DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 12/2017 - page 66

MARKT UND MANAGEMENT
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12|2017
Aufbau von Kompetenzen im Umgang
mit Komplexität
Es wird zunehmend schwerer, langfristige Ent-
scheidungen zu treffen, da sich die Rahmenbe-
dingungen rasch verändern und die Anzahl der
Einflussfaktoren, wie z. B. Digitalisierung, ge-
sellschaftlicher Wertewandel, Energiewende,
stetig steigt. Erschwerend kommt hinzu, dass
unsere klassischen Denkgewohnheiten bei der
Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhal-
ten kontraproduktiv sein können. Wir stellen das
Nachdenken ein, wennwir eine Lösung vor Augen
haben, lassen uns durch Motive und Emotionen
beeinflussen und konstruieren unsere eigene
„Wahrheit“. Hier bedarf es einer strukturierten
Methode und eines offenenMind-Set, um sichmit
komplexen Problemen auseinanderzusetzen. Mit-
arbeiter müssen neue Denkstrukturen trainieren
und eine Selbstlernkompetenz entwickeln. Dazu
braucht es imUnternehmen Freiräume zumLernen
und Experimentieren.
Agile Führungskompetenzen
Eine Schlüsselrolle nehmen bei all den vorgenann-
ten Entwicklungsmaßnahmen die Führungskräfte
und die Führungskultur ein. Denn sie stehen in der
Verantwortung, ihren Mitarbeitern die richtigen
Werkzeuge mit an die Hand zu geben, damit diese
mit der Geschwindigkeit und Ungewissheit von
Veränderungen in der heutigenGeschäftswelt um-
zugehen lernen. ImZentrum steht hierbei die För-
derung von flexiblen und agilenHandlungsmustern
der Mitarbeiter. Dies erfordert ein Umdenken in
den Köpfen und die Bereitschaft, sich auf Verände-
rungen einzulassen. Dieser grundlegende Wandel
erfordert auch neueModelle imZusammenwirken
aller Beteiligten und neue Methoden der Führung
vonMenschen und Prozessen. Agilität wird als die
Fähigkeit einer Organisation beschrieben, sich an
veränderte Bedingungen aktiv anzupassen. Dazu
gehört eine stetigeWeiterentwicklung durch kon-
tinuierliches Lernen und Ausprobieren. Bewährte
Managementmethoden mit starren Hierarchien
und strengen Abläufen stoßen hier an ihre Grenzen.
Alle Beteiligten sind daher gefordert, die Ergebnis-
se ständig auf den Prüfstand zu stellen und wenn
nötig Kursänderungen vorzunehmen. Dazu sind ein
hohes Maß an Selbstorganisation und Motivation
nötig. Die weitreichenden Veränderungen in den
Unternehmen durch die Digitalisierung können
nur gemeistert werden, wenn Projektstrukturen
aufgebaut und agile Führungsmethoden Einzug in
die Organisation halten, ohne formale Hierarchie
völlig abzuschaffen.
Agile Führungsstile unterscheiden sich vor allem
in ihren wesentlichen Merkmalen von den bisher
praktizierten Methoden:
Führen mit Sinn und Orientierung
Die Grundlage für eine funktionierende Personal-
entwicklung in der Arbeitswelt 4.0 ist eine Kom-
petenzkultur, in der die Unternehmen die Stärken
und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter in
Teams fördern. Agile Führungskräfte entwickeln
Visionen, geben Richtungen und Orientierung vor,
erarbeiten gemeinsammit den Mitarbeitern Sinn
und Nutzen der gemeinsamen Arbeit und schaf-
fen die Rahmenbedingungen für die bestmögliche
Entfaltung ihrer Mitarbeiter. Sie übernehmen die
Rolle des Enablers (Ermöglicher). Dazumüssen sie
die Stärken und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter
bestmöglich kennen und weiterentwickeln.
Führen mit Feedback und Reflexion
Vorgegebene Zielvereinbarungen und Beurteilun-
gen der einzelnen Leistungen von Mitarbeitern
kennzeichnen traditionelle Führungsstile. Da in
agilen Strukturen die Arbeit stärker in Teamver-
antwortung bewältigt wird, entsteht hier eine per-
manente „Leistungskontrolle“ durch die anderen
Mitglieder. Führungskräfte informieren sich über
die Ergebnisse des Teams und die Leistung des
Einzelnen, dabei erfolgt Feedback und Reflexion
zu Verbesserungsmöglichkeiten regelmäßig. Das
Feedback wird getragen von einer grundsätzlich
gegenseitigen Wertschätzung und dem Willen,
sich stetig zu verbessern.
Steuerungsaufgaben der Führungskräfte
Im traditionellen Management steuern die Lei-
ter die Prozesse in ihren Abteilungen, indem
sie Aufgaben delegieren, Verantwortlichkeiten
definieren und Ergebnisse dann kontrollieren.
Führungskräfte in agilen Strukturen schaffen
dagegen in ihren Teams Rahmenbedingungen, in
denen Arbeitsaufträge selbstverantwortlich und
selbstorganisiert priorisiert und gestaltet werden
– auch in direkter Abstimmung mit den Kunden.
Aufgabe der Leitungsebenen ist die Abstimmung
aller laufenden Prozesse, die Koordinierung von
Schnittstellen, die Etablierung von Kommunika-
tionsstrukturen sowie die Ergebnissicherung im
Team im Zuge der Abschlussreflexion.
Eine holistische Betrachtung der Arbeitsprozesse
ist besonders wichtig, um Lernerfolge und insbe-
sondere Erfolgserlebnisse der Mitarbeiter trans-
parent zu machen.
Entwicklung alternativer Karrierewege
Der Kampf um Potenzialträger für besondere
Aufgaben oder Fachkräfte mit Spezialkenntnis-
sen (z. B. IT-Spezialisten) spielt in der Wohnungs-
wirtschaft eine wichtige Rolle. Oftmals gestaltet
sich die Karriereplanung bei Mitarbeitern inWoh-
nungsunternehmen schwierig. Das Spannungsfeld
zwischen gut ausgebildeten Fachkräften und einer
begrenzten Anzahl an Führungspositionen macht
es für die Unternehmen zunehmend komplizier-
ter, Fachkräfte langfristig zu binden. Auchmöchte
nicht jeder Mitarbeiter eine Führungskarriere star-
ten, sondern würde lieber als Experte in seinem
Fachgebiet oder als Projektleiter in wechselnden,
spannenden Projekten arbeiten. Hier muss Per-
sonalentwicklung alternative Karrieremodelle
entwickeln, die den Anforderungen im Unter-
nehmen und den Erwartungen der Mitarbeiter
gerecht werden.
Parallel aufgesetzte Führungs-, Experten- und
Projektleiterkarrieren können auch in mittleren
Wohnungsunternehmen wirkungsvoll etabliert
werden. Wichtig ist eine gute Vorbereitung der
Mitarbeiter für die jeweilige Rolle, bei der die
vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeiter um
die notwendigen ergänzt werden.
DIGITALE TRANSFORMATION: BEISPIEL ARBEITSWELT
Alternative Karrierepfade
Mögliche Ebenen:
Zu definieren:
1. Gehaltsbänder
2. Verantwortungen
3. „Titel“
4. Wertigkeit im
Unternehmen
./.
./.
GF
Führungskarriere
Teamleiter
Juniorexperte
Projektmanager
Projektleiter
Senior­
projektleiter
Experte
Senior­
experte
Abteilungs-
leiter
Bereichs-
leiter
Fach-/Expertenkarriere
Projektkarriere
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