DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 53

Schwierige Lagen werden bebaut
Bemerkbar macht sich der wachsende Druck auf
denGrundstücksmärkten darin, dassWohnungsun-
ternehmen verstärkt auch schwierige Areale in den
Blick nehmen. Das zeigt z. B. die Wohnbebauung,
für die dieWOBAK StädtischeWohnungsbaugesell-
schaft mbH Konstanz mit einem Preis in der Kate-
gorie Neubau ausgezeichnet wurde. Sie bebaute
ein schwieriges Grundstück direkt an der Bahnlinie
mit einer kammartigen Struktur. Sie zeigte nach
Einschätzung der Jury auf, „wie lärmbelastete Orte
wieder städtebaulich in den Stadtkontext einge-
bunden und für qualitätvolles Wohnen nutzbar
gemacht werden können“.
Vor einer komplexenAufgabe stand auch die SWSG
StuttgarterWohnungs- und Städtebaugesellschaft
mbH, als sie sich anschickte, einen Parkplatz im
Stadtteil Rot zu bebauen. Entstanden ist daraus der
Hans-Scharoun-Platz, der von zwei 5-geschossi-
gen, imWinkel zueinander angeordnetenGebäuden
mit Wohnungen und Geschäften im Erdgeschoss
gebildet wird. Für Dr. Bernd Hunger vom GdW,
steht dieses Projekt für die Tendenz, durch den
Wohnungsbau „Stadtreparatur und urbaneAufwer-
tung komplizierter städtebaulicher Situationen“ zu
schaffen (siehe Interview auf S. 52).
Eine weitere Erkenntnis aus dem Bauherrenpries
ist, dass manche Nachkriegsbauten nicht mehr
zu retten sind. So entschied sich z. B. die Joseph-
Stiftung Bamberg, in Ansbach drei Gebäuderiegel
aus den 1950er Jahren durch zwei Baukörper in
Holzbauweise zu ersetzen. Das Projekt ist imRah-
men desModellvorhabens „e%– Energieeffizienter
Wohnungsbau“ entstanden (siehe DW 10/2012,
S. 44) und überzeugt durch seine besonders hohe
Energieeffizienz. Zum Mittel des Ersatzneubaus
griff auch die Stadtbau Würzburg GmbH: Sie riss
inWürzburg-ZellerauWohnblöcke aus den 1950er
Jahren ab und ersetzte sie durch neun versetzt zu-
einander angeordnete Häuser. Beispielhaft daran
ist nach Einschätzung der Jury nicht zuletzt „die
sozialeMischung der Nachbarschaft, die durch den
Mix vonWohneigentumsowie freifinanziertemund
gefördertemWohnungsbau ermöglicht wird“.
Das soziale Dorf in der Großstadt
Eine ausgewogene soziale Mischung ist auch das
Ziel anderer preisgekrönter Projekte. Besonders
weit geht hier die Matthias-Claudius-Stiftung,
die in Bochum mit den Claudius-Höfen ein „sozi-
ales Großstadt-Dorf“ realisierte: Rund um einen
Quartiersplatz entstanden Einfamilienhäuser, Rei-
henhäuser, Geschosswohnungen und Studenten-
apartments sowie ein breites Dienstleistungs- und
Kommunikationsangebot, das sich an Menschen
sowohl mit als auch ohne Handicap richtet.
Die Berliner HOWOGE ihrerseits schuf in Berlin-
Karlshorst mit ihren Treskow-Höfen – mit 414
Wohnungen das größte der prämierten Neubau-
vorhaben –Wohnungen für unterschiedliche Ziel-
gruppen, so dass eine generationenübergreifende
Wohnanlagemit sozial gemischter Mieterstruktur
entstanden ist (siehe auch S. 23 in dieser DW).
Wie sich diese so oft geforderte soziale Mischung
erreichen lässt, wurde auch auf einemSymposium
(„Mehr Wohnungsneubau – Klasse und Masse“)
imVorfeld der Verleihung des Deutschen Bauher-
renpreises Neubau thematisiert. Die Berliner Ar-
chitektin Anne Lampen stellte in diesem Rahmen
eine von ihr für die städtische Wohnungsbauge-
sellschaft Stadt und Land entworfeneWohnanlage
in Berlin-Johannisthal vor, in der ursprünglich eine
Mischung aus Eigentums- und Mietwohnungen
vorgesehenwar. Weil aber das Land Berlin den Ver-
kauf städtischer Wohnungen mittlerweile grund-
sätzlich ablehnt, werden die 32 neuenWohnungen
nun alle vermietet – allerdings mit unterschiedli-
chen Standards und zu unterschiedlichenMieten.
Kommt das serielle Bauen?
Welche Hindernisse dem dringend nötigen
Wohnungsbau im Wege stehen, beleuchtete im
Rahmen des Symposiums Hans-Otto Kraus, Ge-
schäftsführer der GWG München. Die eigenen
Bestandsmieter stünden Neubauten vor ihrer
Haustür in der Regel offen gegenüber, berichte-
te Kraus. In der weiteren Nachbarschaft aber sei
„der Egoismus der Mitbürger sehr ausgeprägt“.
Als weiteres Hemmnis für kostengünstigen Woh-
nungsbau bezeichnete er die Stellplatzsatzung,
die, anders als in Hamburg oder Berlin, inMünchen
noch immer gilt. Darüber hinaus kritisierte Kraus,
die derzeitige Bauweise sei „unindustriell“ und
hemme so das schnelle Bauen.
Das serielle und modulare Bauen, das derzeit in
der Branche so intensiv diskutiert wird, spielt bei
denmit demBauherrenpreis ausgezeichneten Pro-
jekten noch kaum eine Rolle. Gut vorstellbar ist,
dass das schon bei der nächsten Auflage des Wett-
bewerbs ganz anders aussehen wird. Anregungen
gab hier die Gewoba Bremen, über deren aus dem
Projekt „ungewöhnlichwohnen“ hervorgegange-
ne Vorhaben imRahmen des bautec-Symposiums
Vorstandsvorsitzender Peter Stubbe berichtete.
Mit dem „Bremer Punkt“ hat die Gewoba ein Mo-
dell entwickelt, das an unterschiedlichen Stand-
orten realisiert werden kann und im Inneren auf
einemmodularen Baukastensystembasiert. „Vor-
fertigung führt nicht zwingend zu einer Senkung
der Baukosten“, gab Stubbe aufgrund der dabei
gemachten Erfahrungen zu bedenken. Auch be-
nötige das serielle Bauen eine lange Vorlaufzeit,
da sehr viele Details bedacht werden müssten.
Revitalisierung in schrumpfenden Städten
Dass es in Deutschland nicht nur boomende Städ-
te mit akutem Neubaubedarf gibt, verdeutlichen
die Ergebnisse des Deutschen Bauherrenpreises
Modernisierung. Besonders bemerkenswert unter
den zehn preisgekrönten Projekten sind zwei aus
schrumpfenden Städten. In der brandenburgi-
schen 25.000-Einwohner-Kommune Rathenow
modernisierte die städtische Wohnungsbau-
1...,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52 54,55,56,57,58,59,60,61,62,63,...92
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