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4|2015
Welche Wohnkonzepte haben Migranten?
Die GdW-Studie „Wohntrends 2030“, welche die
Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für
Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH zu-
sammenmit InWIS Forschung und Beratung GmbH
erstellt hat, untersuchte u. a. die Wohnkonzepte
unterschiedlicher Nachfragergruppen und leitet
daraus Handlungsempfehlungen für die Woh-
nungswirtschaft ab. Für die Gruppe der Migranten
zeigt sich dabei: Haushalte mit Migrationshinter-
grund sind insgesamt durch eine stärkere Orien-
tierung an traditionellen Werten geprägt. So hat
die Ehe bei Familien mit Migrationshintergrund
eine größere Bedeutung. Und Familien mit drei
oder mehr Kindern sindmit 15%deutlich häufiger
anzutreffen als bei der restlichen Bevölkerung.
Trotz größerer Haushalte betrug im Jahr 2010 die
durchschnittliche Quadratmeterzahl pro Person
mit Migrationshintergrund aber nur knapp 30m
2
;
Menschen ohne Migrationshintergrund verfügen
im Durchschnitt über gut 10 m
2
mehr. Die Fami-
lieneinkommen von Zuwanderern sind ebenfalls
signifikant niedriger. 17%der Migrantenhaushalte
sind auf Transferzahlungen angewiesen, was auf
eine künftige überdurchschnittlich hohe Alters-
armut schließen lässt.
Auchwenn sich insbesondere die jüngeren Zuwan-
derer in ihren Wohnwünschen und -präferenzen
nur wenig von ihren deutschen Altersgenossen un-
terscheiden, spiegeln sich diese Strukturmerkmale
in denWohnkonzepten der Migrantenwider: Unter
den Haushaltenmit Migrationshintergrund ist das
häusliche Konzept deutlich stärker vertreten als
beimRest der Bevölkerung (27%gegenüber 23%).
Es steht für eine starke Innenorientierung – wich-
tig sind Freunde und Familie, eng umden eigenen
Lebensmittelpunkt gruppiert. Die Nachbarschaft
spielt hier eine große Rolle. Darüber hinaus wird
bei der Wohnungsausstattung sehr stark auf den
Nutzen geachtet.
Ebenfalls überdurchschnittlich ausgeprägt ist bei
Zuwanderernmit 21% – gegenüber Nichtmigran-
ten mit 14% – das kommunikative Wohnkonzept.
Für diese Menschen spielt sich das Leben in der
Gemeinschaft ab, sowohl in virtuellen Netzwer-
ken als auch mit realen Freunden im öffentlichen
Raum.
Das funktionale Wohnkonzept ist bei Haushalten
mit Migrationshintergrund (9%) sogar doppelt so
häufig anzutreffen wie in der übrigen Bevölke-
rung (4%). Kennzeichnend für diese Haushalte ist
eine hohe allgemeine Unzufriedenheit. Sie ver-
fügen über nur geringe materielle Optionen, die
kaum Spielraum lassen, die eigene Lebenslage zu
verbessern. Nachgefragt werden daher einfach
ausgestattete Wohnungen. Dennoch besteht ein
großer Wunsch nach einer Verbesserung der Le-
benssituation, verbundenmit einer entsprechen-
den Mobilität.
Mieter mit Migrationshintergrund
sind unzufriedener
Resultierend aus den geringeren materiellen Op-
tionen ist die Quote der Immobilieneigentümer
unter Menschenmit Migrationshintergrund deut-
lich geringer – 33,3% gegenüber 55,3% bei der
restlichen Bevölkerung. Und Migranten, die zur
Miete wohnen, sind seltener „sehr zufrieden“ im
Vergleich mit anderen Mieterhaushalten.
Wer kommt nach Deutschland?
