DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2015 - page 47

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7|2015
GEGENÜBERSTELLUNG VERBRAUCHSABHÄNGIGER KOSTENANTEILE
Quelle: ITG-Gutachten, Dresden, 2008
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Anteil der verbrauchsabhängigen Kosten an den gesamten Betriebskosten am Beispiel eines Gebäudes
mit Standardnutzung und einer Gas-NT- bzw. einer Gas-BW-Heizung*
*WSVO 77 – Gas-NT-Kessel, ab EnEV 2007 Gas-BW-Kessel
2-FH 12-FH 24-FH 2-FH 12-FH 24-FH 2-FH 12-FH 24-FH 2-FH 12-FH 24-FH 2-FH 12-FH 24-FH
WSV 77
EnEV 2007
EnEV 2009
EnEV 2012
Passivhaus
78% 80% 79%
64%
69% 68%
56%
63% 65%
50%
57% 57%
33%
39% 42%
Verteilerschlüssel 50:50 im Jahr 2002 deutlich
überwog, werden heutzutage fast genauso viele
Immobilien mit dem Schlüssel 30:70 abgerech-
net. Dem Verbrauch wird also, wie die Abbildun-
gen auf der Folgeseite unten deutlich machen,
immer mehr Gewicht beigemessen, mit dem gut
gemeinten Ziel, Kosten gerechter zu verteilen
und sparsames Verhalten besonders zu belohnen.
Fachlich kann diese Tendenz nicht befürwortet
werden.
Warum Grundkosten?
Ein detaillierter Blick auf die Grundkosten zeigt,
warum sie zu Recht in die Abrechnung einfließen
und ihr Anteil nicht vorschnell reduziert werden
sollte. Zu den Grundkosten gehören:
Fixkosten des Heizungsbetriebs
, wie War-
tungs- und Reinigungskosten, Kosten der Heiz-
kostenabrechnung und der Eichung vonMessge-
räten, Grundpreise für Erdgas und Fernwärme.
Verluste der Heizung:
Auch wenn sich die
Effizienz der Heizungen in den vergangenen
Jahren stark verbessert hat, entstehen bei öl-
und gasbefeuerten Heizungsanlagen – je nach
Alter, Größe und Ausstattung –Wärme- und Ver-
teilverluste von 20 bis 40%. Wie die Abbildung
auf Seite 46 oben verdeutlicht, kommen nur
60 bis 80%der erzeugtenWärme somit tatsäch-
lich als nutz- und damit messbareWärme an den
Heizkörpern der Wohnungen an und sind vom
Verbraucher beeinflussbar.
Verluste der Warmwasserbereitung:
Bei der
Erzeugung von Warmwasser geht noch mehr
Energie verloren (40 bis 60%) als bei der rei-
nen Heizwärmeversorgung. Zum einen ist die
Warmwasserbereitung ebenfalls von den Ab-
gas- und Kesselverlusten betroffen. Zum ande-
ren entstehen insbesondere imSommer erhöhte
Verluste durch die dann gegebene Überkapazität
der Heizungsanlage. Auch Zirkulationsleitungen
oder Elektrobegleitheizbänder verbrauchen viel
Energie, die nichts mit dem messbaren indivi-
duellen Verbrauch zu tun hat.
Wohnlage:
Der grundsätzliche Wärmebedarf
einer Wohnung hängt von ihrer Lage im Ge-
bäude ab, wie die Abbildung auf der vorigen
Seite zeigt. Innenliegende Wohnungen haben
den niedrigsten Bedarf, weil die umliegenden
Wohnungen sie vor Kälte schützen. Bis zu 50%
höher kann der Heizbedarf einer gleich gro-
ßen Wohnung in Randlage sein. Je höher der
Grundkostenanteil in einer Heizkostenabrech-
nung ist, desto geringer wirkt sich der lagebe-
dingte Nachteil für einzelne Bewohner aus. Ein
50:50-Verteilerschlüssel gleicht diesen Nach-
teil immerhin umdie Hälfte aus. Für diemeisten
Bewohner ist das ein akzeptabler Kompromiss.
Ob die Alternative – eine Staffelung der Kalt-
miete nach Wohnlage – auf Verständnis stoßen
würde, ist fraglich.
Transmissionswärme:
Auch das Heizverhal-
ten der Nachbarn hat großen Einfluss. Die von
wärmeren zu kälteren Wohnungen strömende
Transmissionswärme macht nach Untersu-
chungen u. a. der TU Wien 10 bis 40% aus.
Am stärksten ist der Effekt, wenn eine stän-
dig beheizte Wohnung (z. B. eines Rentner-
ehepaares) an allen Seiten von weniger be-
heizten Wohnungen (z. B. von Berufstätigen)
umgeben ist. Durch die Grundkosten wird
abgegolten, dass die Transmissionswärme aus
den beheizten den unbeheizten Wohnungen
zugutekommt. Das erklärt auch, weshalb für
leer stehende Wohnungen zumindest Grund-
kosten zu tragen sind.
Einfluss der energetischen Gebäudequalität
Wie wirkt sich die zunehmend bessere energeti-
sche Qualität von Gebäuden – rundumgedämmte
Außenhülle, gut isolierte Fenster – auf den Ver-
teilerschlüssel aus? Die verbreitete Ansicht, dass
der verbrauchsabhängige Anteil in gut gedämm-
ten Gebäuden möglichst hoch sein sollte, ist ein
Irrtum. Das Gegenteil ist der Fall: Je besser die
energetische Hülle, desto höher wird der relative
Anteil der verbrauchsunabhängigen Kosten. Ge-
rade weil diese Gebäude weniger Heizwärme als
vergleichbare ältere Häuser benötigen, steigt der
prozentuale Anteil der Fixkosten, etwa für War-
tung, Schornsteinfeger, Messtechnik, Abrechnung
oder die Grundpreise der Gas- oder Fernwärme-
versorger. Diesen Zusammenhang stellt auch
das Gutachten von Prof. Dr. Bert Oschatz vom
Dresdner Institut für Technische Gebäude-
AUFTEILUNG DER GESAMTKOSTEN, BEISPIEL VERTEILERSCHLÜSSEL 50:50
Auf alle Nutzer zu verteilende Gesamtkosten
aus umlagefähigen Brennstoff- und Nebenkosten
100%
Heizkosten
100%
Warmwasserkosten
davon 50%
Heizung
Grundkosten
davon 50%
Warmwasser
Verbrauchskosten
davon 50%
Heizung
Verbrauchskosten
davon 50%
Warmwasser
Grundkosten
Verteilung nach
Fläche
Verteilung nach
gemessenem Verbrauch
Verteilung nach
Fläche
Verteilung nach
gemessenem Verbrauch
1...,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46 48,49,50,51,52,53,54,55,56,57,...84
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