CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 86

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Akzeptanz des Faktors Glück
Schlussendlich muss man bei allen Fähigkeiten
und Ressourcen, bei allem Engagement der Be-
teiligten, auch den Einfluss des Glücks oder
Pechs akzeptieren. Dabei wird das Controlling
nicht in Unverbindlichkeit flüchten, sondern die
nachvollziehbaren Daten der hier dargestellten
Simulation heranziehen.
Besonders bedeutsam wird die Perspektive
„Glück“, wenn ein Unternehmen in unterschied-
lichen Geschäftsfeldern agiert. Unterscheiden
sich hier die Anzahl der Wettbewerber und der
Wettbewerbe deutlich, sind unterschiedliche
Vorgehensweisen und damit auch Kenngrößen
geboten. Diese Unterschiede zu verdeutlichen
ist Aufgabe des Controllings. Dabei tragen die
dargestellten Simulationsergebnisse dazu bei,
aufzuzeigen, dass „Glück“ kein esoterischer
Wohlfühlfaktor ist, sondern als harter, quantifi-
zierbarer Aspekt einer Berücksichtigung durch
das Controlling bedarf.
Dies kann eine kleine, lokal verwurzelte Brauerei
betreffen, welche mit zwei anderen Anbietern
um die Belieferung einer umsatzstarken Gast-
stätte konkurriert und gleichzeitig an einem in-
ternationalen Wettbewerb um das beste Lager-
bier teilnimmt. Ebenso ist der international tätige
Anlagenbauer betroffen, der bei seiner Haupt-
leistung auf den „üblichen“ Wettbewerber trifft,
mit einem innovativen IT-Produkt im Servicebe-
reich allerdings in internationaler Konkurrenz
steht. Im jeweils ersten Fall müssen die Angebo-
te passgenau und sorgfältig erstellt werden, im
zweiten Fall kann und soll durchaus einmal der
sprichwörtliche „Schuss ins Blaue“ erfolgen.
Nur die Berücksichtigung des Faktors „Glück“
ermöglicht es hier dem Controlling, die passen-
den Anforderungen zu formulieren, Abwei-
chungsgründe zu analysieren und Vorgaben für
das zukünftige Vorgehen zu entwickeln. Dabei
werden die aufgeführten Faktoren „Reduktion
der Teilnehmerzahl“ bzw. „Erhöhung der Wett-
kampfteilnahmen“ nicht etablierte Kennzahlen
ersetzen, wohl aber wirkungsvoll ergänzen.
Literatur
 Frank, Robert, H.: Ohne Glück kein Erfolg, dtv,
München, 2018.
Ebenso gibt es Geschäftsmodelle, bei denen
wenige Anbieter aufeinandertreffen. Dann ist
es Aufgabe des Controllings darauf zu verwei-
sen, dass der Faktor „Glück“ eine vernachläs-
sigbare Rolle spielt und nicht als Ausrede für
fehlenden Erfolg herangezogen werden kann.
Diese Strategie ist nicht bei allen Leistungen
möglich, zumindest sollte dann jedoch der fol-
gende Aspekt aufgegriffen werden.
Erhöhung der Wettkampfteilnahmen
„Kleine Haie“ heißt eine deutsche Filmkomödie,
welche die Odyssee junger Menschen durch
Deutschland beschreibt, die einen der äußerst
begehrten Plätze an den wenigen Schauspiel-
schulen erhalten möchten. Talentiert und wil-
lensstark wollen sie sich ihren beruflichen
Traum erfüllen und wissen intuitiv um die einzi-
ge Möglichkeit, ihre Chancen zu erhöhen: die
möglichst zahlreichen Teilnahmen an Aufnah-
meprüfungen. Auch Joanne K. Rowling musste
ihren ersten Harry-Potter-Roman zahlreichen
Verlagen anbieten, bis schlussendlich die Ver-
öffentlichung mit einer Auflage von 500 Exem-
plaren erfolgte, verbunden mit dem wohlwol-
lenden Hinweis des Jungendbuchverantwortli-
chen, sich eine feste Tätigkeit zu suchen, da die
Honorare kaum zum Lebensunterhalt reichen
würden. Wie die Geschichte ausging, ist allge-
mein bekannt ...
Entsprechend ist unter der Prämisse der zuneh-
menden Anzahl an Wettbewerbern die Anzahl
der Angebote zu erhöhen, wohl wissend, dass
damit die Quote der erfolgreichen Angebote
prozentual zurückgeht. Dabei gilt es durchaus
einmal dem Glück seine sprichwörtliche Chan-
ce zu geben und auch dort ein Angebot abzu-
geben, wo Wettbewerber eine scheinbar deut-
lich bessere Ausgangsposition haben.
ohnehin keinen Einfluss auf das Ergebnis der
Anstrengungen hat. Talent, aus Unternehmens-
sicht die Ressourcen, bleiben genauso wichtig
wie die Anstrengungen. Ob diese ausreichen,
hängt jedoch entscheidend von der Anzahl der
Wettbewerber ab.
Reduktion der Teilnehmerzahl
Die Simulation von Frank führt mit 1.000 bis
100.000 Teilnehmer eine Anzahl auf, welche
bis vor kurzem für den realen Wettbewerb bis
auf wenige Ausnahmefälle unrealistisch er-
schien. Zwar steht eine Vielzahl von Unterneh-
men im Wettbewerb, meistens ist jedoch eine
überschaubare Anzahl von Konkurrenten vor-
handen, womit der Faktor „Glück“ zu Recht als
vernachlässigbar angesehen werden konnte.
Dass das Internet hier radikale Veränderungen
herbeigeführt hat, ist offensichtlich. Für fast
alle Leistungen kann ohne großen Aufwand
eine unüberschaubare Anzahl von Angeboten
eingeholt werden, während der gemeinsame
Markt insbesondere mit dem Markteintritt ost-
europäischer Anbieter zu Konkurrenten mit einer
sehr viel niedrigeren Kostenstruktur geführt hat.
Sicherlich versuchen Unternehmen auch ohne
die Berücksichtigung des Faktors „Glück“ eine
gut zu verteidigende Wettbewerbsposition auf-
zubauen, wobei die Bedeutung dieses Aspek-
tes nochmals betont wird. Mit jedem Wettbe-
werber weniger geht der Einflussfaktor des
Glücks zurück. Entsprechend sollte man Leis-
tungen beim Kunden in das Angebotsportfolio
einbauen, die kurzfristige Erreichbarkeit beto-
nen und die damit verbundene Senkung der
Gesamtkosten ansprechen. Möglichst frühzei-
tig gilt es einen persönlichen Kontakt herzustel-
len, nach Möglichkeit beim Kunden vorzuspre-
chen und auf die lokale Expertise zu verweisen.
Autor
Dipl.-Kaufmann Thomas Schneider
ist nach Stationen im Controlling eines Dax 30 Konzerns nun-
mehr bei einem mittelständischen Metallgroßhändler für die
Interne Revision verantwortlich.
E-Mail:
Fortune müssen sie haben, die Controller
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