DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 46

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1|2016
MARKT UND MANAGEMENT
Von Basel I, II, III zu Basel IV?
Obwohl sich die langfristige Finanzierungsstruk-
tur bewährt hat, steht sie immer wieder zur Dis-
position. Dies liegt u. a. auch an der deutschen
Besonderheit des Produkts. Bei den weltweiten
Reglementierungsbemühungen droht dem lang-
fristigen Kredit regelmäßig Ungemach. Aber auch
das Geschäftsmodell der Anbieterseite steht in-
folge der Bankenregulierung und der Niedrigzins-
phase erheblich unter Druck. Grundsätzliches Ziel
aller Basel-Abkommen ist die Sicherung einer an-
gemessenen Eigenkapitalausstattung und damit
Stabilität des Bankensektors sowie die Schaffung
einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die
Kreditvergabe und den Kredithandel.
Diemit Basel III verbundenenMaßnahmen greifen
grundlegend in das Geschäftsmodell eines Kre-
ditinstituts ein. Zum einen durch eine deutliche
Erhöhung des Eigenkapitals und zumanderen auch
durch die Leverage Ratio, d. h. die maximale Ver-
schuldungsgrenze. Dies betrifft vor allemBanken,
die typischerweise großvolumige Finanzierungen
von Wohnungsunternehmen reglementieren:
Hohe Kreditsummen einzelner Kreditnehmer
können dadurch aus Kreditportfoliosicht Klum-
penrisiken beinhalten.
Durch die Einführung von zusätzlichen Liquidi-
tätsregelnwird zudemdie Fristentransformation,
d. h. die kurzfristige Refinanzierung langfristiger
Kredite, eingeschränkt, so dass es zu einer Ver-
kürzung der bislang in Deutschland gewohnten
mindestens zehnjährigen Zinsbindung kommen
kann. Hohe Kreditvoluminamit langen Laufzeiten
werden tendenziell gerade für Sparkassen sukzes-
sive uninteressanter.
Wie geht es weiter?
Im Dezember 2014 hat das Basel Committee on
Banking Supervision (BCBS) einen Vorschlag für
die Überarbeitung des Kreditrisikostandardansat-
zes veröffentlicht. Die Vorschläge stehen in engem
Zusammenhang mit den bereits vorher gestarte-
ten Überarbeitungen der Standardansätze für das
operationelle Risiko sowie die Standardverfahren
bei den Marktpreisrisiken und dem Kontrahen-
tenrisiko.
Insgesamt betrachtet soll die Überarbeitung der
Standardansätze dazu führen, dass die Kapitalan-
forderungen dem inhärenten Risiko entsprechend
kalibriert werden und die Standardverfahren eine
geeignete Alternative bzw. Ergänzung der inter-
nen Modelle darstellen.
Was bedeutet das für dieWohnungswirtschaft? Aus
Sicht der deutschen Wohnungswirtschaft haben
zwei Themen erhebliche Bedeutung. Diese sind:
• das Mitgliedstaaten-Wahlrecht, wonach Wohn-
immobilienkredite im sog. Standardansatz nur
mit 35% Risiko zu gewichten sind, und
• das Wahlrecht beim sog. fortgeschrittenen An-
satz, auf Langfrist-Risikozuschläge zu verzich-
ten, wenn es sich um mittelständische Unter-
nehmen handelt.
Die Risikogewichte sollen nach den ersten Über-
legungen unter anderem für Wohnimmobilien-
kredite risikosensibler werden. Anstatt des bis-
lang angesetzten pauschalen Risikogewichts von
35% sollen die Risikogewichte von durchWohnim-
mobilien besicherte Forderungen in Abhängigkeit
von der „Loan-to-Value” (LTV)-Quote ermittelt
werden. Diese Quote ergibt sich aus dem Verhält-
nis von gesamter Forderungshöhe zum Wert des
Sicherungsobjekts. Die danach abzuleitenden Risi-
kogewichte liegen i. d. R. zwischen 25%und 100%.
Fazit
Aus Sicht der Wohnungswirtschaft ist es ele-
mentar, die niedrige Risikogewichtung und das
Mitgliedsstaatenwahlrecht beizubehalten. Die
Schaffung von einheitlichen Wettbewerbsbedin-
gungen für die Kreditvergabe aus internationaler
Sicht darf dabei nicht zu Lasten der deutschen
Langfristkultur gehen.
Die Benachteiligung durch die Einführung einer
höheren Risikogewichtungwürde sich, gerade vor
dem Hintergrund der anstehenden Neubauakti-
vitäten, für die Finanzierung der Wohnungs- und
Immobilienunternehmen in Deutschland beson-
ders stark auswirken. Für Wohnungsunternehmen
empfiehlt es sich, bei ihrer Finanzierungsstrate-
gie langfristig zu denken. DieWahrscheinlichkeit,
dass die Beschaffung von Fremdkapital aufgrund
des derzeitig niedrigen Zinsniveaus zukünftig
günstiger sein wird, ist sehr gering.
BEDARF AN BEZAHLBAREN WOHNUNGEN – NEUSTART DES SOZIALEN WOHNUNGSBAUS
Quelle: Studie des Pestel-Instituts (2015): „Modellrechnungen zu den langfristigen Kosten und Einsparungen eines Neustarts
des sozialen Wohnungsbaus sowie Einschätzung des aktuellen und mittelfristigen Wohnungsbedarfs“
tatsächliche Bautätigkeit
zukünftiger Wohnungsbedarf
sonstige
zusätzlicher bezahlb.
Mietwohnungsbau
Zusätzliche Sozial-
mietwohnungen
Wohnungen in
Mehrfamilienhäusern
(konventionell)
Wohnungen in Ein-
und Zweifamilien-
häusern
Wohnungsbau 2011 - 2015 sowie Wohnungsbedarf 2016 - 2025 zur Abdeckung des aktuellen Bedarfs und
zum Abbau des Wohnungsdefizits.
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2025
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Sozialmietwohnungen
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