Immobilienwirtschaft 9/2015 - page 13

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9.2015
verlässliche Regeln, in denen das Bauen
stattfinden kann.
Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?
Ibel:
Die Immobilienwirtschaft befin-
det sich in einem großen Wandel, die
Geschwindigkeit der Veränderungen ist
groß. Wir müssen wieder in eine kreative
Aufbruchphase. Die gegenwärtigen politi-
schen Rahmenbedingungen passen nicht
zu denHerausforderungen, vor denen wir
im Moment stehen. Wenn Sie sehen, wie
Kommunen versuchen, für Flüchtlinge zu
bauen und sich über die von ihnen selbst
geschaffenen Regelungen imWege stehen,
wird das Dilemma deutlich. Hier stehen
wir als Diskussionspartner bereit.
Bruch:
1990 hat uns die damalige Bun-
desbauministerin Gerda Hasselfeldt ein
Vorwort für unsere Mitgliederzeitschrift
FWW geschrieben, das sich las wie heute:
etwa, dass es in Deutschland zu wenig be-
zahlbaren Wohnraum gab (damals wegen
der Aussiedler). Aber die Politik ist heute
nicht bereit, die damals erfolgreichenMit-
tel wie eine Erhöhung der Abschreibung,
des Wohngeldes und der Wohnungs-
bauförderung konsequent zu nutzen.
Wird aus Ihrer Sicht genug für den Woh-
nungsbau getan?
Ibel:
Ein klares Nein! Viele Sozialwoh-
nungen fallen aus der Förderung. Daraus
erhöht sich das Problem, zu wenigWohn-
raum zu haben, viel schneller, als dass wir
es durchNeubau zu den derzeitigen, staat-
lich bedingten Baukostensteigerungen lö-
sen könnten. Wenn ich mir etwa Berlin
anschaue, die Versagung der zweiten An-
schlussförderung für Sozialwohnungen:
Man tut als Kommune bisweilen alles da-
für, dass nicht mehr gebaut wird …
In Freiburg muss jetzt der Investor, der
frei finanzierbar baut, 50 Prozent für
sozialen Wohnungsbau bereitstellen …
Bruch:
Die Förderung für sozialen Woh-
nungsbau reicht nicht aus, um Sozialwoh-
nungen kostendeckend zu errichten, das
heißt, der Investor muss aus den anderen
50 Prozent finanzieren.
Kann man in Deutschland überhaupt
noch frei finanziert bauen?
Ibel:
Ich habe als Unternehmer oft Sorge,
dass ich das Geld, das ich für einen Bau
investiere, nicht mehr zurückbekomme.
Das, was die Menschen verdienen, und
die Kosten, die wir fürs Bauen aufwenden
müssen – das passt nicht mehr zusammen.
Bruch:
Wir haben mit dem Verbände-
bündnis Wohnungsbau ein Gutachten
veröffentlicht, das zeigt: Die Gestehungs-
kosten sind seit 2000 um40 Prozent gestie-
gen. Über die Hälfte des Kostenanstiegs
ist durch staatliche Abgaben undAuflagen
bedingt! Bei diesen Rahmenbedingungen
kann man hier zurzeit nur für die geho-
bene Schicht bauen oder im sozialen
Wohnungsbau – die Mittelschicht fällt
raus. Es gibt nicht mehr viele Bauträger,
die jetzt noch Grundstücke kaufen, denn
sie sehen nicht, dass sich die auch adäquat
platzieren lassen. Die Abschreibung von
zwei Prozent entspricht für Wohnungs-
unternehmen nicht mehr dem tatsäch-
lichen Werteverzehr. Deshalb fordern wir
eine Abschreibung von drei Prozent.
Der ZIA fordert vier …
Bruch:
Wir wollen auf dem Teppich blei-
ben. Es geht nicht umFörderung, sondern
umdie tatsächlichen Lebenszykluskosten.
Werden Ihre Argumente denn von der
Politik überhaupt gehört?
Ibel:
Bestimmte Argumente kommen bei
den maßgeblichen Politikern nicht mehr
an. Warummuss man bei der ENEV etwa
die unsinnigsten Dinge durchsetzen? Das
Verbändebündnis des Wohnungsbauta-
ges, IG Bau, Mieterbund, Bauwirtschaft,
Baustoffindustrie, Handel, kommunale
Wohnungsunternehmen und BFW, alle
sagen: Die Regierung ist auf dem Irrweg.
Das sind eben die Lobbyargumente, die
die Politik schon kennt …
Ibel:
Das wurde sogar mit dem eben ge-
nannten Gutachten untermauert. Wenn
aber das Einzige, was die Bauministe-
rin dazu sagt, ist, dass man es sich nicht
durchlesen wird, zeigt das das Problem…
Bruch:
Daher war es umso wichtiger, dass
dieses Gutachten Grundlage der Arbeit
der Baukostensenkungskommission ge-
worden ist.
Fotos: BFW
ZU DEN PERSONEN
Andreas Ibel
ist Präsident des BFW. Ibel war zuvor Vizepräsident des BFW-Bundesverbands und Vorsitzender des BFW-Landesverbands Nord.
Er ist Geschäftsführer der AIREA GmbH, einer inhabergeführten Immobiliengesellschaft mit Fokus auf den Hamburger Immobilienmarkt.
Christian Bruch
ist seit 2013 Bundesgeschäftsführer des BFW. Vorher war er Geschäftsführer des GDI Gesamtverbands Dämmstoffindustrie.
Der Rechtsanwalt mit baurechtlichem Schwerpunkt war vor 2011 Referent beim BFW für Recht und Energie.
«
Dirk Labusch, Freiburg
„Man kann in Deutsch-
land zurzeit nur für die
gehobene Schicht bauen
oder im sozialen Woh-
nungsbau – die Mittel-
schicht fällt raus.“
Christian Bruch,
BFW-Bundesge-
schäftsführer
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