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Technologie, IT & Energie
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Energiemanagement
verpflichtungen auslösen. Erfüllt jedoch
die vorhandene Decke nebst Dämmung
bereits heute den Mindestwärmeschutz
nach DIN, entfällt die wesentlich stren-
gere Nachrüstverpflichtung mit dem
Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,24
W/m²K.
Die dritte Nachrüstverpflichtung be-
trifftdie Isolierung warmwasserführender
Rohrleitungen in unbeheizten Räumen,
soweit diese zugänglich sind und bisher
ungedämmt waren. Neben den Rohr-
leitungen werden auch die zugehörigen
Armaturen, Flansche und Verbindungen
von dieser Verpflichtung erfasst. Gerade
in Verbindung mit der Umsetzung der
Kesselaustauschverpflichtung oder bei
dem Wechsel von Pumpen kommt es in
diesem Bereich häufig zu Versäumnissen.
Fehlende Kenntnis und Akzeptanz
Bis-
lang waren die Nachrüstverpflichtungen
nicht in dem Katalog der bußgeldbe-
wehrten Vorschriften der EnEV aufge-
führt. Ab der aktuellen EnEV 2014 stellt
der Verstoß gegen die Nachrüstverpflich-
tungen eine Ordnungswidrigkeit dar, die
auf der Grundlage des Energieeinsparge-
setzes (EnEG) mit einer Geldbuße von bis
zu 50.000 Euro geahndet werden kann.
Das damit verbundene erhöhte Maß an
Verbindlichkeit auch der Nachrüstver-
pflichtungen sollte im Ergebnis dazu füh-
ren, dass sich Bestandshalter mit dieser
Thematik intensiver befassen als bisher.
In zahlreichen Veröffentlichungen an-
lässlich des Inkrafttretens der EnEV 2014
im vergangenen Mai wurde der Bußgeld-
tatbestand oftmals überbetont, während
die praxisnahe Darstellung des tatsäch-
lichen Inhalts der Pflichten manchmal
vernachlässigt wurde. Tatsächlich sind
gravierende Vollzugsdefizite die Regel
und Ortstermine in Bestandsgebäuden
– auch der öffentlichen Hand – zeigen
große Defizite. Die Umsetzung der EnEV
im bauordnungsrechtlichen Vollzug der
Bundesländer geschieht im Regelfall nur
schleppend und unvollständig. Die Vor-
bildfunktion der öffentlichen Hand wird
auch in diesemBereich oftmals noch nicht
erfüllt. Insbesondere ältere Verwaltungs-
gebäude, Schulbauten und Krankenhäu-
ser weisen hier gegenwärtig erheblichen
Nachholbedarf auf.
Die ENEV im Gerichtsalltag
Unklar
oder widersprüchlich erscheint zudem
die systematische Einordnung der Ener-
gieeinsparverordnung im gerichtlichen
Alltag. Manche der Urteile wollen strikt
zwischen Bauordnungsrecht, Mietrecht
und Energieeffizienzrecht trennen. Hier
finden sich Ausführungen mit dem In-
halt, dass Verstöße gegen die Energieein-
sparverordnung nicht auf das Mietrecht
durchschlagen. In der Konsequenz dieser
Auffassung würde auch ein Verstoß gegen
die genannten bußgeldbewehrten Nach-
rüstverpflichtungen keinen Mangel der
Mietsache begründen und daher auch
keine Mietminderung rechtfertigen.
So hat etwa das Landgericht Berlin
(04.02.2011 / 63 S 181/10) entschieden,
dass ein Mieter keinen Schadenersatzan-
spruch wegen höherer Heizkosten haben
soll, wenn der Vermieter entgegen seiner
Verpflichtung aus § 9 III der Energieein-
sparverordnung (2004) die oberste Ge-
schossdecke nicht gedämmt hat. Nach
dieser Vorschrift sei er zwar öffentlich-
rechtlich verpflichtet, die Dämmung für
nicht begehbare, aber zugängliche oberste
Geschossdecken nachzurüsten, doch sei
§ 9 III EnEV 2004 kein Schutzgesetz im
Sinne von § 823 BGB, sodass der Mieter
aus § 823 BGB keinen Schadenersatzan-
spruch wegen Verletzung der Energieein-
sparverordnung herleiten könne. Nach
Auffassung des Landgerichtes Berlin liegt
der Zweck der EnEV darin, durch eine
verbesserte Dämmung von Gebäuden
Heizenergie einzusparen und den CO
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Ausstoß zu reduzieren. Vorrangiges Ziel
des Gesetzes sei daher ein Schutz der Um-
welt und nicht ein Schutz des Mieters vor
überhöhten Heizkosten.
Eine in diesem Zusammenhang oft
bemühte Entscheidung des BGH aus dem
Jahr 2007 (Urteil vom 31.10.2007 Az. VIII
ZR 261/06) lässt aber gerade diese zentrale
Frage ausdrücklich offen:
Experten
„Eigentümer können
Nachrüstpflichten im
Gebäudebestand oft nur
schwer nachvollziehen.
Über die konkreten Ver-
pflichtungen und die damit
verbundenen Kosten und
Einsparpotenziale herr-
schen häufig fehlerhafte
Vorstellungen.“
Karsten Kujus,
Curator r.e.m. AG
„Vertrauensschutz und
Planungssicherheit lassen
mich Nachrüstpflichten
meist kritisch hinterfragen.
Folgen sie dem Wirtschaft-
lichkeitsgebot, bedarf
es ihrer nur, soweit die
Einsparungen nicht beim
Investor anfallen.“
Gerd Barleben,
B.A.C. Ingenieur-
gruppe Bau- und Anlagenconsult