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1|2016
Wiesbaden: Unterkunft statt Abriss
Auch die GWWWiesbadener Wohnbaugesellschaft
mbH muss ihre Abrisspläne als Folge des Flücht-
lingsansturms überarbeiten. Konkret betrifft dies
das Gebiet imWeidenborn, das von Riegelbauten
aus den 1950er Jahren geprägt ist. Viele von die-
sen sind bereits verschwunden; allein 2015 stellte
die GWWan ihrer Stelle 161Miet- und Eigentums-
wohnungen fertig. InweiterenWohnhäusern aber,
die eigentlich ebenfalls abgerissenwerden sollen,
werden jetzt Flüchtlinge untergebracht.
Die entsprechende Informationsveranstaltung sei
„nicht einfach“ gewesen, sagt GWW-Sprecherin
AlexandraMay. Kritik habe es z. B. von denMietern
gegeben, die wegen des angekündigten Abrisses
ausziehen mussten. Außerdem sei das Nebenei-
nander von teuren Eigentumswohnungen und
Flüchtlingsunterkünften nicht unproblematisch.
Für die GWW stellt die Änderung der ursprüngli-
chen Pläne laut May eine „enorme Kraftanstren-
gung“ dar, da die Vorbereitungen für den Abriss
bereits weit vorangeschrittenwaren. „Das falsche
Signal“ wäre es für May, wenn nun alle Neubauplä-
ne wegen der Flüchtlingsfrage blockiert würden:
„Wir müssen auch neu bauen. Sonst fragen uns der
Polizist und die Bäckereifachverkäuferin, was wir
eigentlich für sie tun.“
Kurzfristig aktiv wurde auch die ABG Frankfurt
Holding, die im September die alte Mensa der Uni
in Bockenheim als Unterkunft für 170 Flüchtlinge
zur Verfügung stellte.
In Düsseldorf wiederum schlossen die Stadt und
die Arbeitsgemeinschaft Düsseldorfer Wohnungs-
unternehmen bereits Anfang 2015 ein Kooperati-
onsabkommen mit dem Ziel, anerkannte Asylbe-
werber inWohnungen unterzubringen. Allerdings
räumt Jürgen Heddergott, Vorstandsvorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft Düsseldorfer Wohnungs-
unternehmen, ein, dass „seither zuwenig passiert
ist“. Nach seinen Worten haben die acht beteilig-
ten Unternehmen bis Oktober lediglich etwa 20
Wohnungen an Flüchtlinge vermietet. Den Grund
dafür sieht Heddergott im angespannten Düssel-
dorfer Wohnungsmarkt: „Das Problem in allen Bal-
lungsräumen ist, dass imunteren Preissegment so
gut wie nichts mehr auf dem Markt ist.“
Flensburg: Rückzug von Genossenschaften
Dass die Flüchtlingsthematik bei allem gutem
Willen der Verantwortlichen die Unternehmen
vor Schwierigkeiten stellen kann, unterstreicht
ein Beispiel aus Schleswig-Holstein. Dort bewar-
ben sich drei Wohnungsbaugenossenschaften
(Gewoba Nord, Flensburger Arbeiter-Bauverein
und Selbsthilfe-Bauverein) um den Bau eines
Flüchtlingsdorfs auf demUni-Campus Flensburg.
Geplant waren acht bis zehn Wohngebäude, die
nach fünf bis zehn Jahren als Studentenwohnheim
hätten genutzt werden sollen. Bereits am 1. Sep-
tember 2016 hätten nach dem Willen des Kieler
Innenministeriums die ersten Bewohner einziehen
sollen. Doch dazu wird es nicht kommen: Das In-
nenministerium hob das Vergabeverfahren auf,
nachdemdie drei Genossenschaften ihren Rückzug
angekündigt hatten und auch kein anderer Inves-
tor Interesse bekundet hatte.
„Die Auflagen und Rahmenbedingungen haben
sich dahingehend entwickelt, dass sie eine Um-
setzung durch uns schwierigmachen“, begründet
Dietmar Jonscher, Vorstand der Gewoba Nord, den
Rückzug. So hätten sich die zeitlichen Vorgaben
als unrealistisch herausgestellt, und in Bezug auf
Fördermittel seien die Unsicherheiten gewachsen.
Die drei Genossenschaften wollen sich jetzt ver-
stärkt beim regulären Wohnungsbau engagieren.
„So unterstützen wir den dauerhaften Verbleib
der Menschen, die in Flensburg eine neue Heimat
finden wollen“, sagt Michael Kohnagel, Direktor
des Flensburger Arbeiter-Bauvereins.
Sachsen: Netzwerk geknüpft
Einen umfassenden Ansatz verfolgt der vdw Ver-
band der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
Sachsen. Verbandsdirektor Rainer Seifert initi-
ierte das Netzwerk „Ankunft – Zukunft“, an dem
sich nicht nur Wohnungsunternehmen beteiligen,
sondern auch Arbeitgeber aus Handwerk und In-
dustrie. Seifert spricht von „gezielter Hilfe zur
Selbsthilfe in drei Schritten: Wohnraum, erste
Beschäftigungsmöglichkeit, vollwertiger Job
als Perspektive.“
Laut Seifert beteiligen sich am Projekt 46 Mit-
gliedsunternehmen des vdw, die bis Oktober
4.800 Flüchtlingen eine dezentrale Unterkunft
geboten haben. Wichtig sei es dabei, auch Integ-
rationsangebote zu unterbreiten sowie die Mitar-
beiter der Wohnungsunternehmen und dieMieter
einzubinden. „Das Entscheidende ist, dass manmit
Fingerspitzengefühl vorgeht undmit denMietern
spricht“, betont der Verbandsdirektor – dann gebe
es bei der dezentralen Unterbringung so gut wie
keine Probleme.
Quelle: WGS
WGS: Die Stadt Schwerin und die
Wohnungsgesellschaft Schwerin
setzen auf die dezentrale Unter-
bringung von Flüchtlingen – auch
zu einem Zeitpunkt, zu dem das
Asylverfahren noch nicht entschie-
den ist. Je vier Flüchtlinge wohnen
in spartanisch eingerichteten
3-Zimmer-Wohnungen
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