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Hier kommt es auf eine optimale Teamzusammen-
setzung an. Unempfindliche und empfindsame
Mitglieder können ein Team weit voranbringen,
wenn sie um ihre unterschiedlichen Reaktions-
schwellen wissen. Durch eignungsdiagnostische
Verfahren lässt sich die individuelle Betonung der
Sach- und Beziehungsebene bereits vor Projekt-
gruppenbildung zuverlässig ermitteln.
7. Verständigkeit und Verständlichkeit
Ebenso gut messbar ist der individuelle Grad der-
jenigen Intelligenz, der die Verständigkeit der Per-
son und die Verständlichkeit der Kommunikation
inWort und Schrift abbildet. Oft ist es schlicht der
unpräzise Gebrauch von Zahlen und Begriffen, der
Missverständnisse auslöst und die Projektbeteilig-
ten zurWeißglut treibt. Hier hilft keine heterogene
Teamzusammensetzung mehr: Auch in Zeiten des
Fachkräftemangels behindernmangelnde kogniti-
ve Fähigkeiten der Beteiligten den Baufortschritt,
treiben die Kosten und fördern den Pfusch. Sie sind
aber auch leicht zu identifizieren und von Schlüs-
selfunktionen konsequent fernzuhalten.
8. Bearbeitungsengpässe
Zwar hat sich die Baubranche längst vomEinkäufer-
zumVerkäufermarkt gedreht. Doch ein Fachkräfte-
mangel ohne verteuerte Fachkräfte ist keinMangel.
Obschon die Kosten für externeVerarbeiter spürbar
steigen, werden die internen Experten entlohnt und
befristet, als ob es keinenMangel gäbe. Gleichzeitig
steigt deren Arbeitsanfall deutlich. Alles, was er-
leichtert, wird dankbar angenommen, auch wenn
damitmittel- und langfristige Bauherreninteressen
über den Ablauf der Gewährleistungsfrist hinaus
abgetreten werden. Anstatt die internen Prozesse
zu optimieren, werden zuerst die scheinbar unpro-
duktiven, aber kooperationsrelevanten Tätigkeiten
wie Koordination, Kommunikation und Schnittstel-
lenmanagement outgesourcet. Das öffnet die Tür
zu den Problemen von übermorgen.
9. Führung
Die Incentives der Mitarbeiter sind nicht etwa
Bowlingabende oder das Barbecue beim Ab-
teilungsleiter, sondern vielmehr klar geregelte
Ziele, Aufgaben und Verantwortlichkeiten, ge-
prüfte Zwischenergebnisse, ein Feedback zu Er-
gebnissen und Verhalten, kontinuierlich verbes-
serte Abläufe und Schnittstellen, engmaschige
Jours fixes und vieles mehr. Hier geht es nicht
ummöglichst gute Führung, sondern um die Ele-
mentarteilchen von Führung. Denn ungeführte
Gruppen verhalten sich entsprechend: Sie leben
Befindlichkeiten aus, heizen Gerüchteküchen an,
lassen Vereinbarungen abperlen oder definieren
sich in Abgrenzung zu anderen Organisations-
einheiten.
Über alles wird beim Bau gesprochen, über die
Minimalanforderungen an Führung aber am al-
lerwenigsten.
10. Rigidität
Nicht nur Mutation und Innovation, auch das Fest-
halten amAlthergebrachten belohnt die Evolution
mit Selektionsprämien. Für betriebliche Vorhaben
heißt das, neueWege für Kommunikation und Ko-
operation oft gegen den Widerstand der Beteilig-
ten erschließen zumüssen. Wer sichmit der imBau
typischen, sequenziellen Abfolge von Planung und
Ausführung, Abnahme und Immobilienverwaltung
gut auskennt, wird auf die vagen Versprechungen
eines integrativen Ansatzes mit baubegleitendem
Planen und interdisziplinäremArbeiten skeptisch
reagieren. Die Kritik am Waggonprinzip oder an
der Zerlegung und Segmentierung von Prozes-
sen darf nicht verwechselt werden mit einer Af-
finität für neue Kooperationsformen. Kritik an
den Verhältnissen und die Bereitschaft zu ihrer
Veränderung sind leider komplett voneinander
unabhängige Dimensionen.
Deswegen gilt es, einerseits die Nachteile der bis-
herigen Praxis auch emotional zu verpacken und
andererseits das Sicherheitsbedürfnis der Zaude-
rer mit der Kommunikation von Bewahrungs- und
Vermeidungszielen zu bedienen.
Ein Lösungsansatz
Angesichts dieser Vielfalt kooperationsfeindlicher
Einrichtungen unserer Natur mag es überraschen,
wie häufig ein gemeinsames Miteinander immer
wieder gelingt. Und als soziale Wesen können
wir Menschen in der Tat mehr erreichen als jeder
Einzelne – in künftigen Anforderungen müssen
wir dies auch mehr denn je. Dies wird jedoch
kein Automatismus sein, der bereits beim bloßen
Verkünden anspringt, sondern ein schrittweises
Gestalten der Bedingungen erfordern, die Koope-
ration ermöglichen.
Jede der o. g. zehn Hürden hat ihren eigenen Lö-
sungsansatz. Der gemeinsame Bogen besteht –
gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – in der
Sicherstellung kooperationsförderlicher Struk-
turen, der Auswahl und Bindung potenzialstar-
ker Projektleiter und der Professionalisierung des
Führungsverhaltens.
Quelle: Sill
NEUBAU UND SANIERUNG
Die aktuellen Herausforderungen im Wohnungsbau erfordern neue Prozesse, Allianzen und
kooperative Lösungswege. Hierzu bedarf es eines entsprechenden organisatorischen Klimas
Quelle: Thomas Reimer/Adobe Stock
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Planen
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Bauen
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Koordination
Die leeren Kästen können gefüllt werden: Kooperationen, baubegleitendes Planen, interdisziplinäres
Arbeiten, Architektenmodelle etc., weisen einen Ausweg aus dem Waggonprinzip