DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2016 - page 49

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eben „nachhaltig“ ist. Zum Storytelling gehört
entscheidend auch das Storydoing.
Kann man Formen der Kommunikation von
Unternehmen mit Kunden als nachhaltig be-
zeichnen? Welche sind es? Ggf. regelmäßige
Zeitschriften, gemeinsame Veranstaltungen?
Das kommt darauf an, wie die Kommunikation
praktiziert wird und welche Inhalte die einge-
setzten Medien transportieren. Das „Wie“ und
„Was“ entscheiden. Es kommt letztlich darauf
an, Widersprüche und Unstimmigkeiten jeglicher
Art zu vermeiden – zwischen Aussagen und Hand-
lungen einer Organisation, aber auch zwischen
den verschiedenen Akteuren, die sprechen. Wenn
Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist es wich-
tig, diese denMenschen zu erklären und Konsens-
punkte herauszustellen. Nichts ist schädlicher für
die Glaubwürdigkeit einer Organisation, als eine
Vielfalt von ungeordneten und unkommentier-
ten Stimmen einfach stehen und damit wirken zu
lassen.
Bringt der Wandel in den Medien neue For-
men mit sich? Stichwort Social Media? Was
kann daran nachhaltig sein?
Das entscheiden die Stakeholder aus ihrer Per-
spektive und aus den jeweiligen Situationen, in
denen sie sich befinden. Ein Medienangebot an
sich kann also nachhaltig sein oder auch nicht. Die
Inhalte bringen die Entscheidung. Tatsache aber
ist, dass die Menschen auch immer mehr Nach-
richten über Social-Media-Kanäle konsumieren
und sich dort auf den Plattformen austauschen.
„Think global, act local …“ Welche Rolle
spielt die regionale Verankerung?
Regionale Nähe ist ganz entscheidend, wenn es
um die Nachhaltigkeit der Kommunikation und
um Vertrauensbeziehungen geht. Menschen ver-
trauen am ehesten, wenn sie ihr Gegenüber ken-
nen und einschätzen können. Hier tun sich global
agierende Konzerne schwerer als Organisationen
vor Ort.
Und welche Rolle spielen Nachhaltigkeits-
berichte? Viele Unternehmen, auch zuneh-
mend Wohnungsgenossenschaften, wollen
mit Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichten
gegenüber ihren Stakeholdern ein Zeichen
setzen. Sind die Berichte eher Modetrends
oder sogar notwendig?
Solche Reports werden immer wichtiger, weil sie
in unserer schnelllebigen Zeit Zahlen, Fakten,
Aussagen und Storys bündeln und als Plattform
der Inhalte den interessierten Stakeholdern – von
Journalisten, Bloggern und Experten als Multi-
plikatoren bis hin zu Anwohnern – anbieten. Sie
haben sich zu einem wichtigen Instrument des
Agenda-Settings in der Nachhaltigkeitskommu-
nikation entwickelt und werden daher von immer
mehr Organisationen – zumTeil mit enormemAuf-
wand – erstellt und in die Öffentlichkeit gebracht.
Welche Kriterien können für nachhaltige
Kommunikation gelten?
Wenn es umKommunikation geht, spielt vor allem
die Substanz des Gesagten, dessen Richtigkeit und
Verlässlichkeit die entscheidende Rolle. Eigentlich
eine Selbstverständlichkeit, gegen die aber in der
Praxis bedauerlicherweise häufig verstoßen wird.
Denn allzu oft werden in der Nachhaltigkeitskom-
munikation Worte und Bilder anstelle von Taten
und Handlungen eingesetzt. Und Transparenz
als Kriterium hat sich eher zu einem politischen
Kampfbegriff für dieMarkierung von Einflusssphä-
ren entwickelt.
Aus der Perspektive der Stakeholder bedeutet ein
Mehr an Informationen keineswegs automatisch
auch ein Mehr an Erkenntnissen oder Verständnis
– imGegenteil: Einzelheiten, die nicht im Zusam-
menhang gewertet werden, können Vertrauens-
beziehungen beeinträchtigen und eine kontrapro-
duktive Wirkung entfalten.
Die Kommunikation von Genossenschaften,
die ihren Mitgliedern, den Stakeholdern, in
besonderer Weise verpflichtet sind, bietet
schon per Satzung viele Chancen für eine
gelungene Kommunikation. Liefert die
Beteiligung von Mitgliedern, durch Gremien
und darüber hinaus, einen Nährboden für
nachhaltige Kommunikation? Oder gilt dies
für alle Unternehmen, bei denen CSR und
Kundenbindung inzwischen angekommen
sind?
Genossenschaften haben aus meiner Sicht durch
ihre Organisationsstruktur und ihre Ziele bereits
gute Chancen für eine nachhaltige Kommunika-
tion. Sie starten sozusagen aus der Poleposition,
wenn es um Glaubwürdigkeit und Partizipation
geht.
Intensive Kommunikationsprozesse unter den
Mitgliedern sind dann eine gute Grundlage,
wenn sie bei aller Diskursfreude auch in konkrete
Ergebnisse und Maßnahmen münden. Partizipa-
tion und Diskurs haben in meinen Augen dann
einen besonderen Wert, wenn sie die Sache, um
die es geht, fest im Blick haben und produktive
Resultate erbringen. Denn auch hier gilt: Kom-
munikationsprozesse brauchen immer die Anbin-
dung an die Sachebene, also an Themen wie z. B.
Ressourcenschonung, Verantwortung gegenüber
Arbeitnehmern oder Effizienz. Kommunikation ist
schließlich kein Selbstzweck.
Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Bärbel Wegner.
Prof. Dr. Dr. Claudia Mast ist Inhaberin
des Lehrstuhls für Kommunikationswis-
senschaft und Journalistik der Universität
Hohenheim (Stuttgart). Sie ist u. a. für die
universitäre Aus- und Weiterbildung von
Journalisten und PR-Fachleuten tätig und
verantwortet im Bereich Kommunikati-
onswissenschaft die Themen Unterneh-
menskommunikation, Journalistik, Public
Relations, Content- und Kommunikations-
management sowie journalistische Praxis.
Sie ist Verfasserin zahlreicher Publikatio-
nen, u. a. des Leitfadens Unternehmens-
kommunikation, einem Standardwerk für
Studierende. 2015 wurde sie als Professo-
rin des Jahres ausgezeichnet.
ZUR PERSON
Quelle: Bärbel Wegner
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