass das Abkommen mehr ist als lediglich eine weitere Grundsatzerklärung.
Gelingen soll dies mit neu geschaffenen thematischen Partnerschaften über verschiedene
Akteursebenen hinweg. Zu städtischen Schwerpunktthemen werden die EU-Rechtset-
zung, die finanziellenUnterstützungsmöglichkeiten und eine europaweiteWissens- und
Datenbasis überprüft und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Inhaltlich reicht dies von
beihilferechtlichen Themen beim sozialen Wohnungsbau über Energieeffizienz oder
Kreislaufwirtschaft bis hin zur Integration von Migranten. Die EU-Urban-Agenda ver-
folgt somit auch das Ziel, die städtische Dimension im bestehenden Rechtsrahmen der
EU zu berücksichtigen und im Sinne einer „Stadtverträglichkeitsprüfung“ mehr Koor-
dination zu erreichen. Die EU-Urban-Agenda darf jedoch kein Prozess der Großstädte
bleiben, sondern muss auch den Bedürfnissen von Klein- und Mittelstädten gerecht
werden. Dies schließt auch funktionale Stadt-Umland-Gebiete mit ein.
Der Gesamtprozess trifft in seinemKern europaweit weitestgehend auf Zustimmung.
Städte, aber auch Akteure der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sollten daher er-
muntert werden, sich in diesem Prozess zu engagieren und ihre Anliegen einzubrin-
gen. Der Deutsche Verband hat sich bereits Ende 2014 mit einer Stellungnahme in die
Erarbeitung der „Städtischen Agenda“ der EU eingebracht und wird deren Umsetzung
nun weiter aktiv begleiten.
Jonas Scholze, Leiter des Büros Brüssel des
Deutschen Verbandes
Deutscher Verband
Die
Europäische Kommission und
die Mitgliedstaaten wollen
über eine „Städtische Agen-
da“ die EU-Politiken stärker
auf die Belange der Stadtent-
wicklung ausrichten.
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Jonas Scholze, Brüssel
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