DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 61

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und einhergehende Einsparungen bei der „zweiten
Miete“, womit die sozialen Aspekte ins Spiel kom-
men. Ebenso verquickt ist die Diskussion mit In-
vestitionen rund umNachhaltigkeitsforderungen,
die die Ökonomie der Unternehmen wesentlich
beeinflussen. Wir stehen vor großen Herausfor-
derungen durch die energetischen Anforderungen
und die demografische Entwicklung, nicht zuletzt
auch durch den Zustrom von Menschen nach
Deutschland, den wir im Moment erleben. Dies
schafft mit Sicherheit einen zukünftigen Schwer-
punkt in der sozialen Nachhaltigkeitsdimension,
da dieseMigrationsströme nicht nur logistisch und
finanziell, sondern auch gesellschaftlich integra-
tiv bewältigt werden müssen.
Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit er-
fordert umfassende, ganzheitliche Ansätze.
Die Wirtschaft und insbesondere die Politik
agieren mitunter aber sehr sektoral. Was
wäre erforderlich?
Nachhaltigkeit ist ein umfassender Begriff mit
verschiedenen Dimensionen, wobei jedoch nie
eine Dimension einzeln – und ohne die anderen –
gedacht werden kann. Wünschenswert wäre daher
ein weniger sektorales Denken. Erforderlich ist
vielmehr eine engere Verzahnung einzelner Poli-
tikbereiche sowie die Bündelung von Einzelmaß-
nahmen zu ganzheitlichen Konzepten – z. B. mit
dem Quartier als maßgebliche Handlungsebene,
ähnlich wie dies etwa beim Programm „Soziale
Stadt“ bereits mit Erfolg praktiziert wird. Die sei-
tens der Politik noch zu entwickelnden Modelle
müssen ganz im Sinne nachhaltigen Handelns
Wirtschaft, Umwelt, Verkehr, Soziales vereinen.
An einem derartigen Konsens muss aus unserer
Sicht noch verstärkt gearbeitet werden.
Die Wohnungswirtschaft geht bereits mit gutem
Beispiel voran. Fakt ist: Seit 1990 wurden durch
GdW-Unternehmen gut 65% der Wohnungen im
Bestand energetisch teil- bzw. umfassend mo-
dernisiert. Durch Umstellung der Energieträger,
effizientere Brennwerttechnik, Dämmung der Ge-
bäude und sparsamen Energieverbrauch konnten
über 50%der CO
2
-Emissionen eingespart werden.
Mehr als ein Drittel des Bestandes muss noch an-
gegangen werden – in einem kürzeren Zeitraum,
unter stetig steigenden energetischen und quali-
tativen Anforderungen, mit wachsenden Kosten.
Das langfristige Ziel der Bundesregierung bis 2050
ist die Reduktion des Primärenergieverbrauchs
ummindestens 80%. Dies kann neben der Einspa-
rung und Bedarfssenkung nur durch die erweiterte
Nutzung von erneuerbaren Energien umgesetzt
werden.
Genau hier aber treffenwir bereits auf vorhandene
und neue steuerliche und regulative Hemmnisse,
die durch sektorenübergreifendes Denken bzw.
entsprechend ganzheitliche Konzepte ausgeräumt
werdenwürden. Ein Beispiel mag dies veranschau-
lichen: Wohnungsunternehmen sind i. d. R. von
der Gewerbesteuer befreit, wenn sie ausschließ-
lich Vermietung und Verpachtung betreiben. Die
Stromerzeugung durch eine Photovoltaikanlage
oder durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stellt
bereits eine geringfügige gewerbliche Tätigkeit
dar und führt zur Versagung der Steuervergüns-
tigung – die gesamte Vermietungs- und Verpach-
tungstätigkeit wird dann gewerbesteuerpflichtig.
Damit gekoppelt ist der Verkauf von Strom an die
Mieter. Werden Wohnungsunternehmen zukünf-
tig zu lokalen Energieversorgern, wenn Gebäude
vermehrt zu Energieerzeugern werden, und was
sind die Folgen und Konsequenzen? Nicht nur hier
ist zukünftig verstärktes interdisziplinäres Denken
und ganzheitlicheres Handeln vonWirtschaft und
Politik angesagt.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die nach-
haltige Unternehmen werden wollen? Mit
der Umetikettierung bisheriger Geschäfts-
oder CSR-Berichte wird es ja nicht getan
sein.
Der Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) er-
möglicht es Unternehmen, ihre Aktivitäten in
puncto Nachhaltigkeit transparent, vergleichbar
und anschaulich für Investoren darzulegen. 20
qualitative Kriterien und 28 ergänzende GRI-Leis-
tungsindikatoren bieten einen raschen Überblick
zu ökologischen, sozialen und ökonomischen Leis-
tungen. Als erste Branche Deutschlands hat die
Wohnungswirtschaft den DNK aufgegriffen, wei-
terentwickelt und um eigene Nachhaltigkeitskri-
terien ergänzt. Somit ist ein wertvoller Leitfaden
für Wohnungsunternehmen entstanden, der auf
jeden Fall als Chance für alle Bereiche einzustu-
fen ist: Denn die damit verbundene Analyse und
Selbstreflexion bringt nicht selten neue Erkennt-
nisse, schafft vollkommen neue Blickwinkel und
kreiert neue Situationen, denen sichManagement
und Mitarbeiter stellen müssen. An allererster
Stelle muss allerdings ein Bekenntnis stehen zu
einer neuen umfassenden nachhaltigen Entwick-
lung, getragen von allen Mitarbeitern.
Vor diesem Hintergrund haben wir z. B. bei der
Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt eine syste-
matische Bestandsaufnahme unserer Unterneh-
mensgruppe anhand der internationalen GRI-G4-
Kriterien, den Empfehlungen des GdW und des
DNK unternommen. Wir definierten dabei die für
uns wichtigen Aspekte und glichen sie im Dialog
mit Mietern, Mitarbeitern, Kreditgebern und Ei-
gentümern ab. Darauf aufbauend habenwir unser
Managementsystem entwickelt und implemen-
tiert, die Arbeitsschwerpunkte der kommenden
Jahre definiert und den ersten Nachhaltigkeitsbe-
richt veröffentlicht. All dies bedeutet systemati-
sches Arbeiten und jedem in diesemProzess muss
von vornherein klar sein: Mit Werbeslogans kommt
hier keiner weiter ...
Herzlichen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Olaf Berger.
Zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegenüber Stakeholdern hat der GdW gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Großer
Wohnungsunternehmen (AGW) und dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) 2014 eine auf die Wohnungswirtschaft
ausgerichtete branchenspezifische Ergänzung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) vorgenommen. Der neue Leit-
faden ist eine Orientierungshilfe für die Wohnungsunternehmen des GdW und gibt insbesondere kleinen und mittelgroßen
Unternehmen, die keine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung durchführen, ein Instrument zur Beantwortung der
DNK-Kriterien und für eine sehr schlanke, fokussierte Berichterstattung an die Hand. Sie können damit ihr Engagement im
Bereich Nachhaltigkeit noch einfacher sichtbar machen.
Die Broschüre ist über den GdW zu beziehen unter:
GDW-LEITFADEN ZUR BRANCHENSPEZIFISCHEN ERGÄNZUNG DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSKODEX
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