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            12|2017
          
        
        
          
            Herr Prof. Dr. Bach, was waren Ihre Beweg-
          
        
        
          
            gründe, den Arbeitskreis „Geislinger Konven-
          
        
        
          
            tion“ vor rund 20 Jahren ins Leben zu rufen?
          
        
        
          Während andere Branchen, insbesondere auch im
        
        
          Bereich der gewerblich und industriell genutzten
        
        
          Immobilien, schon frühzeitig die Bedeutung der
        
        
          Betriebskosten für ihren wirtschaftlichen Ge-
        
        
          samterfolg erkannt und entsprechende Bench-
        
        
          markingverfahren entwickelt hatten, hinkte die
        
        
          klassische Wohnungswirtschaft dieser Entwick-
        
        
          lung stark hinterher. Mit weiteren motivierten,
        
        
          sachkundigen Akteuren wollte ich diesen Rück-
        
        
          stand aufholen und die Wohnungsunternehmen
        
        
          animieren, sich diesem Thema zu öffnen.
        
        
          
            Wie fällt Ihr Fazit nach 20 Jahren aus?
          
        
        
          Die von uns entwickelte „Geislinger Konvention“
        
        
          ist als Grundlage eines vereinheitlichten, struktu-
        
        
          rierten Betriebskostenvergleichs allgemein aner-
        
        
          kannt. Die institutionelle Anbindung des Arbeits-
        
        
          kreises „Geislinger Konvention“ an die Hochschule
        
        
          für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
        
        
          (HfWU) ist über das vor zwei Jahren gegründete
        
        
          Institut für nachhaltige Immobilienbewirtschaf-
        
        
          tung (IfnI) gesichert. Rund 4 Mio. Wohnungen
        
        
          werden einem Betriebskosten-Controlling auf
        
        
          Grundlage der „Geislinger Konvention“ unter-
        
        
          zogen.
        
        
          
            Das klingt nach einer Erfolgsstory, oder?
          
        
        
          Grundsätzlich kann man das so sehen. Bei fast 22
        
        
          Mio. Mietwohnungen in Deutschland ist ein Anteil
        
        
          von 4 Mio. „gebenchmarkten“ Wohnungen aller-
        
        
          dings noch relativ gering. Nachwie vor müssenwir
        
        
          sehr intensiv für das Betriebskostenbenchmarking
        
        
          werben – ein Selbstläufer ist das leider noch nicht.
        
        
          
            Dabei werden die Betriebskosten als wich-
          
        
        
          
            tiger Bestandteil der Wohnkostenbelastung
          
        
        
          
            insgesamt doch immer bedeutsamer?
          
        
        
          Das ist richtig. Während die Politik versucht, die
        
        
          Mieten mit der Mietpreisbremse zu deckeln, sat-
        
        
          telt sie bei den Betriebskosten durch das Drehen
        
        
          an der Abgaben- und Gebührenschraube immer
        
        
          weiter drauf. Kluge Unternehmen sollten dem im
        
        
          Rahmen ihrer Möglichkeiten mit modernen Me-
        
        
          thodenwie z. B. demBetriebskostenmanagement
        
        
          auf Basis der „Geislinger Konvention“ entgegen-
        
        
          wirken.
        
        
          
            Wo sehen Sie das Betriebskostenbenchmar-
          
        
        
          
            king in zehn Jahren?
          
        
        
          Die Erkenntnis, Betriebskosten nicht nur zu ver-
        
        
          walten, sondern zu gestalten, wird sich weiter
        
        
          durchgesetzt haben. Ein z. B. auch auf die Instand-
        
        
          haltungskosten erweitertes Benchmarking wird
        
        
          für viele Unternehmen interessant und macht sie
        
        
          zu Anwendern. Die zunehmende Digitalisierung
        
        
          wird diese Prozesse befördern. DieMitglieder des
        
        
          Arbeitskreises „Geislinger Konvention“ werden
        
        
          hoffentlich nicht alle imSeniorenalter wie ich sein,
        
        
          sondern jung, dynamisch und aktiv!
        
        
          
            Vielen Dank für das Gespräch.
          
        
        
          Die Fragen stellte Dr. Peter Hitpaß.
        
        
          
            Interview mit Prof. Dr. Hansjörg Bach
          
        
        
          
            Ende einer Ära
          
        
        
          Nach rund 20 Jahren gibt Prof. Dr. Hansjörg Bach den Vorsitz im Arbeitskreis
        
        
          „Geislinger Konvention“ ab. Betriebskosten aktuell sprach mit ihm aus diesem
        
        
          Anlass über seine Beweggründe diese damals ins Leben zu rufen, sein Fazit
        
        
          und die Zukunft des Betriebskostenbenchmarkings.
        
        
          
            Alles Flatrate – oder was?
          
        
        
          
            Pauschalmieten als besonderes Angebot an die Mieter
          
        
        
          Erste Beispiele für Pauschalmieten bzw. -verträge gibt es bereits aus
        
        
          Brandenburg und Schleswig-Holstein. Dort bieten Wohnungsunterneh-
        
        
          men ihren Mietern in ausgewählten Wohnquartieren Mietverträge mit
        
        
          sog. Flatrates oder Pauschalmietverträge an. In diesen Mietverträgen
        
        
          wird geregelt, dass mit der Miete sämtliche Wohnkosten – also auch die
        
        
          kalten und warmen Betriebskosten – abgegolten sind.
        
        
          In einem Cottbusser Wohnquartier, wo ca. 60 bis 70% des benötigten
        
        
          Stroms durch solare Eigenproduktion gedeckt werden, ist sogar der
        
        
          Haushaltsstrom der Mieter in der Flatrate enthalten. Für die Mieter
        
        
          bedeutet das Planungssicherheit, denn ihre gesamte Mietbelastung
        
        
          steht von vornherein fest. Die Wohnungsunternehmen können dadurch
        
        
          Abrechnungs- und Zählerkosten sparen und zudem ihre Bewirtschaf-
        
        
          tungsprozesse optimieren. Allerdings wachsen mit solchen Pauschallö-
        
        
          sungen auch die Anforderungen an ein gut funktionierendes Betriebs-
        
        
          kostenmanagement. Damit steht und fällt der wirtschaftliche Erfolg sog.
        
        
          Flatrate-Mietverträge. Bevor aus diesen ersten Ansätzen allerdings ein
        
        
          flächendeckender Trend entsteht, müssten insbesondere die Vorschriften
        
        
          der Heizkostenverordnung entsprechend geändert werden, die bisher
        
        
          nur wenige Ausnahmen von der verbrauchsabhängigen Abrechnung der
        
        
          Heiz- und Warmwasserkosten zulässt. Ob umwelt- und kostenbewusste
        
        
          Mieter die Flatrate-Miete positiv bewerten, müsste dabei noch gesondert
        
        
          untersucht werden.
        
        
          Quelle: HfWU