Einerseits versuchen Menschen aus struktur-
schwachen Gebieten mit nur geringer Bildung in
Deutschland Fuß zu fassen. Andererseits zieht es
zunehmend junge, gut ausgebildete und qualifi-
zierte Zuwanderer aus EU-Staaten wie Spanien,
Griechenland, Portugal und Italien, die stark von
der Finanz- und Schuldenkrise betroffen sind,
nach Deutschland (siehe hierzu DW 3/2015,
S. 68). Diese ganz unterschiedlichen Gruppen
haben auch unterschiedliche Vorstellungen von
ihrer Wohnsituation, sodass es kein pauschales,
für alle zutreffendes Konzept gibt.
Auch ist die Nachfrage nicht überall inDeutschland
gleich stark. Der Bevölkerungsanteil der Menschen
mit Migrationshintergrund schwankt in denwest-
deutschen Großstädten ab 100.000 Einwohnern
zwischen 15,8% in Lübeck und fast 48,9% in Of-
fenbach am Main. Hamburg (27,5%) und Berlin
(23,9%) liegen imMittelfeld. In den östlichen Bun-
desländern liegt der Anteil der Bevölkerung mit
Migrationshintergrund hingegen durchweg unter
5%– außer in Leipzig (8%) undDresden (7%). Diese
Größenordnungen lassen darauf schließen, dass
sichMigranten auch in den nächsten Jahren zuneh-
mend in den Ballungsgebieten ansiedeln werden.
Dabei ziehen sie oft in Viertel mit bereits hohem
„Ausländeranteil“ und kaum Berührungspunkten
mit der ansässigen Bevölkerung. So haben gegen-
wärtig 60%der Städte undGemeinden sowiemehr
als drei Viertel der Landkreise Stadtteile mit Inte-
grationsdefiziten. Fast zwei Drittel der Migranten,
die über ungünstige Voraussetzungen und Chan-
cen für Integration und Teilhabe verfügen, leben
in diesen sozial benachteiligten Wohnquartieren.
Aufgaben der Wohnungswirtschaft
Bereits jetzt zeigt sich, dass viele EU-Migranten
schon nach ein oder zwei Jahren wieder in ihre
Heimatländer zurückkehren. Dies ist eine vertane
Chance für unser Land. Offenbar sind Wirtschaft
und Kommunen noch nicht genügend darauf ein-
gestellt, diese Gruppe zu halten und langfristig zu
binden. Die – derzeit viel diskutierte – Willkom-
menskultur fängt jedoch schon beim Wohnungs-
angebot an.
Die Wohnungsunternehmen sind deshalb gefor-
dert,
• verstärkt an der Erstellung und Umsetzung
stadtteil- oder quartiersbezogener Integrati-
onskonzepte mitzuwirken,
• ihr Personal interkulturell zu qualifizieren,
• Konzentrationsprozessen durch gezielte Bele-
gungspolitik entgegenzuwirken, indem sie den
Zuzug von Neuzuwanderern und Umzugswil-
ligen durch Integrationsvereinbarungen und
Lotsensysteme steuern,
• sich an lokalen Netzwerken zu beteiligen,
• die lokale Teilhabe zu stärken, indem sie zum
Beispiel Migranten in Bewohnerbeiräte einbe-
ziehen.
Weitere Informationen:
analyse-konzepte.de
und
inwis.de
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Stadtbauund Stadtentwicklung
Unter den Menschen mit Migrationshintergrund sind das
häusliche, das kommunikative und das funktionale Wohnkonzept
überdurchschnittlich oft vertreten. Das bedeutet: Gemeinschaft
und Nachbarschaft sind ihnen besonders wichtig.
Sehr zufrieden
Zufrieden
Teils/Teils
Unzufrieden Sehr unzufrieden
Mit Migrationshintergrund
16%
46%
23%
13%
2%
Ohne Migrationshintergrund
33%
42%
19%
4%
2%
ZUFRIEDENHEIT MIT DER WOHNSITUATION
Quelle: InWIS, A&K