Das Urteil des EuGH (Rechtssache C-42/14)
beruht auf einem Sachverhalt, der von einem
polnischen Gericht vorgelegt wurde. Vorweg sei
darauf hingewiesen, dass der EuGH nur Hinwei-
se zur Auslegung gibt; es obliegt den nationalen
Gerichten, die notwendigen Bewertungen unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände der Ver-
mietung und der sie begleitenden Leistungen im
jeweiligen Land vorzunehmen.
Betriebskostenarten, welche die im EuGH-Urteil
genannten Voraussetzungen für eine eigenstän-
dige Leistung erfüllen, würden damit keine un-
selbstständigen Nebenleistungen zur – weiterhin
– umsatzsteuerfreienWohnungsvermietungmehr
darstellen. Sie wären eigenständige Hauptleistun-
gen, die dann mit dem jeweils für sie geltenden
Umsatzsteuersatz mit den Mietern abgerechnet
werden müssten.
Die Grundsätze des EuGH-Urteils
Der EuGH bestätigt in seinem Urteil zunächst
ausdrücklich seine ständige Rechtsprechung,
dass eine einheitliche Leistung dann vorliegt,
wenn mehrere Leistungen so eng miteinander
verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige
untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden,
deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Im
Urteil wird diese allgemeine Regel dann weiter
konkretisiert.
Ein Indiz für eine eigenständige Leistung soll sein,
wenn der Mieter über dieMöglichkeit verfügt, die
Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten
der Mietnebenkosten auszuwählen:
• Kann der Mieter über seinen Verbrauch von
Wasser, Elektrizität oder Wärme entscheiden,
weil individuelle Zähler eingebaut sind und die
Abrechnung verbrauchsabhängig erfolgt, soll
dies dazu führen, dass er über die Nutzungs-
modalitäten bestimmen kann. Damit soll eine
eigenständige, von der Vermietung getrennt zu
beurteilende Leistung vorliegen.
• Bei der Abfallentsorgung soll dann eine ei-
genständige Leistung gegeben sein, wenn der
Mieter den Leistungserbringer auswählen und
unmittelbar einen Vertragmit ihmabschließen
kann. Es ist für die Beurteilung nicht entschei-
dend, ob diese Wahlmöglichkeit auch tatsäch-
lich in Anspruch genommen wird.
Sollte der Vermieter selbst nicht frei sein, die Lie-
feranten und die Modalitäten der Dienstleistung
zu bestimmen, sollen die Nebenleistungen von der
Vermietung nicht trennbar sein und damit eine
einheitliche Leistungmit der Vermietungsleistung
bilden.
Das EuGH-Urteil und die rechtlichen
Rahmenbedingungen für die BK-Abrechnung
Zivilrechtlich treffen den Vermieter im Rahmen
eines Mietverhältnisses Haupt- und Nebenpflich-
ten. Die Hauptpflicht des Vermieters besteht in
der Überlassung der Mietsache in einem bestim-
mungsgemäßen Zustand. Die Nebenpflicht des
Vermieters ist es, die Zufuhr von Strom, Wasser,
Gas undWärme, den Betrieb einer Zentralheizung
oder einer Gemeinschaftsantenne sicherzustellen.
Diese Nebenpflichten bestehen auch bei Leistungs-
störung durch den Mieter (Mietrückstände).
Unter Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens,
in demdie Betriebskostenabrechnung in Deutsch-
land bei der Wohnungsvermietung erfolgt, wird
im Nachfolgenden untersucht, ob sich aus der
EuGH-Rechtsprechung Änderungen bei der um-
satzsteuerlichen Behandlung der Betriebskosten
ergeben können, wobei die Aufzählungmöglicher
Betriebskosten nicht abschließend ist.
Wasserversorgung und -entsorgung sowie
Abfallentsorgung
In Deutschland besteht aufgrund kommunaler
Satzungen regelmäßig ein Anschluss- und Be-
nutzungszwang, sodass bei der Wasserversorgung
und -entsorgung sowie bei der Abfallentsorgung
weder für den Mieter noch für den Vermieter ein
Bezugswahlrecht besteht. Die EuGH-Entschei-
dung dürfte wegen der fehlenden Wahlrechte
in Deutschland deshalb nicht zu einer Änderung
der umsatzsteuerlichen Behandlung dieser Ne-
benkosten als unselbstständige Nebenleistung zur
umsatzsteuerfreienWohnungsvermietung führen.
Wärmelieferung und Warmwasserversorgung
Aufgrund der zivilrechtlichen Nebenpflicht des
Vermieters zur Wärme- und Warmwasserversor-
gung der Mieter dürfte die Umlage der Kosten der
Heizung und Warmwasserversorgung weiterhin
eine unselbstständige Nebenleistung zur Haupt-
leistung Wohnungsvermietung sein, auch wenn
der Mieter seinen Verbrauch wegen des Einbaus
von Zählern steuern kann.
Kosten des Betriebs des Personen- oder
Lastenaufzugs
Aus Sicht der Bewohner ist bei Gebäuden ab einer
gewissen Geschossanzahl ein Aufzug unabdingbar,
um die Wohnung optimal nutzen zu können. Die
Umlage der Aufzugskosten ist und bleibt damit
eine unselbstständige Nebenleistung.
StB Fritz Schmidt
Geschäftsführer
WTS Wohnungswirtschaftliche
Treuhand Stuttgart GmbH
Stuttgart