DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 - page 62

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4|2015
MARKT UND MANAGEMENT
Alternative zu Containerdörfern
Temporäre Bauten in modularer Bauweise
Ein aus Fertigteilen gebautes 2-geschossiges Holzhaus mit verglastem
Dachgeschoss, in dem ein Gemeinschaftsraum untergebracht ist
so stellen sich die drei Hamburger Architekten Carsten Venus, Bert
Bücking und Jannes Wurps eine würdige Unterkunft für Flüchtlinge
und Asylbewerber vor. Deren Integration beginne nämlich mit einer
angemessenen Willkommenskultur, und Containerdörfer oder Zeltlager
seien keine herzlichen Gesten. Nur ein Dach über dem Kopf reiche nicht
aus, zumal wenn die provisorische Unterbringung in solchen Unter-
künften sich über Monate oder gar Jahre erstrecke. „Containerlager
sind nicht nur unbefriedigend für die Menschen, die dort unterkommen,
sie sind auch städtebaulich unzumutbar“, befindet Carsten Venus. „Für
die Menschen in der Nachbarschaft wäre es doch viel schöner, architek-
tonisch ansprechende Flüchtlingsunterkünfte vorzufinden.“
Die Architekten, alle Partner in renommierten Büros, haben sich außer-
halb ihres Büroalltags unter dem Label „Hanse Unit“ zusammengefun-
den, um städtebauliche Lösungen für prekäre Situationen zu finden.
Ihr Haus soll nicht verschämt am Ortsrand oder in Gewerbegebieten
stehen, sondern ist als Teil der Stadtlandschaft gedacht. „Es geht uns
nicht darum, dass unser Konzept für eine Flüchtlingsunterkunft eins zu
eins umgesetzt wird, wir wollen eine notwendige Debatte anstoßen“,
sagt Bert Bücking. Es gelte, die Lücke zwischen unzureichenden Pro-
visorien und dem normalen Wohnungsbau, der am Ende des Prozesses
für Flüchtlinge zugänglich sein muss, mit einem anspruchsvollen,
provisorischen Haus zu füllen.
Holzhaus in Modulbauweise
Die Unterkunft, ein Holzhaus in Modulbauweise, besitzt Wohnqualität,
erfüllt alle baulichen und städtebaulichen Auflagen und ist schnell und
preiswert zu errichten und auch wieder abzubauen. „Bei den Baukosten
liegen wir nach bisherigen Berechnungen zwischen 800 bis 1.000 €/m
2
Wohnfläche netto“, sagt Carsten Venus. „Damit sind wir nicht teurer als
eine Containerlösung.“ Hinzu kommt, dass die Häuser wiederverwend-
bar und damit nachhaltig sind. „Sie können leicht an anderer Stelle
neu aufgestellt werden, z. B. als günstiger Wohnraum für Studierende,
wenn es hier vorübergehende Engpässe gibt“, schlägt Bert Bücking vor.
Das Gebäude besteht aus einzelnen Modulen, die in Holzrahmenbau-
weise gefertigt und vor Ort zusammengesetzt werden. Da die Module
mit 6 m Länge und 3 m Breite rund 50 cm breiter sind als ein Container,
bieten sie mehr Wohnqualität als dieser. „50 cm machen sich wirklich
bemerkbar“, weiß Bert Bücking, der bereits Polarstationen gebaut hat
und die Herausforderungen beengter Unterkünfte kennt.
Die Module können als 1-Zimmer-Einheiten genutzt werden, lassen sich
für Familien aber auch kombinieren. Sie können, so die Vorstellung der
Architekten, zu einem Haus mit Erdgeschoss und einem Stockwerk und
einem Dachgeschoss zusammengesetzt werden. Bis zu 60 Bewohner
könnte das Haus dann beherbergen. Das Treppenhaus liegt im Gebäude,
Küche und Sanitäranlagen wären von den Bewohnern gemeinschaftlich
zu nutzen. Unter dem Schrägdach mit Glasgiebel sollen ein Gemein-
schaftsraum und eine Küche untergebracht werden. In dem Haus leben
die Menschen zwar in eigenen „Wohnungen“, sollen aber gleichzeitig zu
einer Gemeinschaft zusammenfinden.
Keine Billigkonkurrenz zum normalen Wohnungsbau
„Das Ganze ist an sich nichts Neues“, weiß Venus. Neu sei aber die städ-
tebauliche Qualität. Das schräge Dach passe sich in den städtebaulichen
Kontext ein, die Fassaden ließen sich unterschiedlich gestalten und
könnten variabel gebaut werden, erklärt er. „Latten können horizontal
oder vertikal verlaufen und in verschiedenen Farben geliefert werden.“
Das Haus sähe in Hamburg anders aus als in Bayern.
Die Architekten nahmen bereits Kontakt zu möglichen Herstellern auf
und erfuhren, dass diese zu den vorgegebenen Kosten produzieren
und liefern können. „Die Häuser erfüllen die gesetzlichen Standards“,
betont Bücking. „Sie sind genehmigungsfähig.“ Dennoch seien sie als
Provisorium und nicht als Billigkonkurrenz zum normalen Wohnungs-
bau gedacht. „Der Bau dieser Häuser wäre von der normalen Bauwirt-
schaft vollkommen abgekoppelt.“
STÄDTEBAULICHE QUALITÄT VON FLÜCHTLINGSUNTERKÜNFTEN
Dr. Holmer Stahncke
freier Journalist
Hamburg
Mit seiner Fassade und dem
verglasten Dach passt sich
das Modulhaus in jede Umge-
bung ein
Quelle: Hanse Unit
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