NEUBAU UND SANIERUNG
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der HWS auch die attraktive und sehr übersicht-
liche Projekthomepage beigetragen hat. „Wir
brauchen Wohnungen, die auch ohne Förderung
oder Quersubventionierung für viele bezahlbar
bleiben“, begründet Jörn von der Lieth, warum
er PC 30 angeschoben hat.
In den zentralen Lagen der Städte sei die Nachfrage
nach kleinen, preiswerten Wohnungen gestiegen.
„Das Wohnen verändert sich und zwar durch neue
Bedürfnisse und eine Vielzahl neuer Lebensformen.
Eine alleinerziehende Mutter braucht z. B. keine
2- sondern eine 3-Zimmer-Wohnung. Diese muss
dann aber kleiner sein als eine große 2-Zimmer-
Wohnung, damit sie die Miete bezahlen kann“,
sagt die stellvertretende Geschäftsführerin der
HWS Dorit Brauns. Aus diesem Grund müsse man
Neubauten realisieren, die für breite Schichten der
Bevölkerung, z. B. Alleinstehende, Senioren, Stu-
denten, kleine Familien und die zunehmende Zahl
der Business-Nomaden, bezahlbar seien.
Partnerschaftliches Planungs- und
Realisierungsmodell
Um die Baukosten niedrig zu halten, hat sich das
Wohnungsunternehmen für das Bauteam-Modell
entschieden. „Ein Bauteam-Modell zeichnet sich
durch Zusammenarbeit statt Rangfolge aus, da
sich Architekt, Fachplaner und Handwerker be-
reits während der Planungsphase gemeinsam
zusammensetzen. Ziel ist, unter Realisierung der
vorgegebenen Kosten und Termine die Ausfüh-
rungsqualität zu erhöhen“, erklärt Brauns.
Die HWS hat schon verschiedene innovative Woh-
nungenmit klugenGrundrissen und kleinen Flächen
entwickelt (siehe DW 5/2015, S. 40 ff.). Darunter
das Projekt in der Bachstraße in Berlin-Tiergarten,
das sich derzeit in der Realisierung befindet. Hier
entstehen z. B. 1- und1,5-Zimmer-Wohnungenmit
34m
2
für Senioren und 3,5-Zimmer-Wohnungen
mit 77m
2
für Ehepaare mit drei Kindern – und das
alles barrierearm und rollstuhlgerecht.
Die Begrenzung der Mieten durch eine Verknap-
pung der Fläche – diesen Ansatz verfolgen be-
reits seit einigen Jahren Projektentwickler, die
in Großstädten sog. Mikroappartements, häufig
auch Smartments genannt, errichten. Schät-
zungsweise 25.000 dieser Mikrowohnungen,
meist voll möbliert und 20 bis 25 m
2
groß, gibt
es mittlerweile in Deutschland. Und es sollen noch
viel mehr werden, wenn es nach den Bauträgern
geht. Denn die Bonsai-Wohnungen, die meist
temporär an Pendler, Studierende und Auszubil-
dende vermietet werden, kommen bei Investoren
wie Mietern gut an. Sie schließen eine Lücke auf
dem Wohnungsmarkt.
Auch sonst rückt Deutschland seit einiger Zeit
wieder zusammen, dieses ganz besonders in den
Großstädten mit ihren heiß gelaufenen Immo-
bilienmärkten. Die durchschnittliche Pro-Kopf-
Wohnfläche, die 2013 mit 45m
2
ihren Höchst-
stand erreicht hat, wird wieder geringer.
Neue Wohnwünsche durch
veränderte Lebensumstände
Die Nachfrage nach kleinen Wohnungen kommt
nicht mehr nur von Studierenden und Auszubil-
denden, sondern auch von älteren Menschen und
anderen Haushalten mit geringem Wohnkosten-
budget. „Die Wohnwünsche haben sich in den
letzten Jahren zum Teil stark verändert“, sagt
Lara Brüggemann, Sprecherin der Hilfswerk-
Siedlung. „In den Großstädten leben immer mehr
1- und 2-Personen-Haushalte, ältere Ehepaare
möchten eine Wohnung, die so dimensioniert ist,
dass nach dem Tod des Ehepartners kein Umzug
notwendig ist. Viele Menschen habenmehrere Le-
bensmittelpunkte wie Wohnorte der Kinder oder
Ferienhaus und wünschen sich einen kleineren
‚Stützpunkt’. Außerdem hat die Digitalisierung
aufgeräumt. Flachbildschirme und Musik neh-
men weniger Platz weg, Bücher werden auf dem
Tablet gelesen.“
Radikale Raumreduktion als Antwort auf Woh-
nungsmangel und hohe Mieten? Wohnpsycholo-
gen haben nachgewiesen, dass Kleinstwohnungen
der psychischen Gesundheit auf Dauer nicht zu-
träglich sind. Enge macht aggressiv, Menschen
brauchen Platz für Entfaltung und Individualität.
Auch Jörn von der Lieth bezweifelt, dass eine
1-Zimmer-Wohnung wirklich dauerhaft den An-
sprüchen der Menschen genügt. „Als ich vor 15
Jahren in meinem Unternehmen anfing, hatten
wir bei 1-Zimmer-Wohnungen einen besonders
hohen Leerstand“, erinnert er sich. Bei seinen
Neubauprojekten arbeitet er deshalb immer mit
mindestens zwei getrennten Zimmern.
Zudem denkt der HWS-Geschäftsführer wei-
ter: Für ein anderes Projekt tüftelt er an einem
V.l.: Zimmermannsmeister Fred Jänicke, ehemaliger Bezirksbürgermeister Norbert Kopp,
HWS-Geschäftsführer Jörn von der Lieth und die stellvertretende HWS-Geschäftsführerin
Dorit Brauns auf dem Richtfest
Quelle: HWS
Richtfest in der Potsdamer Chaussee 30
Quelle: HWS