Immobilienwirtschaft 9/2015 - page 27

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ist noch nicht so stark.“ In diesem Jahr hat
der MDax-Konzern auf Wunsch bislang
etwa 50 Wohnungen umgewandelt, also
Schwellen abgebaut, Bäder umgestaltet
und gegebenenfalls Türen verbreitert.
Von der Patrizia AG heißt es: „Bislang
konnten wir kein ausgeprägtes Interesse
an Investitionen in den altersgerechten
Umbau von Bestandwohnungen feststel-
len.“ Die Deutsche Annington hat 3.000
Wohnungen im vergangenen Jahr umge-
baut, knapp 0,9 Prozent ihres Bestands. In
diesem Jahr will der MDax-Konzern 600
Millionen Euro in die Sanierung stecken.
MANGELNDE RENDITE
Schuld trägt auch die
mangelnde Rendite. Laut KfW investieren
Anleger in denUmbau einerWohnung im
Durchschnitt 16.840 Euro. Allein das An-
passen eines Bades kann mit bis zu 13.000
Euro zu Buche schlagen, der Aufzug für
ein Mehrfamilienhaus mit durchschnitt-
lich 80.000 Euro. Die Kosten können In-
vestoren über die Modernisierungszulage
zwar zum Teil auf die Miete umlegen –
trotzdem lohnt sich der Umbau gerade in
Großstädten nicht, in denen dieNachfrage
ohnehin das Angebot übersteigt. Zudem
können sich viele Senioren höhereMieten
gar nicht leisten.
Die Bundesregierung fördert den
Umbau mit einem entsprechenden KfW-
Programm. Das allerdings sei für gewerb-
liche Investoren oftmals wenig attraktiv,
erklärt Just: „So reizt das Zinsprogramm
bei der derzeitigen Lage am Kapitalmarkt
nicht.“ Unternehmen bestätigen diese
Einschätzung: Die Deutsche Annington
etwa finanziert Umbauten in diesem Jahr
ausschließlich mit Eigenkapital. Von der
Deutschen Wohnen heißt es, es werde
versucht, Umbautenmöglichst aus eigener
Tasche zu bezahlen – der Verwaltungsauf-
wand sei sonst zu hoch.
Vielen reichen schon die Auflagen,
die sie per Gesetz mit der energetischen
Sanierung von Gebäuden haben, häu-
fig noch in Verbindung mit Regelungen
zum Denkmalschutz. Das schreckt davor
ab, auch noch offiziell altersgerecht um-
zubauen. Die Deutsche Annington etwa
spricht von einem„seniorenfreundlichen“
Umbau. Solche Maßnahmen seien weni-
ger aufwändig als der mit hohen Aufla-
gen verbundene seniorengerechte Um-
bau, bekräftigt Sprecherin Nina Henckel.
„Dadurch wird es für unsere Mieter er-
schwinglich.“
Neubau statt Umbau rechnet sich
auch nicht. „Bestandserhaltung ist wirt-
schaftlich attraktiver als Neubau“, sagt
die Roland-Berger-Analystin Daniela
Lehr. Neubauten seien pro Quadratmeter
etwa fünfmal teurer als Bestandsbauten.
Zudem seien bewusst auf Senioren zuge-
schnittene Wohnungen schwierig zu ver-
markten. „Wer will denn schon in jungen
Jahren ,altersgerecht‘ wohnen?“, erklärt
dazu Heike Piasecki vom Analystenhaus
BulwienGesa.
FLEXIBLE MASSNAHMEN
Was also tun?
IREBS-Wissenschaftler Just hält es für
notwendig, zunächst einmal eine ausrei-
chende Informationsbasis zu schaffen. Bei
einer Analyse der Situation in Frankfurt
am Main haben seine Kollegen und er
festgestellt, dass niemand genau über Aus-
gangslage und Bedarf Bescheid wusste.
„Wir brauchenmehr Transparenz“, sagt er.
In eine ähnliche Richtung geht die
Forderung der Deutschen Annington,
Modellbeispiele auszutauschen. Häufig
gebe es preisgünstige, kleinteilige Mög-
lichkeiten, Wohnungen den Bedürfnissen
Älterer anzupassen – von denen sowohl
Mieter als auch Konzern profitieren: Für
Mieter hielten sich die Belastungen in
Grenzen, der Konzern sei an stabilenMie-
terstrukturen interessiert, sagt Sprecherin
Henckel. Ein Viertel derMieter wohnt seit
mehr als 20 Jahren in seiner Wohnung.
Die Deutsche Annington profitiert dabei
von ihrer Größe: In dem es etwa Fenster
direkt beimHersteller in Rumänien kauft,
senkt das Unternehmen die Einkaufskos-
ten deutlich.
Die Deutsche Wohnen wiederum
versucht, Bewohnern mit Mobilitätsein-
schränkungen zunächst eineWohnung im
Erdgeschoss anzubieten, statt gleich einen
Aufzug im ganzen Haus einzubauen. Ein
branchenweiter Dialog könnte auch die
Diskussion befruchten, die das Unterneh-
men derzeit intern führt. „Wir sind dabei
zu überlegen, wie wir mit der Situation
umgehenwollen“, sagt Manager Urbansky.
Vom verstärkten Umbau bis hin zu mehr
Angeboten für betreutes Wohnen sei alles
im Gespräch. 23 Prozent der Mieter sind
65 Jahre und älter; die Gruppe zwischen
31 und 65 Jahren macht 60 Prozent aus.
Das Bewusstsein des Themas alternde
Gesellschaft scheint zumindest angekom-
men zu sein, und damit eine Bereitschaft,
über neue Wohnformen nachzudenken.
Hochtief Projektentwicklung etwa hat ein
Modell entwickelt, bei Neubauten größe-
rer Einheiten einzuplanen, dass Famili-
enwohnungen irgendwann zu groß wer-
den. „Wir gestalten den Grundriss von
vornherein so, dass man eine Wohnung
teilen kann – mit zwei Stromkreisläufen,
zwei Anschlüssen, zwei getrennten Was-
sersystemen“, erklärt Gorski. So könnten
sich Eltern später in einen Wohnungsteil
zurückziehen und den anderen verkaufen
oder vermieten.
Projekte wie generationenübergrei-
fendes Wohnen, von Nachbarn angesto-
ßene Hilfen und andere ehrenamtliche
Einsätze seien inzwischen längst mehr
als „nice to have“, bestätigt Just von der
IREBS. In ihrer Gesamtheit könnten sie
die Pflegesysteme erheblich entlasten,
Umzüge hinausschieben und überhaupt
einen fließenden Übergang von der Blüte
des Lebens in ein Alter mit gewissen Ein-
schränkungen ermöglichen.
SUMMARY
»
Es reicht noch lange nicht
mit den Investitionen in so genannte altersgerechte Wohnungen. Projektentwickler und
Wohnungsunternehmen tun sich schwer mit diesen Angeboten.
»
Um
den theoretischen Bedarf
wissen zwar die meisten, auch ihre Mieterstruktur
ist bekannt.
»
Die Nachfrage
ist bei vielen Befragten noch nicht so stark.
»
Schuld trägt auch die
mangelnde Rendite.
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Kristina Pezzei, Berlin
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