DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 45

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1|2016
Finanzierung in der Wohnungswirtschaft
Finanzierungsquelle Bankensektor: Quo vadis
Die Finanzierung hat in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft von jeher eine besondere
Bedeutung: Wohnungswirtschaftliche Investitionen zeichnen sich – unabhängig davon, ob es sich um
bestandserhaltende Maßnahmen oder Neubauinvestitionen handelt – dadurch aus, dass sehr große
Investitionsvolumen bewältigt werden müssen. Diese können häufig nur mit einem geringen Anteil an
Eigenkapital finanziert werden und bedürfen daher der komplementären Finanzierung mit Fremdmitteln.
Traditionell erfolgt die Finanzierung in Deutsch-
land über deutsche Banken und Sparkassen. Die
bedeutendstenMarktakteure sind die Sparkassen,
Kreditbanken, Landesbanken und Bankenmit Son-
deraufgaben. Hinzu kommt ein zunehmendes Kre-
ditvolumen der Versicherungsinstitute, die sich im
Bereich der Wohnungswirtschaft auf der Suche
nach sicheren und kursrisikofreien Geldanlagen
zunehmend engagieren. Versicherungsinstitute
sind im Vergleich zum Bankensektor insofern be-
günstigt, als dass sie den Regelungen von Basel III
nicht unterliegen. Allerdings wird ab 2016 analog
zu Basel III „Solvency II” in Kraft treten, also eine
intensivierte Regulierung der Versicherungswirt-
schaft. Demnach werden auch Versicherungsge-
sellschaften künftig Finanzierungenmit Eigenka-
pital unterlegen müssen. Fraglich ist, ob dadurch
mit einem nachhaltigen Engagement der Versi-
cherungswirtschaft zu rechnen ist.
Finanzierungsstruktur von
Wohnungsbauinvestitionen
Die Finanzierungsstruktur von Wohnungsbauin-
vestitionen ist geprägt durch langfristige grund-
pfandrechtlich oder hypothekarisch gesicherte
Kredite. Diese Langfristkultur gewährt einerseits
den Investoren ein hohes Maß an Planungssicher-
heit und bietet andererseits auch für die Mieter
eine sichere Basis, da Zinserhöhungen ansonsten
Mieterhöhungen zur Wirkung haben können.
Dieses System hat sich auch in der Finanz- und
Wirtschaftskrise bewährt.
Finanzierung von Wohnungsneubau
In Deutschland müssen in den kommenden fünf
Jahren mindestens 400.000 Wohnungen p. a.
neu gebaut werden. Das geht aus einer aktuellen
Studie des Pestel-Instituts (Hannover) imAuftrag
des Verbändebündnisses Wohnungsbau hervor. In
der Studie „Modellrechnungen zu den langfristi-
gen Kosten und Einsparungen eines Neustarts des
sozialen Wohnungsbaus sowie Einschätzung des
aktuellen und mittelfristigen Wohnungsbedarfs”
hebt das Institut hervor, dass der Wohnungsneu-
bau vor einer enormen Herausforderung steht. Ein
Hauptgrund dafür sind der bestehende Nachhol-
bedarf, der starke Zuzug in die Städte und die Zu-
wanderung aus der EU und von den Flüchtlingen.
Wohnungen fehlen vor allem in Großstädten, Bal-
lungszentren und Universitätsstädten. Hier hat
es in den vergangenen Jahren enorme Versäum-
nisse der Wohnungsbaupolitik gegeben. Es wurde
schlicht zu wenig gebaut. Bereits vor der aktuell
breit diskutierten Flüchtlingszuwanderung hat
sich in Deutschland ein Wohnungsdefizit aufge-
baut, welches in der Summe bis 2015 800.000
Wohneinheiten beträgt. Dieses Defizit kann auf-
grund der begrenzten Kapazitäten am Bau nur
schrittweise abgebaut werden, umungewünschte
preistreibende Effekte zu minimieren.
DieWohnungsbautätigkeit in einer Größenordnung
von 400.000 Wohnungen p. a. ist somit erforder-
lich, um erstens bei einer Nettozuwanderung von
300.000 Personen jährlich den jeweils aktuellen
Wohnungsbedarf abzudecken und zweitens zusätz-
lich das bereits aufgelaufene Wohnungsdefizit bis
2025 vollständig abzubauen. Für die ersten fünf
Jahre wird der Defizitabbau mit rund 100.000
Wohneinheiten p. a. (innerhalb der 400.000 ins-
gesamt notwendigen) etwas höher veranschlagt als
in den Jahren 2020-2025 (60.000 Einheiten p. a.).
Um diesem Wohnungsmangel wirkungsvoll zu
begegnen, schlägt das Gutachten des Pestel-
Instituts einen tatsächlichen Neustart des sozialen
Wohnungsbaus für Haushalte mit unteren Einkom-
men und für sozial Bedürftige vor. Erreicht werden
kann dies, so das Pestel-Institut, durch Investitions-
zulagen für genossenschaftliche und kommunale
Wohnungsunternehmen. Um private Investoren zu
gewinnen, schlagen dieWissenschaftler steuerliche,
zeitlich begrenzte Vergünstigungen (beispielsweise
dieWiedereinführung der Sonderabschreibung nach
§ 7k des Einkommenssteuergesetzes) vor. Neben
dem Neustart des sozialen Wohnungsbaus ist die
Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnungen in
Ballungsgebieten für Haushalte mit mittleren Ein-
kommen aus Sicht des Pestel Instituts dringend
notwendig. Das soll ebenfalls durch verbesserte
Steuer-Anreize erreicht werden. Konkret sprechen
sich dieWissenschaftler für eine sachgerechte Erhö-
hung der Abschreibung (AfA auf 3%) aus. Zusätzlich
soll es eine Sonder-AfA in Höhe von 1% für bezahl-
barenWohnungsneubau in Regionenmit besonders
angespanntemWohnungsmarkt geben. Einweiterer
zentraler Punkt für die Ankurbelung des Wohnungs-
neubaus ist Bauland, das zu möglichst günstigen
Preisen verfügbar sein muss.
Konkret müssten in Deutschland bis 2020 jährlich
rund 140.000 Mietwohnungen mehr als im Jahr
2015 gebaut werden – davon 80.000 Sozialwoh-
nungenund60.000Wohnungseinheitenimbezahl-
barenWohnungsbau. Geht man von durchschnitt-
lich 3.000 €/m
2
Baukosten und 80m
2
Wohnfläche
aus, belaufen sich die zu finanzierenden Kosten
für den Mietwohnungsbau auf rund 34Mrd. € pro
Jahr. Setzt man den Anteil der Fremdfinanzierung
mit 60% an, so ergibt sich allein ein durch Banken
oder andere Kreditgeber zu finanzierender Anteil
von rund 20 Mrd. €.
Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW
Berlin
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