Immobilienwirtschaft 05/2015 - page 68

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Personal & Karriere
i
Employer Branding
zeit gelten allerdings nicht für Mitarbei-
ter von Kleinbetrieben. Das Gesetz allein
reicht aber nicht aus, die Unternehmen
sind gefordert. Ein Pflegefall tritt meist
sehr plötzlich auf und es ist schwer einzu-
schätzen, wie lange die Situation dauern
wird. Viele Arbeitnehmer sehen deshalb
zunächst keine Möglichkeit, Beruf und
Pflege miteinander zu vereinbaren.
Das thema ist noch ein Tabu
Hinzu
kommt, dass das Thema tabuisiert ist.
„Nur drei bis fünf Prozent der Beschäf-
tigten sprechen von sich ausmit demChef,
dabei sind imDurchschnitt zwischen zehn
und 20 Prozent der Beschäftigten betrof-
fen“, sagt Regine Steinhauer von der beruf-
undfamilie Service GmbH. Hier setzt das
audit berufundfamilie an. Entscheidend
sei, eine Unternehmenskultur zu schaf-
fen, die bis in die oberste Führungsebene
verankert ist und in der die Betroffenen
offen über ihre familiäre Situation spre-
chen können. Von einer solchen Kultur
profitierten nicht nur die Angestellten,
sie bietet den Unternehmen Planungssi-
cherheit. Beim Thema Beruf und Pflege
können die Immobilienunternehmen
auch auf die eigene Fachkompetenz set-
zen, wie Regine Steinhauer der berufund-
familie Service GmbH betont: „Pflege ist
ein eigenes Geschäftsfeld in den Immobili-
enunternehmen.“ NebenKrankenhäusern
und Pflegeeinrichtungen sei die Immobi-
lienwirtschaft eine der wenigen Branchen,
die über eine unternehmensinterne Ex-
pertise zu diesem Thema verfügen. „Die
Unternehmen sind dafür verantwortlich,
immer mehr Wohnungen altersgerecht
umzubauen, und beraten Wohnungsei-
gentümer dazu“, sagt Regine Steinhauer.
Dieses Wissen könne die Branche nutzen,
umentsprechendeMaßnahmen für die ei-
genen Beschäftigten zu schaffen.
Unternehmen ohne familien- und le-
bensphasenbewusste Angebote haben es
jetzt schon schwer und werden es künf-
tig noch schwerer haben. Aufgerieben
zwischen den beruflichen und familiären
Verpflichtungen sinkt die Produktivität
der Beschäftigten und die Zahl der Krank-
heitstage steigt. Das kann für die Unter-
nehmen teuer werden. Das Forschungs-
institut Familienbewusste Personalpo-
litik in Münster hat errechnet, dass sich
die betrieblichen Folgekosten aufgrund
mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und
Pflege auf durchschnittlich rund 14.000
Euro pro Jahr und Beschäftigtem mit
Pflegeaufgaben belaufen. Darüber hinaus
droht der Verlust qualifizierter Mitarbei-
ter, und die Nachbesetzung freier Stellen
wird schwieriger.
Im Gegenzug liegen die Vorteile einer
familien- und lebensphasenbewussten
Personalpolitik für Melanie Riegel von
der Howoge Wohnungsbaugesellschaft
mbH auf der Hand. Stehen Mitarbeitern
Maßnahmen für eine bessere Vereinbar-
keit von Beruf und Familie zur Verfügung,
schafftdas Entlastung. DerMitarbeiter hat
mehr Raum, sich auf seine Arbeit zu kon-
zentrieren. Die Mitarbeiterzufriedenheit
steigt und die Beschäftigten fühlen sich
stärker an das Unternehmen gebunden.
Gleichzeitig seien Arbeitgeber, die es ih-
ren Mitarbeitern ermöglichen, Familie
und Karriere zu vereinbaren, für jüngere
Bewerber attraktiv.
In Zukunft werden die Folgen des de-
mografischen Wandels in der deutschen
Wirtschaft noch stärker spürbar sein. Das
Statistische Bundesamt hat errechnet, dass
in den kommenden 15 Jahren rund 20
Millionen Menschen das Rentenalter er-
reichen. Es ist mit einemmassivenAnstieg
pflegebedürftiger Menschen zu rechnen.
Im Kampf um qualifizierte Fachkräfte
wird eine familien- und lebensphasenori-
entierte Personalpolitik für Unternehmen
deshalb noch wichtiger sein. Wer diese
Entwicklung jetzt nicht erkennt und mit
entsprechenden Maßnahmen reagiert,
könnte leicht den Anschluss verlieren.
«
Christina-Marie Rautenberg,
ergo Unternehmenskommunikation, Köln
„Ältere Beschäftigte
werden für die Unter-
nehmen zu einem kost-
baren Gut. Wir brauchen
das Know-how dieser
Mitarbeiter.“
Sylvia Clöer
, Aareon AG
„Der Fachkräftemangel
ist spürbar, insbesondere
in Bereichen, in denen
Ingenieure und Archi-
tekten gesucht werden,
sowie im IT-Sektor. Es
ist nicht so, dass wir die
Stellen nicht besetzen
können, aber es wird
schwieriger.“
Melanie Riegel,
Howoge
Fotos: Aareon; Howoge
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