DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 12/2017 - page 41

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Herr Prof. Dr. Bach, was waren Ihre Beweg-
gründe, den Arbeitskreis „Geislinger Konven-
tion“ vor rund 20 Jahren ins Leben zu rufen?
Während andere Branchen, insbesondere auch im
Bereich der gewerblich und industriell genutzten
Immobilien, schon frühzeitig die Bedeutung der
Betriebskosten für ihren wirtschaftlichen Ge-
samterfolg erkannt und entsprechende Bench-
markingverfahren entwickelt hatten, hinkte die
klassische Wohnungswirtschaft dieser Entwick-
lung stark hinterher. Mit weiteren motivierten,
sachkundigen Akteuren wollte ich diesen Rück-
stand aufholen und die Wohnungsunternehmen
animieren, sich diesem Thema zu öffnen.
Wie fällt Ihr Fazit nach 20 Jahren aus?
Die von uns entwickelte „Geislinger Konvention“
ist als Grundlage eines vereinheitlichten, struktu-
rierten Betriebskostenvergleichs allgemein aner-
kannt. Die institutionelle Anbindung des Arbeits-
kreises „Geislinger Konvention“ an die Hochschule
für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
(HfWU) ist über das vor zwei Jahren gegründete
Institut für nachhaltige Immobilienbewirtschaf-
tung (IfnI) gesichert. Rund 4 Mio. Wohnungen
werden einem Betriebskosten-Controlling auf
Grundlage der „Geislinger Konvention“ unter-
zogen.
Das klingt nach einer Erfolgsstory, oder?
Grundsätzlich kann man das so sehen. Bei fast 22
Mio. Mietwohnungen in Deutschland ist ein Anteil
von 4 Mio. „gebenchmarkten“ Wohnungen aller-
dings noch relativ gering. Nachwie vor müssenwir
sehr intensiv für das Betriebskostenbenchmarking
werben – ein Selbstläufer ist das leider noch nicht.
Dabei werden die Betriebskosten als wich-
tiger Bestandteil der Wohnkostenbelastung
insgesamt doch immer bedeutsamer?
Das ist richtig. Während die Politik versucht, die
Mieten mit der Mietpreisbremse zu deckeln, sat-
telt sie bei den Betriebskosten durch das Drehen
an der Abgaben- und Gebührenschraube immer
weiter drauf. Kluge Unternehmen sollten dem im
Rahmen ihrer Möglichkeiten mit modernen Me-
thodenwie z. B. demBetriebskostenmanagement
auf Basis der „Geislinger Konvention“ entgegen-
wirken.
Wo sehen Sie das Betriebskostenbenchmar-
king in zehn Jahren?
Die Erkenntnis, Betriebskosten nicht nur zu ver-
walten, sondern zu gestalten, wird sich weiter
durchgesetzt haben. Ein z. B. auch auf die Instand-
haltungskosten erweitertes Benchmarking wird
für viele Unternehmen interessant und macht sie
zu Anwendern. Die zunehmende Digitalisierung
wird diese Prozesse befördern. DieMitglieder des
Arbeitskreises „Geislinger Konvention“ werden
hoffentlich nicht alle imSeniorenalter wie ich sein,
sondern jung, dynamisch und aktiv!
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dr. Peter Hitpaß.
Interview mit Prof. Dr. Hansjörg Bach
Ende einer Ära
Nach rund 20 Jahren gibt Prof. Dr. Hansjörg Bach den Vorsitz im Arbeitskreis
„Geislinger Konvention“ ab. Betriebskosten aktuell sprach mit ihm aus diesem
Anlass über seine Beweggründe diese damals ins Leben zu rufen, sein Fazit
und die Zukunft des Betriebskostenbenchmarkings.
Alles Flatrate – oder was?
Pauschalmieten als besonderes Angebot an die Mieter
Erste Beispiele für Pauschalmieten bzw. -verträge gibt es bereits aus
Brandenburg und Schleswig-Holstein. Dort bieten Wohnungsunterneh-
men ihren Mietern in ausgewählten Wohnquartieren Mietverträge mit
sog. Flatrates oder Pauschalmietverträge an. In diesen Mietverträgen
wird geregelt, dass mit der Miete sämtliche Wohnkosten – also auch die
kalten und warmen Betriebskosten – abgegolten sind.
In einem Cottbusser Wohnquartier, wo ca. 60 bis 70% des benötigten
Stroms durch solare Eigenproduktion gedeckt werden, ist sogar der
Haushaltsstrom der Mieter in der Flatrate enthalten. Für die Mieter
bedeutet das Planungssicherheit, denn ihre gesamte Mietbelastung
steht von vornherein fest. Die Wohnungsunternehmen können dadurch
Abrechnungs- und Zählerkosten sparen und zudem ihre Bewirtschaf-
tungsprozesse optimieren. Allerdings wachsen mit solchen Pauschallö-
sungen auch die Anforderungen an ein gut funktionierendes Betriebs-
kostenmanagement. Damit steht und fällt der wirtschaftliche Erfolg sog.
Flatrate-Mietverträge. Bevor aus diesen ersten Ansätzen allerdings ein
flächendeckender Trend entsteht, müssten insbesondere die Vorschriften
der Heizkostenverordnung entsprechend geändert werden, die bisher
nur wenige Ausnahmen von der verbrauchsabhängigen Abrechnung der
Heiz- und Warmwasserkosten zulässt. Ob umwelt- und kostenbewusste
Mieter die Flatrate-Miete positiv bewerten, müsste dabei noch gesondert
untersucht werden.
Quelle: HfWU
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