NEUBAU UND SANIERUNG
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7|2015
und Otto Höller vom Büro Tafkaoo, das auch in
Berlin eine Niederlassung unterhält und dort u. a.
die degewo bei Neubauvorhaben berät. Ein wich-
tiger Punkt ist laut Scheifinger und Höller die
Minimierung der Erschließungsflächen. Wiener
Planer haben keine Angst vor Laubengängen und
lassen sich gerne innovative Lösungen einfallen.
So findet sich in einem im Jahr 2000 errichteten
Wohnhaus der Sozialbau Wien AG im Quartier In
der Wiesen eine sog. Gemeinschaftsloggia. Da-
bei handelt es sich um eine Öffnung eines langen
Erschließungsflurs zur Fassade hin – was zwei
Vorteile hat: Zum einen gelangt Tageslicht in den
Flur, zumanderen entsteht eine Fläche, wo sich die
Mieter treffen können (auch wenn sie vorrangig
als Abstellraum für Kinderfahrräder genutzt zu
werden scheint).
UmKosten zu sparen, setzen die Planer zudemauf
kompakte Grundrisse. Einen Ausgleich bieten die
großzügigen Gemeinschaftsflächen, die übrigens
oft auch eine (gut frequentierte) Gemeinschafts-
waschküche umfassen. Innenliegende Bäder
werden laut Höller und Scheifinger problemlos
akzeptiert; hingegen ist es in Wien selbst in So-
zialwohnungen selbstverständlich, dass sich Bad
undWC in getrennten Räumen befinden. Der Kos-
teneffizienz dient auch eine dichte Bebauung. Das
zeigen die großen Stadtentwicklungsprojekte, von
denen es inWien – meist auf aufgegebenen Bahn-
oder Flughafenarealen – gleich mehrere gibt. So
entstehen zum Beispiel im Sonnwendviertel, auf
demAreal des ehemaligen Hauptbahnhofs, 5.000
Wohneinheiten, am Nordbahnhof bis zu 10.000
Wohneinheiten und in der Seestadt Aspern sogar
10.500 Wohneinheiten. Dabei handelt es sich –
eine Folge der städtischen Förderpolitik – zu einem
Großteil um Sozialwohnungen.
Innovative Ansätze
Die Förderlandschaft macht dabei auf den außen-
stehenden Beobachter einen vielfältigen, ja aus-
gesprochen komplizierten Eindruck. Relativ neu
ist das FörderprogrammSmart-Wohnungen. Diese
Einheiten haben besonders kompakte Grundrisse:
Eine 2-Zimmer-Wohnung darf maximal 55, eine
3-Zimmer-Wohnung nicht mehr als 70 und eine
4-Zimmer-Wohnung höchstens 80m
2
Fläche auf-
weisen. Smart-Wohnungen kosten eine Anfangs-
miete (bruttokalt) von 7,50 €/m
2
und verlangen
einen deutlich geringeren Eigenmitteleinsatz der
Mieter als die in anderen Modellen geförderten
Wohnungen. Denn eines wird hierzulande oft über-
sehen, wennWien als Vorbild des günstigenWoh-
nungsbaus dargestellt wird: Mieter, die eine ge-
förderte Neubauwohnung anmieten, müssen sich
i. d. R. mit sehr viel Eigenkapital beteiligen. Die-
ser Finanzierungsbeitrag beträgt meist 500 €/m
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Wohnfläche – für eine 70-m
2
-Wohnung werden
also auf einen Schlag 35.000 € fällig, die der
Mieter beim Auszug vom Bauträger wieder zu-
rückerhält. Bei den Smart-Wohnungen muss der
Mieter hingegen nur 60 €/m
2
einzahlen, für eine
70-m
2
-Wohnung also 4.200 €.
Und noch ein Unterschied zwischen Wien und
deutschen Großstädten ist unübersehbar: Die
österreichische Hauptstadt lässt sich ihre Woh-
nungspolitik sehr viel Geld kosten. Rund650Mio. €
stellte sie dafür 2014 zur Verfügung, einen Groß-
teil davon für Wohnungsneubau; das entspricht 6%
des gesamten städtischen Budgets. Spätestens
da werden wohl die Kämmerer deutscher Städte
und die Finanzminister deutscher Bundesländer
sich die Frage stellen, ob sie wirklich demWiener
Vorbild nacheifern wollen.
degewo-Vorstand Jahn tauscht sich mit den Architekten Oliver Scheifinger und Otto Höller
sowie Dieter Groschopf, dem stellvertretenden Geschäftsführer des Wohnfonds Wien, aus (v. l.)
Quelle: Luiza Puiu
Quelle: Luiza Puiu
Wohnungsbau in ganz großem Stil: In der Seestadt Aspern im 22. Wiener Bezirk entsteht nicht nur ein See, sondern auch ein Wohngebiet mit 10.500 Wohnungen