Verliert damit das Bauen im Bestand gegen-
über dem Neubau an Bedeutung?
Was denWettbewerb betrifft, ist das so. Das spie-
gelten auch die Einsendungenwider: Für den Neu-
baupreis gab es wesentlich mehr Bewerbungen
als für den Modernisierungspreis. Allerdings war
es für die Jury bei vielen Projekten gar nicht so
einfach, zu entscheiden, ob es nun ein Neubau-
oder ein Modernisierungsprojekt ist – z. B, wenn
eine Baulücke geschlossen und gleichzeitig das
benachbarte Bestandsgebäude ertüchtigt wird.
Erwarten Sie, dass für den nächsten Bau-
herrenpreis mehr große Neubauprojekte auf
der grünen Wiese eingereicht werden?
Ich bin überzeugt, dass wir beim nächsten Bau-
herrenpreis mehr große Projekte neuen Typs
sehen werden. Und ich halte es auch für richtig,
dass wir die Großsiedlung neu betrachten. Diese
Wohnform ist überhaupt nicht Vergangenheit. Die
Menschen wollen immer noch ruhig und sicher im
Grünen wohnen. Dabei sollte es allerdings das
Ziel sein, eine Vielfalt der Funktionen und der
Trägerschaft zu erreichen und die Losgrößen zu
begrenzen. Wir reden also eher über 5.000Wohn-
einheiten als über 20.000.
Nun ist das Thema „Klasse und Masse“ ja
nicht neu, sondern schon in der Zwischen-
kriegszeit intensiv bearbeitet worden. Kann
man etwas von den damaligen Projekten
lernen?
Ich wundere mich ein bisschen, dass man nur auf
die Siedlungen der 1920er Jahre schaut und nicht
auch auf die großen Leistungen des Siedlungsbaus
der 1950er, 1960er und 1970er Jahre.
Wenn über das serielle Bauen gesprochen wird,
wird die Großtafelbauweise oft nicht einmal er-
wähnt. In vielen Vorträgen hört die Welt bei Bruno
Taut auf. Aber man hat auch nach dem Zweiten
Weltkrieg Großartiges geleistet. Man sollte das
serielle Bauen insgesamt in seiner Historie be-
trachten.
Könnte man also die WBS-70-Platte reakti-
vieren?
Es gibt im Bauen nie ein schlichtes „Zurück“. Aber
es lohnt sich immer, sehr genau anzuschauen,
was unsere Vorgänger erdacht und erbaut haben.
Dabei wird deutlich: Es ist alles andere als trivi-
al, die Qualität der Grundrisse und die Effizienz
der Nebenflächen im heutigen kostengünstigen
Bauen zu übertreffen.
Unter den Preisträgern vor allem in der
Kategorie Neubau ist die organisierte Woh-
nungswirtschaft sehr stark vertreten, stärker
als private Wohnungsunternehmen und Bau-
gruppen. Wie ist das zu interpretieren?
Die kommunalen und kirchlichen Wohnungsun-
ternehmen sowie die Wohnungsgenossenschaf-
ten sind vor allem im Segment des bezahlbaren
Wohnungsbaus, dem der Bauherrenpreis gewid-
met ist, gut unterwegs. Auch unter Beachtung
des Kostenaspekts realisieren sie überzeugende
Projekte. Baugruppen leisten Verdienstvolles,
können aber zur Masse des notwendigen Neubaus
nur einen überschaubaren Anteil beitragen. Und
viele private Unternehmen orientieren sich eher
auf das lukrative Hochpreissegment.
Herr Dr. Hunger, vielen Dank für das
Interview.
Die Fragen stellte Christian Hunziker.
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4|2016
gesellschaft der brandenburgischen Kleinstadt
Luckau, die eine ehemalige Justizvollzugsanstalt
unter Beachtung denkmalschützerischer Aspek-
te einer Wohnnutzung zuführte und dabei sehr
niedrige Mieten garantiert (siehe DW 6/2015, S.
22). Und inWustermark, unweit von Berlin, wagte
sich die Deutsche Wohnen AG an die Sanierung
der denkmalgeschützten Eisenbahnersiedlung aus
der Zwischenkriegszeit. Angesichts des niedrigen
Mietniveaus vor Ort sei das keine Investition mit
kurzfristiger Rendite, sondern ein Gewinn für die
gesamte Region, hob die Jury hervor.
Betrachtet man die für den Deutschen Bauherren-
preis wesentliche Frage der Kosten, so zeigt sich
eine große Bandbreite. In der Kategorie Neubau
reichen die Baukosten (brutto, jeweils KG 300 +
KG 400) von 1.436 €/m
2
(Claudius-Höfe Bochum)
bis 2.531 €/m
2
(Weltquartier Hamburg), in der
Kategorie Modernisierung von 508 €/m
2
(Kunst-
WohnWerkeMünchen) bis 1.599 €/m
2
(Märkischer
Platz Rathenow). Bei allen Bemühungen, Kosten
zu sparen, dürften indes qualitative Aspekte nicht
aus den Augen verloren werden, mahnte im Rah-
men des bautec-Symposiums Hans-Otto Kraus von
der GWG München: „Wir bauen die Stadt weiter
und müssen deshalb auf Qualität achten.“
Folgende Projekte von GdW-Unternehmen wurden in der Kategorie
Neubau
ausgezeichnet:
• HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH: Treskow-Höfe, Berlin
• Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH: Wohn- und Geschäftshaus
Hans-Scharoun-Platz, Stuttgart
• Stadtbau Würzburg GmbH: Neues Wohnen Brunostraße, Würzburg
• Joseph-Stiftung: e% – Energieeffizienter Wohnungsbau, Ansbach
• Wohnungsbaugenossenschaft Berolina eG: Myrica, Berlin
• WOBAK Städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH Konstanz: Wohnbebauung Bahnhof
Petershausen, Konstanz
• Matthias-Claudius-Stiftung: Claudius-Höfe, Bochum
• GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH: Wohnbebauung Berg am Laim,
München
• SAGA Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg: Kopfbauten Weltquartier Wilhelmsburg,
Hamburg
In der Kategorie
Modernisierung
erhielten diese Projekte von GdW-Unternehmen den Preis:
• Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft mbH Luckau: Umbau JVA, Luckau
• Kommunale Wohnungsbaugesellschaft mbH Rathenow: Neugestaltung Märkischer Platz,
Rathenow
• Deutsche Wohnen AG: Sanierung Eisenbahnersiedlung, Wustermark
• Baugenossenschaft Hegau eG: Modernisierung Punkthäuser, Singen
• Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft mbH: GenerationenWohnen im Wohnkomplex I,
Eisenhüttenstadt
DEUTSCHER BAUHERRENPREIS 2015/2016
Weitere Informationen:
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