IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 15

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gegeben haben. Ich hatte diese Guideline
in London zu launchen.
Im Moment sehen wir zunehmend
Risiken für die Weltwirtschaft …
Das
brennt mir natürlich auf der Seele. Ich
habe aus diesem Grund das Global Real
Estate Investment Risk Management Fo-
rum ins Leben gerufen. Auf meine Initia-
tive haben sich führende Chief Investment
Officers undChief RiskManagement Offi-
cers der größten Kapitalsammelstellen der
Welt zusammengefunden, die sich regel-
mäßig in London, NewYork und Singapur
treffen, um sich über globale Risiken der
Weltwirtschaft auszutauschen. Wir spre-
chen dort über Dinge, die uns nachts wach
halten, etwa über Risiken, die wir im fort-
geschrittenen Kapitalmarktzyklus sehen.
Wir haben viele Anomalien im Moment,
etwa die künstliche Abwertung von Wäh-
rungen in Japan oder China oder die nied-
rige Zinspolitik und das Ölpreisdumping.
Sprechen Sie auch über den drohenden
Brexit?
Natürlich.
Und wie steht die RICS dazu?
Wir haben
da eine sehr dezidierte Meinung. Sie ist
neutral. Empfehlungen dürfen wir nicht
aussprechen. Aber wir zeigen sehr deut-
lich auf, welche Konsequenzen es im Falle
eines Brexit geben kann. De facto mögen
die Finanzmärkte eines nicht, und das ist
Unsicherheit. Wenn am 23.06. das Votum
in Richtung Brexit ausgeht, bedeutet das
eine verlängerte Phase der Unsicherheit.
Und diese Phase wird nicht gut tun. Ich
selber bin Investor und unser Unterneh-
men hat sich vor Kurzem aus einem spe-
kulativen Deal in London zurückgezogen
wegen des drohenden Brexit. Der würde
das Vereinigte Königreich natürlich nicht
von der Landkarte fegen. Die Wahrneh-
mung eines sicheren Hafens für Anleger-
geld dürfte mittelfristig jedoch gestört
sein.
«
Interview Dirk Labusch
ZUR PERSON
Martin J. Brühl FRICS
begann seine Laufbahn im Bereich Immobilienbewertung und Kapitalmarktberatung.
Heute ist er auf den Transaktionsmarkt fokussiert. Er ist als Head of International Investment Management bei Union Investment
Real Estate tätig. Dort ist er für Immobilienan- und -verkäufe außerhalb der Eurozone einschließlich Asien, Nord- und Südamerika
sowie Großbritannien zuständig.
Welche Themen sind sonst noch wich-
tig?
Ein weiteresThema des Forums mor-
gen in London wird der Wassermangel
sein. Es geht auch hier um Disziplin, um
Liquiditätsmanagement, um das Abdrif-
ten eines Fonds vom Core- in den Va-
lue-add-Bereich. Oder um Themen, die
Multi-Asset-Manager zurzeit umtreiben.
Sie brauchen eine Quote von zehn Pro-
zent Immobilienanlage, die Sie erreichen
möchten. Sie liegen bei sieben Prozent.
Wenn Sie nur das Aktienpaket abwerten
durch eine Volatilität der Aktienmärkte,
haben Sie plötzlich zehn Prozent Immo-
bilienanlage, obwohl Sie keine Immobilie
gekauft haben. Viele Versicherungs-Ge-
sellschaften müssen deswegen verkaufen,
spannendes Thema.
Für die RICS sind Standards ja auch ein
großes Thema ...
Ja, ich durfte etwa den
International Property Measurement
Standard (IPMS) für Büroimmobilien in
Frankfurt launchen. Die Umsetzung von
internationalen Standards, die wir zusam-
men mit anderen Organisationen entwi-
ckeln, etwa der ethischen Standards, das
ist auch etwas, woran ich gemessen wer-
den möchte.
Was ist mit der Veränderung innerer
Strukturen?
Mir ist es gelungen, eine
fundamentale Überarbeitung des Gover-
nance-Modells der RICS zu erwirken. Wir
haben das GoverningCouncil, das höchste
Entscheidungsgremium der RICS, refor-
miert, es verkleinert, schlanker und agiler
gemacht und dadurch Kosten gespart. Al-
lerdings ist hier noch viel zu tun. Das über-
gebe ich freudig an meine Nachfolgerin.
Wie war es für Sie, als Deutscher Prä-
sident einer britischen Organisation zu
sein?
Die RICS ist keine britische Orga-
nisationmehr. Sie war eine viktorianische.
Inzwischen haben wir einen globalen
Kontext. Wir haben 120.000 Mitglieder
und 80.000, die noch auf der Warteliste
stehen, in 160 Ländern. Es hat mir gehol-
fen, in England studiert zu haben und die
Befindlichkeiten dort zu kennen. Ich habe
einen gewissen Sinn für Humor und ver-
körpere somit nicht das Bild des typischen
Deutschen.
Also war die Tatsache, dass Sie Deut-
scher sind, für die Organisation gar
nicht von großer Bedeutung?
Ich glaube,
ich bin dafür geschätzt worden, dass ich
der erste Kontinentaleuropäer war, der die
Präsidentschaft innehatte. Bei Union In-
vestment sindwir in 27 Ländern vertreten.
Und so bin ich, wie ich glaube, bei mei-
ner Präsidentschaft nicht in erster Linie
als Deutscher wahrgenommen worden,
sondern als globaler Player.
Werden Sie wegen des Endes Ihrer
Amtszeit jetzt trauern?
Es hat sehr viel
Spaß gemacht, aber ehrlich gesagt freue
ich mich jetzt wieder auf ein bisschen
mehr Freizeit.
„Ein Brexit würde das
Vereinigte Königreich
natürlich nicht von der
Landkarte fegen. Die
Wahrnehmung eines
sicheren Hafens für Anle-
gergeld dürfte mittelfris-
tig jedoch gestört sein.“
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