DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 48

MARKT UND MANAGEMENT
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der Vermittler und auch nicht als Reaktion auf
verschlechterte Schadenverläufe erfolgen. Eine
regelmäßige Marktabfrage ergibt Hinweise zu
aktuellen Versicherungskonzepten und eine Ori-
entierung zur Preispolitik der Gebäudeversiche-
rer. Nach jahrelangen negativen Schadenverläufen
(siehe Grafik auf Seite 45) haben die Versicherer
in den vergangenen Jahren das Beitragsniveau
angehoben. Dumpingangebote sind mittlerweile
die absolute Ausnahme geworden.
EinigeWohnungsunternehmen sind aufgrund von
rechtlichen Erfordernissen dazu verpflichtet, eine
EU-Ausschreibung durchzuführen. „Dabei ist bei
der Berechnung des Schwellenwertes der Gesamt-
beitrag für die ganze Vertragslaufzeit zu berück-
sichtigen. Bei einem 3-Jahres-Vertrag also der
Jahresversicherungsnettobeitragmal drei“, klärt
Rechtsanwalt Steinert auf.
Der ungünstigste Fall für eine Ausschreibung ist
die notwendige Reaktion auf eine Kündigung des
aktuellen Gebäudeversicherers. Bei einemgut ge-
steuerten Risikomanagement sollte dies allerdings
die absolute Ausnahme sein. Nach Veränderun-
gen der Schadensituation wird der beauftragte
Versicherungsmakler die Tendenzen rechtzeitig
erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen.
Ausschreibungsunterlagen
Neben den allgemeinen Kennzahlen des Gebäu-
debestandes (Anzahl Wohn- und Gewerbeein-
heiten, Flächenangaben, ggf. Versicherungs-
summen) sollte der Ausschreibung immer die
aktuelle Objektliste beiliegen. Hieraus kann der
Anbieter Schlüsse hinsichtlich Objektgrößen und
Risikolagen ziehen. Auch die Nutzungsarten der
Gewerbeeinheiten sollten genannt werden sowie
etwaige Hinweise zum Denkmalschutz.
Eine genaue Beschreibung der Erwartungshaltung
zum gewünschten Versicherungskonzept (Basis
Wohneinheiten, Flächenmodell oder Versiche-
rungssumme) erleichtert die Vergleichbarkeit der
Angebote. Auch die Benennung des Leistungsum-
fanges und die gewünschten Prozesse zum Scha-
denmanagement sind in den Ausschreibungsun-
terlagen genau zu beschreiben. Die Auskunft der
Schadenverläufe ist immer für einen Zeitraumvon
mindestens fünf Jahren anzugeben. Idealerweise
werden diese in Eurobeträgen je versicherte Ge-
fahr pro Jahr benannt (siehe Tabelle unten).
Auswahl der Anbieter
Die ausreichende Anzahl der Anbieter bewegt sich
in der Praxis meist zwischen fünf und acht. Bei ei-
ner direkten Ansprache bei Versicherern ist darauf
zu achten, dass es sich um relevante Risikoträger
handelt, die über eine entsprechende Expertise in
der Wohnungswirtschaft verfügen. Nur so kann
später gewährleistet werden, dass die Konzepte
und Prozesse bedarfsgerecht auf die wohnungs-
wirtschaftliche Branche ausgerichtet sind.
Bewertungskriterien
Je detaillierter die Erwartungen an das Produkt
und an die Prozesse definiert sind, umso leichter
lassen sich bei der Auswertung die Pluspunkte
vergeben. Als Bewertungskriterien gelten der
Versicherungsumfang und das konzeptionelle
Vorgehen, bei dem die Vertragsgestaltung und
die Prozesse unterschieden werden.
BeimVersicherungsumfang geht es umDeckungs-
einschlüsse oder Entschädigungsgrenzen. Mittels
einer entsprechenden Bewertungsskala kann so
das Leistungsangebot des Versicherungsumfanges
bewertet werden.
Das konzeptionelle Vorgehen beinhaltet die
Bereiche des Meldeverfahrens, der Vertragsge-
staltung und Laufzeit, des Schadenmelde- und
Abwicklungsprozesses sowie der Rechnungsle-
gung. Auch hier erfolgt die Bewertung über eine
entsprechende Skala.
Zeitplan und Meilensteine
Vorausgesetzt die Recherche der möglichen
Anbieter ist bereits erfolgt und der Versand der
Ausschreibungsunterlagen stellt den Start der
Ausschreibung dar, ist mit einem Zeitfenster von
drei Monaten bis zur Vergabeentscheidung zu
rechnen. Dieser Zeitplan beinhaltet i. d. R. zwei
Verhandlungsrunden. DieMeilensteine sind in der
Tabelle auf Seite 47 genannt.
Unabhängig von der Ausschreibung sind die
rechtzeitige Kündigung des Altvertrages und die
fristgemäße Einreichung der Zustimmungserklä-
rungen aller Hypothekengläubiger beim bisheri-
gen Versicherer zu erledigen. Die Kündigung ist
mit einer dreimonatigen Frist vor Vertragsablauf
auszusprechen und die Zustimmungserklärungen
der Hypothekengläubiger sind einen Monat vor
Vertragsablauf dembisherigen Gebäudeversiche-
rer vorzulegen.
Idealerweise startet der Prozess der Ausschrei-
bung im ersten Halbjahr. Somit sind etwaige Ver-
handlungsverzögerungen und die letztendliche
Abstimmung zu den Schadenmelde- und Abwick-
Jahr
WE-
Bestand
Feuer
Leitungs-
wasser
Sturm/
Hagel
Elementar
Reserven Schaden-
aufwand
Anzahl
Schaden-
schnitt
2010
7.380
6.100 € 230.800 €
47.000 €
0 €
0 €
283.900 €
324
876 €
2011
7.380
0 € 187.900 €
9.000 €
56.000 €
0 €
252.900 €
290
872 €
2012
7.410
73.000 € 260.500 €
3.400 €
20.000 €
0 € 356.900 €
310 1.151 €
2013
7.410
15.600 € 280.400 €
16.000 €
0 €
0 € 312.000 €
276 1.130 €
2014
7.410
4.000 € 278.900 €
43.000 €
12.000 € 27.000 € 364.900 €
367
994 €
2015 (bis Sept.)
7.460
7.400 € 210.000 €
13.000 €
0 € 43.000 € 273.400 €
278
983 €
Summe
106.100 € 1.448.500 € 131.400 €
88.000 € 70.000 € 1.844.000 €
1.845
Schnitt
7.730
18.452 € 251.913 €
22.852 €
15.304 € 12.174 € 320.696 €
321
999 €
BEISPIEL FÜR DIE DARSTELLUNG EINES SCHADENVERLAUFES
„Kommunale Wohnungsunternehmen sind bei Erreichen bzw. Überschreiten
der einschlägigen Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungsaufträge in
Höhe von € 207.000 regelmäßig zur Anwendung des EU-Vergaberechts
verpflichtet.“
Rechtsanwalt Carsten Steinert, Kanzlei Buse-Heberer-Fromm, Düsseldorf
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