Controller Magazin 3/2019 - page 26

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motive, Finanzdienstleistungen, IKT, Handel,
sogar Maschinen- und Anlagenbau, Transport
& Logistik, um nur einige alphabetisch zu nen-
nen) sehe, so haben wir derzeit eine sehr große
Chance, nicht nur für unser Compliance-Thema
neue (Motivations-)Potenziale zu nutzen. Aller-
dings stellt diese Entwicklung auch die Control-
ler vor neue Herausforderungen, denn her-
kömmliche Werkzeuge wie Budgetierung und
Transferpreise bekommen eine völlig neue Be-
deutung und es bedarf mancherorts einer
Übersetzung in die „traditionelle Denke“.
Biel:
Vielen Dank für die ausgezeichnete Zu-
sammenarbeit bei der Planung und Vorberei-
tung sowie Durchführung und Abwicklung des
Interviews. Ferner besten Dank für Ihre vielfälti-
gen Impulse.
Biel:
Können wir Compliance als ein Element
von Corporate Governance einordnen? Im Inter-
view 4/18 „Controlling und Corporate Gover-
nance“ haben wir herausgearbeitet, dass Cor-
porate Governance auch ein betriebswirt-
schaftliches Thema für Betriebswirte und Con-
troller ist. Wo sehen Sie Controllerinnen und
Controller bei unserem Thema Compliance?
Vieweg:
Das Ziel sind nachhaltig erfolgreiche
Unternehmen, die prosperieren und einen
wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Regelkonformität (verkürzt hier gleichgesetzt
mit Compliance) ist in dieser Idealvorstellung
eine Selbstverständlichkeit und das absolute
Minimum, auf deren Basis sich eine
gute Cor-
porate Governance
herausbilden kann und
die
Nachhaltigkeit befördert
. Insofern gehen
beide Begrifflichkeiten einher und unterstützen
die nachhaltige Unternehmensführung. Inso-
fern sind beide natürlich ein Thema für Be-
triebswirte und insbesondere auch Controller.
Ich hatte es ja bereits angesprochen: Ich sehe
in der derzeit vorherrschenden Controlling-
Konzeption der Rationalitätssicherung nicht
nur die betriebswirtschaftliche (monetäre)
Komponente („wie viel“), sondern auch die
konkrete Unterstützungsleistung bei der Im-
plementierung und Entwicklung guter und ge-
lebter Compliance („wie“).
Biel:
Zum Abschluss die Kernfrage: Compli-
ance als Kosten- und Ordnungsfaktor oder
doch eher Erfolgsfaktor? Was möchten Sie uns
hierzu mit auf den Weg geben?
Vieweg:
In der Tat ist die heutige vielfach kurz-
fristige Sicht sehr verengt aus der Risikobe-
trachtung heraus getrieben: Das Mindeste wird
implementiert (da ja „nicht-produktiv“), und
nicht die Chancen gesehen, die eine – zugege-
benermaßen längerfristige – Änderung der Un-
ternehmenskultur bewirkt zur intrinsischen Mo-
tivation der Beteiligten, bei der gelebte Compli-
ance quasi nebenbei entsteht („Compliance
built-in“), und
enormes Vertrauenspotenzial
durch Transparenz
. Candorship führt nicht
nur zu besserer (betriebswirtschaftlicher) Per-
formance, sondern bietet auch höhere Resili-
enz, sollte doch einmal ein Compliance-Verstoß
passieren. Wenn ich den großen Trend hin zu
agilen Unternehmen in vielen Industrien (Auto-
dorship“ (Transparenz aus intrinsischer Motiva-
tion) als Erfolgsweg besser gelingen.
Biel:
Können Sie uns Ihre Thesen schlagwort-
artig zusammenfassen?
Vieweg:
Gerne. Was braucht es dazu?
·
·
„Tue Gutes und rede darüber“
·
·
Transparenz der Strukturen als
Vertrauensgut
·
·
Förderung einer gewinnenden Fehlerkultur
·
·
Nachhaltige und akzeptierte Führung durch
nachvollziehbares und glaubwürdiges
Zusammenspiel der Unternehmensebenen
·
·
Compliance-Marketing (im besten Sinne
für die Compliance-Idee werben, entgegen
eines „Green washings“)
·
·
Einen geeigneten Rahmen einer nach­
haltigen Unternehmensführung so setzen,
dass Crowding-In (intrinsische Motivation)
befördert wird, bspw.
·
·
„Walk-the-Talk“, Vorbildfunktion auf allen
Führungsebenen
Biel:
Man kann den Eindruck gewinnen, dass
es an Regeln und Vorgaben nicht mangelt. Lie-
gen etwaige Compliance-Verstöße weniger an
„Regelproblemen“? Wie scharf wirken Regeln
wirklich?
Vieweg:
Bei Forderungen nach noch mehr Re-
geln bzw. deren Konkretisierung muss man si-
cherlich fallweise schauen. Beispielsweise ha-
ben wir es in sehr stark regulierten Branchen
wie dem Kapitalmarkt mit ca. 200 neuen Re-
geln zu tun – jeden Tag! Da wird es schnell bei
bestem Willen unübersichtlich (ergo auch der
Ansatz vom ICC, geeignete KI-gestützte Werk-
zeuge zu entwickeln). Betrachtet man medial
präsente Akutfälle, so ist wohl kaum zu ver-
zeichnen, dass die Regeln selbst ungenügend
waren. Ich sehe es eher genau andersherum:
Egal, ob aus Vorsatz, Naivität (= Ignoranz) oder
sonstigen Gründen Compliance-Verstöße oder
Verdachtsfälle entstehen, meist ist die Tragwei-
te des drohenden Vertrauensverlustes nicht
ausreichend bewusst. Und das scheint trotz
Mega-Bußgelder
, die insbesondere den Fi-
nanzsektor und die Automobilwirtschaft in jün-
gerer Vergangenheit trafen, nicht eine ehrliche
Neuausrichtung der betroffenen Unterneh-
menskultur zu bewirken.
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