IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 16

16
MARKT & POLITIK
I
VERBANDSINFORMATIONEN
D
ie Energiewende kommt im Gebäudebereich nicht so richtig in Schwung: Die Sa-
nierungsrate liegt seit Langem unter einem Prozent. Und laut Bundesinstitut für
Bau-, Stadt- und Raumforschung sind die Komplettsanierungen 2014 sogar um 33
Prozent gesunken. Mitverantwortlich dürfte der komplexe und ambitionierte ordnungs-
und förderpolitische Rahmen sein. Wohnungsunternehmen, Kleinvermieter undMieter
stellen immer häufiger in Frage, dass sich die Zusatzinvestitionen für eine sehr hohe
Energieeffizienz über geringere Energiekosten refinanzieren lassen. Zudem bieten die
schwer nachvollziehbaren bauphysikalischen Anforderungen imOrdnungsrecht Raum
für Fehlinformationen und Missverständnisse.
Vor diesemHintergrundmuss das Ordnungsrecht, vor allemdie Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG), dringend
auf den Prüfstand. Zentral ist dafür, dass auf eine Technologiefestlegung verzichtet und
mehr Flexibilität ermöglicht wird. Derzeit bildet die EnEV einen zu starren Rahmen und
ist recht einseitig auf Effizienz ausgerichtet. Maßnahmen zur CO
2
-armen Energiever-
sorgung werden in dieser Systematik zu wenig anerkannt. Je nach lokaler und gebäude-
individueller Ausgangslage muss es allerdings möglich sein, verschiedene Maßnahmen
zu treffen und die gesamte Bandbreite an Technologien zur regenerativen Energieerzeu-
gung und Effizienzverbesserung einzusetzen und zu kombinieren.
Um dies zu erreichen, ist die EnEV direkter auf die Klimaschutzziele und damit auf
die CO
2
-Emissionen als Kriterium zur energetischen Gebäudebewertung auszurich-
ten, ohne die Standards generell abzusenken. Dazu sollte ein CO
2
-basierter Ansatz als
Alternative zu den bisherigen Parametern Primärenergieverbrauch und Transmissi-
onswärmeverluste angewandt werden. Die geplante Zusammenlegung von EnEV und
EEWärmeG bietet hierfür gute Möglichkeiten. Konsequenterweise müssen die Kom-
pensationsmöglichkeiten zwischen Effizienzmaßnahmen und CO
2
-armer Versorgung
erweitert werden.
Gleichzeitig müssen energetische Quartiersansätze sowohl in das Ordnungsrecht
als auch in die Förderpolitik Eingang finden. Die EnEV sollte in Verbindung mit dem
EEWärmeG um einen gebäudeübergreifenden Quartiersansatz ergänzt werden. Eine
Quartiersbetrachtung ermöglicht eine größere Bandbreite an Sanierungsvarianten zur
Verbindung von Einsparpotenzialen mit dezentralen Versorgungskonzepten. Dadurch
lassen sich wirtschaftliche, soziale und baukulturelle Zielsetzungen besser mit den Kli-
maschutzzielen in Einklang bringen. Das Quartier ist darüber hinaus der zentrale Hand-
lungsraum, um die Bürger mitzunehmen.
Die Mobilisierung der Eigentümer für energetische Modernisierungsmaßnahmen
ist ein Erfolgsfaktor. Es bedarf daher einer besserenVerzahnung aller Förderprogramme
sowie einer klarenKommunikationsstrategie von Bund, Ländern undKommunen. Auch
ist eine qualitative sowie quantitative Ausweitung des Informations- und Beratungs-
angebots nötig. Zudem benötigen Kleinvermieter und Selbstnutzer eine Unterstützung
bei der Umsetzung energetischer Maßnahmen. Die Praxis zeigt, dass ein individueller
Beratungsansatzmit Ansprechpartnern vor Ort Erfolg versprechend ist. Dieser knüpft an
die unterschiedlichen Lebenssituationen undKapazitäten der Eigentümer undNutzer an
und berücksichtigt gebäudespezifische und immobilienwirtschaftliche Ausgangslagen.
Dabei gilt es, den Blick ganzheitlich auf die Verbesserung des Gebäudezustandes und
die Erhöhung des Wohnkomforts zu richten.
Dr. Josef Meyer, Vizepräsident des Deutschen
Verbands für Wohnungswesen, Städtebau
und Raumordnung
Ein neuer Ansatz
für die Energiewende
«
Dr. Josef Meyer
Deutscher Verband
Derzeit
findet eine intensive Diskussi-
on zur Weiterentwicklung
der Energieeinsparverord-
nung zwischen Bund und
Bauministerkonferenz statt.
Die AG Energie des Deut-
schen Verbandes unter Lei-
tung von Professor Dr. Töpfer
bringt ihre Empfehlungen in
die aktuelle Debatte ein.
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...76
Powered by FlippingBook