DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 64

MARKT UND MANAGEMENT
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1|2016
Kosten der Gebäudereinigung
Nach der Betriebskostenverordnung werden die
Kosten für die Säuberung der von den Bewohnern
gemeinsamgenutzten Gebäudeteile als Betriebs-
kosten umgelegt. Die bisherige Rechtsprechung
des EuGH zur Behandlung der Reinigungsleis-
tungen ist nicht einheitlich; sie können eine ein-
heitliche Leistungmit der Vermietung darstellen,
aber auch eine eigenständige Leistung sein. Die
unterschiedliche Beurteilung durch den EuGH ist
wohl den unterschiedlichen nationalen Rahmen-
bedingungen geschuldet, nach denen die Abrech-
nung dieser Kosten erfolgt. In Deutschlandwerden
nur die für die Gemeinschaftsflächen angefallenen
Reinigungskosten im Rahmen der Betriebskos-
tenabrechnung mit den Mietern abgerechnet.
Das spricht dafür, dass die Reinigungsleistungen
unselbstständige Nebenleistungen zur Wohnungs-
vermietung sind.
Kosten der Beleuchtung
Hierzu gehören die Kosten des Stroms für die Au-
ßenbeleuchtung und die Beleuchtung der von den
Bewohnern gemeinsam genutzten Gebäudeteile
(Allgemeinstrom). EinMieter kann seineWohnung
nur dann optimal nutzen, wenn er seineWohnung
bei Dunkelheit wegen ausreichender Beleuchtung
ungefährdet erreichen kann. Zu berücksichtigen
ist auch, dass den Vermieter imRahmen des Miet-
verhältnisses die Verkehrssicherungspflicht trifft.
Damit dürfte keine eigenständige Hauptleistung
gegeben sein.
Anders könnte der Fall gesehenwerden, wenn der
Vermieter die Mieter mit Strom für die eigenen
Wohnungen versorgt. In der Lieferung von Strom
durch den Vermieter an dieMieter könntemit Blick
auf die EuGH-Rechtsprechung eine eigenständige
Hauptleistung gesehen werden. Die deutsche Fi-
nanzverwaltung beurteilt dies derzeit allerdings
(noch) als eine unselbstständige Nebenleistung
(siehe Abschnitt 4.12.1. Absatz 5 Satz 3 Umsatz-
steueranwendungserlass).
Mögliche Folgen
Würden die Grundsätze des EuGH für die Betriebs-
kostenabrechnung bei der Wohnraumvermietung
Anwendung finden, würden die Betriebskosten
eigenständige Leistungen darstellen, die nicht
mehr das Schicksal der Hauptleistung teilen wür-
den. Bei der Abrechnung der Betriebskostenwären
diese Leistungen dann mit dem für sie geltenden
Umsatzsteuersatz abzurechnen.
Im Gegenzug hätte der Vermieter dann aus den
bezogenen Vorleistungen dieMöglichkeit des Vor-
steuerabzugs. Für den Fiskus ergeben sich daraus
i. d. R. keine zusätzlichen Einnahmen, weil sich
Umsatzsteuer und Vorsteuer entsprechen.
Für die Mieter würde sich aus der Umsatzsteu-
erpflicht der Betriebskosten wohl nur in Bezug
auf die Reinigung der Gemeinschaftsflächen eine
Verteuerung ergeben, aber auch nur dann, wenn
der Vermieter diese Leistung mit eigenem Per-
sonal erbringt, weil diese Leistung bisher ohne
Umsatzsteuer an dieMieter weiterberechnet wird,
zukünftig dann aber eine umsatzsteuerpflichtige
Leistung des Vermieters vorliegen würde.
Da Reparatur- oder Investitionskosten weiterhin
dem umsatzsteuerfreien Vermietungsumsatz zu-
zurechnen wären, bestünden für die Vermieter
keine zusätzlichen Vorsteuerabzugsmöglich-
keiten. Der Vermieter hätte aufgrund der nun-
mehr erforderlichen gesonderten Aufzeichnung
und Verbuchung der bezogenen Betriebskosten
nach den für sie geltenden Umsatzsteuersätzen
(Wasser 7%, andere Betriebskosten 0% oder
19%) und der dementsprechenden Abrechnung
mit den Mietern sowie aus der Anmeldung und
Abführung der Umsatzsteuer einen erheblichen
zusätzlichen Verwaltungsaufwand.
Fazit
Aufgrund des deutschen Miet- bzw. Betriebs- und
Heizkostenrechts wird keine Übertragbarkeit
der vom EuGH aufgestellten Grundsätze auf die
umsatzsteuerliche Beurteilung von Betriebs-
kosten als unselbstständige Nebenleistungen
zur umsatzsteuerfreien Wohnungsvermietung
gesehen. Das deutsche Mietrecht ist davon
gekennzeichnet, dass sich der Vermieter auch
um die üblichen Nebenleistungen – im Sinne
eines „Gesamtpakets“ – „kümmert“. Außerdem
scheitert eine Anwendung der EuGH-Grundsätze
i. d. R. daran, dass bei den üblichen Betriebskos-
tenarten keine Auswahlmöglichkeiten in Bezug
auf Lieferanten und/oder Nutzungsmodalitäten
für den Mieter (oder den Vermieter) bestehen.
Eine Betroffenheit könnte sich allerdings für den
Fall der Lieferung von Strom durch den Vermieter
an die Mieter ergeben; das betrifft aber nicht den
Allgemeinstrom.
Ausblick: Wie geht es weiter?
Dem Vernehmen nach beabsichtigt das Bundes-
finanzministerium in Abstimmung mit den Län-
dern derzeit keine Änderungen an den bislang
geltenden umsatzsteuerlichen Grundsätzen für
die Beurteilung und Abrechnung von Betriebs-
kosten bei der Wohnungsvermietung. Es kann
allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die
EuGH-Rechtsprechung über deutsche Gerichte
Wirkungen entfalten könnte. Damit bleibt ab-
zuwarten, ob aufgrund des EuGH-Urteils die
bisher geltende Beurteilung der Betriebskosten
als unselbstständige Nebenleistung zur Vermie-
tungsleistung durch den Bundesfinanzhof eine
Änderung erfährt. Aufgrund der bestehenden
rechtlichen Rahmenbedingungen erscheint dies
eher unwahrscheinlich.
Würden Teile der über die Betriebskosten abgerechneten Leistungen als Hauptleistungen gewertet,
wären die Folgen für Mieter gering, der Aufwand für die Wohnungsunternehmen wäre jedoch immens
Quelle: WIRO
Weitere Informationen:
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