Immobilienwirtschaft 9/2015 - page 17

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9.2015
Foto: Deutscher Verband
Städtebau und Baukultur –
Garanten für das ideale Stadtquartier
I
n den wachsenden städtischen Ballungsräumen reichen Nachverdichtung und die
Bebauung von Baulücken alleine nicht aus, um genügend zusätzlichenWohnraum zu
schaffen. Wir werden wieder vermehrt neue Stadtquartiere planen und bauenmüssen
– auf größeren Brachen ebenso wie im Außenbereich. Damit die Neubauviertel langfri-
stig funktionieren, spielen städtebauliche und baukulturelle Planung eine entscheidende
Rolle. Besonders der Städtebau stellt dafür früh die Weichen.
Der ehemalige Frankfurter Stadtbaurat Prof. Dr. Martin Wentz nimmt Elemente
der städtebaulichen Gestaltung vergangener Quartiere als Vorbild für erfolgreiche neue
Quartiersentwicklungen. Gerade die heute als hochattraktiv empfundenenGründerzeit-
viertel veranschaulichenwichtigste städtebauliche Parameter: hohe Dichte, Nutzungsmi-
schung, aber auch klare Abgrenzung von privatem und öffentlichem Raum. Dabei geht
es nachWentz weniger um bauliche Dichte – sondern umdie Frage, wie viele Menschen
imQuartier aktiv sind und den öffentlichen Raum beleben. Für die Lebendigkeit ist die
Nutzungsmischung – das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Han-
del – wichtig. Öffentliche Erdgeschossnutzungen mit Geschäften, Ateliers, Restaurants
etc., vielfältige Baustrukturen mit gemischten Funktionen und das Nebeneinander von
Einfamilienhäusern, Miet- und Eigentumswohnungen machen beliebte Quartiere aus.
BEDEUTUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMS
Der Städtebau hat sich vor allem nach dem 2.
Weltkrieg lange vielerorts nicht um die richtige Mischung, Dichte und Kompaktheit
gekümmert. Architektur und Städtebau werden nun wieder zusammengeführt und er-
neut zumLeitbild von Stadtentwicklung. Die Umsetzung ist jedoch durch bauplanungs-
und umweltrechtliche Einschränkungen erschwert. „Guter Städtebau entsteht, wenn die
Bebauung von der Gestalt des öffentlichen Raumes her gedacht und konzipiert wird.“
(Wentz) Die individuelle und vielfältige Gestaltung von Plätzen und Straßenkreuzungen
schafft einmalige Orte, die einfach identifiziert werden können und klare Orientierung
bieten. Das Umfeld der Gebäude, die Qualität undGestaltung des öffentlichen Raums ha-
ben für die Attraktivität des Quartiers und damit auch der Immobilien einenmindestens
genauso hohen Stellenwert wie die Qualität der Gebäude selbst. Denn Architektur ist
zuerst Teil der Stadt, dann erst des individuellenAusdrucks (Prof. Bruno Krucker). Doch
haben Städte und Immobilieneigentümer diese Grundsätze zu lange vernachlässigt.
Damit neue Quartiere sowie Infrastruktur- und Immobilieninvestitionen funkti-
onieren, ist eine gute Planungs-, Prozess- und Beteiligungskultur entscheidend. Dies
kann eine Phase null vor der konkreten Projektplanung gewährleisten, die Voruntersu-
chungen, Machbarkeitsstudien, Umfeldanalysen und vielfältige Dialoge mit Beteiligten
und Betroffenen umfasst. Dazu sollte die gesamte Planungs- und Baufamilie bis hin zu
den Nutzern und Anwohnern eingebunden werden, um Ziele und Mittel zu definieren.
Trotz der Bedeutung ist die Phase null aber bei vielen Vorhaben noch nicht Standard.
Der Deutsche Verband hat sich in einem Fachgespräch mit dem Zentralen Immo-
bilienausschuss und der Bundesvereinigung für Landes- und Stadtentwicklungsgesell-
schaften mit der Bedeutung von Städtebau und Baukultur für die Entwicklung unserer
Stadtquartiere befasst. Nicht nur der Direktor der Bundesstiftung Baukultur Rainer Nagel
betonte, dass alle Beteiligten der Immobilienwirtschaft mit dem enormen Bauvolumen
von über 300 Milliarden Euro im Jahr (2012) trügen eine hohe Verantwortung für Bau-
kultur und städtebauliche Gestaltung: Notwendig sei ein Bekenntnis zur Qualität.
Dr. Josef Meyer, Vizepräsident Deutscher
Verband für Wohnungswesen, Städtebau und
Raumordnung e.V.
Deutscher Verband
Nach-
verdichtung und Baulücken-
bebauung reichen nicht
mehr. Wir werden vermehrt
neue Stadtquartiere planen
und bauen müssen. Damit
diese langfristig attraktiv sind
und funktionieren, müssen
Städtebau und Baukultur die
Weichen stellen.
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Dr. Josef Meyer
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