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7|2015
Herr Weiler, Sie sind Vorstandssprecher einer
Wohnungsbaugenossenschaft in der Nähe
von Stuttgart. Genossenschaften beziehen
sich gern auf die Tradition der Unterneh-
mensform sowie die Stadtbild prägenden
Architekturen und Wohnquartiere. Die
Geschichte der Genossenschaften ist interes-
sant und ein Imagefaktor, oder?
Ich bin anderer Ansicht. Es schmälert unsere
Erfolge nicht, wenn wir die 150 Jahre alte Ge-
nossenschaftsform mal beiseitepacken und uns
frisch undmodern präsentieren. Nicht jede Tradi-
tion ruft positive Assoziationen hervor. Ichmusste
mir z. B. etliche Kommentare zur „Flüchtlings-
genossenschaft“ anhören, als ich 2007 bei der
Kreisbau anfing. Das war nicht positiv gemeint.
Die Namen vieler der rund 100 Jahre alten Woh-
nungsgenossenschaften hatten jeweils zu ihrer
Zeit eine bindende Funktion, heute wirken sie eher
befremdlich. Tradition hat und bewahrt man, muss
sie aber nicht wie ein Schild vor sich hertragen.
Rückfrage. Tradition und Unternehmens-
form vermitteln starke Bilder – wenn beides
positiv verstanden wird. Setzen Sie denn
nicht auf Emotionen?
Tradition reißt aber auch niemanden vomHocker.
Ich zeige, dass Genossenschaften erfolgreich sind,
indem die Mitglieder am Gewinn partizipieren.
Wir zahlen eine gute Dividende, fördern aber auch
die Kommune, in der wir agieren. Wir fördern den
regionalen Sport, betreiben ein intensives Spon-
soring und lassen uns das auch etwas kosten. Ich
freue mich immer, in der Zeitung unser Logo auf
Sporttrikots zu sehen. Das ruft neue Bilder hervor,
auf die setze ich. Aber ich setze auch auf neue
Begegnungen – und auf Veranstaltungen, die von
den Mitgliedern gut angenommen werden.
Gut, weniger alte Zöpfe, mehr aktuelle
Bezüge. Haben Sie eine Vision, wie es weiter-
gehen könnte?
Ich bin absoluter Fan der Marketinginitiative.
Das Klötzchen-Logo und der Slogan „Finde dein
Zuhause“ gefallen mir. Das müssen wir gemein-
sam anpacken. Warum nicht zusammenlegen
und dafür sorgen, dass vor der Tagesschau ein
30-Sekunden-Spot über die „Wohnungsbauge-
nossenschaften Deutschland“ eingeblendet wird?
Da haben wir mehr Aufmerksamkeit als durch alle
geschriebenen Chroniken zusammen!
Und neuen Schwung erwarte ich von stärkerer
Vernetzung der Wohnungsbaugenossenschaf-
ten. In ganz Deutschland und über die Grenzen
hinweg. Ichmöchte unseren Auszubildenden und
Mitarbeitern die Chance geben, imZuge von Prak-
tika bei anderen Wohnungsgenossenschaften zu
lernen und sich weiter zu entwickeln. Hier loten
wir gerade Kontakte und Möglichkeiten aus.
Haben Sie einen Appell, den Sie an Ihre
Branche richten möchten?
Oft höre ich von Kollegen, alles sei gut. Demnach
bräuchten wir keine Werbung, keine neuen Mit-
glieder und schon gar keine Öffentlichkeitsarbeit.
Die Wohnungen sind vermietet, so der Tenor, man
wecke doch nur Begehrlichkeiten. Ich bin anderer
Ansicht: Wann, wenn nicht jetzt? Gerade in „guten
Zeiten“ ist es doch einfacher, sich zu präsentieren.
Deshalb: weg vom Inseldenken und hin zumWir-
Gefühl. Wir müssen uns nicht verstecken.
Herr Weiler, die Kreisbau modernisiert und
baut in großem Umfang, in Kürze werden
fast 100 Wohnungen fertiggestellt. Was
treibt Sie ansonsten gerade an oder um?
Sie werden es nicht glauben – wir bereiten bald
unser nächstes Jubiläum vor. Das ist kein Wider-
spruch zu dem Gesagten. Tradition spielt auch
bei uns eine Rolle, aber ist eben nur einer von
mehreren Aspekten, die den Nutzen einer Genos-
senschaft verdeutlichen.
Das Gespräch führte Bärbel Wegner
Interview mit Bernd Weiler
„Nicht so viel in die Vergangenheit schauen –
lieber mal ein 30-Sekunden-Spot vor der
Tagesschau“
Im April 2015 fand in Hamburg der Norddeutsche Genossenschaftstag von VNW
und vdw Niedersachsen/Bremen statt. Der Vorstand der Kreisbaugenossenschaft
Kirchheim-Plochingen eG, sprach am Rande der Veranstaltung über Tradition und den
zeitgemäßen Auftritt von Genossenschaften.
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