DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2016 - page 43

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2|2016
Kommunikation in der Wohnungswirtschaft
Perspektiven für die Digitalisierung von externen
und internen Kommunikationsprozessen
Die Digitalisierung macht auch vor der Wohnungswirtschaft nicht halt. Welche Perspektiven kann
Digitalisierung für die Verbesserung der Kommunikation von Mitarbeitern und Kunden bieten?
WhatsApp, Facebook-Messenger und ähnliche
Apps haben die Kommunikation zwischen uns
Menschen verändert. Da sie einfach zu bedienen
sind und eine positive User-Experience (Nutzer-
erfahrung) bieten, chatten vieleMenschen lieber,
als eine E-Mail zu schreiben oder zu telefonieren.
Doch verändert die private Nutzung von Apps auch
die berufliche Kommunikation, etwa zwischen
Wohnungsunternehmen und Mietern oder zwi-
schen den Mitarbeitern?
Unsere Untersuchungen zeigen: Immer mehr
Kunden nutzen das Internet und – falls vom Un-
ternehmen angeboten – Apps zur (vermeintlich)
schnelleren Kommunikation. Auch Mitarbeiter
greifen für die interne Kommunikation auf tech-
nische Interaktionsanwendungen zurück – hier vor
allem die E-Mail. Eine pauschale Antwort, dass
nun jeder Strukturen und Abläufe an die digitale
Kommunikation anpassen und flächendeckende
Techniktools installierenmüsse, kann jedoch nicht
guten Gewissens gegebenwerden. Denn: Es hängt
von den organisatorischen Rahmenbedingungen
und dem Nutzungsverhalten der Kommunikati-
onsteilnehmer ab.
Worauf kommt es bei der Digitalisierung der
internen Kommunikation an?
Die Mitarbeiterkommunikation kann von tech-
nischen Hilfsmitteln profitieren. Tools können
einerseits helfen, schnell Kontakt zu einemKolle-
gen aufzunehmen, egal ob im Innen- oder Außen-
dienst. Zugleich können Dateien (z. B. Verträge,
Grundrisse, Formulare) beigefügt werden; Fotos
können z. B. nach Begehungen weitergeleitet
werden. Hier lässt sich Zeit und Geld sparen, aber
tatsächlich nur, wenn diese Prozesse (und andere)
konsequent genutzt werden.
Andererseits haben wir in den letzten 20 Jahren –
seit Einführung der E-Mail – gegenteilige Erfahrun-
gen gemacht. Wissenschaftliche Untersuchungen
aus Großbritannien zeigen: Das Lesen, Schreiben
und Organisieren von E-Mails verbraucht bis
zu 25% eines Arbeitstags. Außerdem senken E-
Mails die Produktivität erheblich. Sobald eine
neue Nachricht den Arbeitsprozess unterbricht,
braucht ein Mitarbeiter eine Minute, um seinen
ursprünglichen Gedankengang fortzusetzen. Wer
alle fünf Minuten seine E-Mails kontrolliert, opfert
dafür pro Woche 8,5 Stunden Arbeitszeit.
Wenn nunweitere digitale Kommunikationskanäle
hinzukommen, die die Produktivität in einem an-
nähernd ähnlichen Ausmaß negativ beeinflussen,
ist davon abzuraten, weitere Tools zu installie-
ren und zu versuchen, diese flächendeckend zu
nutzen. Stattdessen ist zu empfehlen, vor einer
Ausweitung der internen Digitalkommunikation
bessere Lösungen für die Organisation zu entwi-
ckeln, umdie tägliche E-Mail-Flut einzudämmen.
Zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden,
Videokonferenzen, Chatsysteme oder Wikis ein-
zusetzen. Wichtig sind dann Plattformen, auf de-
nen verschiedene Mitarbeiter dieselben Dateien
bearbeiten. Ebenfalls interessant: firmeninterne
Netze, die wie Social Media funktionieren. Alles
intelligente Lösungen, die E-Mails überflüssigma-
chen. Dabei lässt sich eine Idee sofort umsetzen:
der kurze Weg ins Nachbarbüro.
Worauf kommt es bei der Digitalisierung der
externen Kommunikation an?
Die Bedingungen für die interne Kommunikati-
on gelten auch für die externe Kommunikation.
Bei der Digitalkommunikation zu Kunden und
Stakeholdern ist darüber hinaus zwischen der One-
to-One-Kommunikation und der One-to-Many-
Kommunikation zu unterscheiden.
Im Falle One-to-One ist zu analysieren, wie per-
sönlich der Kontakt sein muss, um ergebnisori-
entiert und effizient zu wirken. Ein Hausmeister
oder Hausverwalter legt mancherorts mehr Wert
auf die persönliche Kommunikation und wird auf
die digitale Kommunikation verzichten, sofern es
z. B.
um die Lösung von Problemen am Mietge-
genstand geht.
Im zweiten Fall geht es um die Kommunikation
z. B. zwischen einem Hausverwalter und vielen
Interessenten oder Mietern. Hier können commu-
nitybasierte Ansätze empfohlen werden, die in
Formvon digitalen Communities (z. B. Facebook),
Internetforen (z. B. Immobilienscout), Interak-
tionsplattformen (z. B. Twitter) längst bekannt
sind. Doch in den meisten Fällen müssen diese
Communities zunächst aufgebaut werden. Ihre
Mieter werden auch nicht automatisch „Fans“,
nur weil Sie ihnen eine Plattform (wie z. B. eine
Facebook-Fanseite) anbieten.
Sind die Stakeholder in der eigenen Community
versammelt, können Sie effizient und gezielt kom-
munizieren, um in einem zweiten Schritt bisher
analoge Kommunikationsprozesse digital zu den-
ken und ergänzend neue Kommunikationsprozesse
einzurichten.
In einer Community kann es sinnvoll sein, ähnli-
che Probleme zu sammeln und die Hilfe nicht nur
der Organisation zu überlassen, sondern auch die
Selbsthilfe unter den Stakeholdern zu organisie-
ren. Hier sind hohe Effizienzsteigerungen in der
Wertschöpfungmöglich – ohne dass Arbeitsplätze
verloren gehen (müssen).
Es ist schließlich davon auszugehen, dass sich ein
Teil der Kommunikationsaufgaben in der Organi-
sation verändern und die tägliche Arbeit qualitativ
bereichern wird.
Prof. Dr. Gerald Lembke
Studiengangsleiter
Digitale Medien
Duale Hochschule Baden-Württemberg
Mannheim
THEMA DES MONATS
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