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„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben,
wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“
konstatierte schon Schiller vor über 200 Jahren.
Entsprechend gehören rechtliche Auseinander-
setzungen zum unternehmerischen Alltag. Wer
diese Streitigkeiten auf einer rein rationalen Ebe-
ne betrachtet, macht sich und anderen etwas
vor. Bei praktisch jedem Konflikt, der vor Gericht
gelangt, besteht eine lange Vorgeschichte von
enttäuschtem Vertrauen und gebrochenen Ver-
sprechungen – jede Seite hat eine andere Sicht
der Dinge. Hier ist ein „Schlichter“ oder Mediator
gefragt, der die unterschiedlichen Standpunkte,
die persönlichen Interessen zusammenführt und
auf einen lösbaren Weg bringt. Entsprechend
kann das Controlling zur Versachlichung der Dis-
kussion und Entscheidungsfindung beitragen
und gewährleisten, dass die Interessen des Un-
ternehmens in jeder Phase des Prozesses best-
möglich verfolgt werden.
In der Regel erfährt das Controlling von Kon-
flikten erst, wenn die betriebswirtschaftlichen
Folgen quantifiziert, bspw. Rückstellungen für
rechtliche Auseinandersetzungen gebildet oder
die entstandenen Rechtskosten einem Soll-Ist-
Vergleich unterzogen werden müssen. Die
Nachfrage nach Gründen ist wenig ergiebig.
Keine Partei wird sich selber als „Streithansel“
bezeichnen, oder eigene Rachegedanken oder
Missgunst als Auslöser der Rechtsstreitigkeit
angeben. Schuld ist immer die Gegenseite.
Ausgangssituation
Bei rechtlichen Fragestellungen werden primär
Rechtsvertreter – wegen einer Einschätzung
der Sachlage – konsultiert. Das Controlling ver-
folgt einen anderen, umfassenderen Ansatz.
Anstelle einer isolierten Betrachtung des Recht-
streits steht die Verfolgung des zentralen Ziels
der unternehmerischen Tätigkeit im Mittel-
punkt: die langfristige Sicherung des Fortbe-
standes des Unternehmens. Legt man einem
Rechtsanwalt einen bestimmten Sachverhalt
vor, wird dieser auf Basis der Aktenlage Emp-
fehlungen aussprechen. Die Auswirkungen auf
die wirtschaftliche Entwicklung des Unterneh-
mens finden keine Berücksichtigung. So kann
eine „suboptimale Lösung“ durchgesetzt wer-
den, wenn bspw. ein wichtiger Kunde wegen ei-
ner kleinen Streitsumme verklagt, der Prozess
gewonnen und daraufhin die Geschäftsbezie-
hung beendet wird.
Der Controller berücksichtigt auf Basis der
Planzahlen, welche Konsequenzen sich für den
Geschäftserfolg ergeben. Betriebswirtschaftli-
che Fakten finden sich in der Buchhaltung. Ein
Anstieg der Rechts- und Beratungskosten oder
Rückstellungen für laufende Verfahren geben
Hinweise für die Notwendigkeit grundsätzlicher
Lösungen. Die Daten des Rechnungswesens
stellen nur die Spitze des Eisberges dar. Der Är-
ger und erhebliche Zeitbedarf für entsprechen-
de Auseinandersetzungen wird nicht „bilan-
ziert“. Häufig ist die Herstellung und Sicherung
des Rechtsfriedens wichtiger als die konse-
quente Durchsetzung operativer Maßnahmen.
Nicht die böse Absicht, sondern Stress, Hektik
und Zeitdruck sind häufig Auslöser dafür, dass
Liefertermine nicht eingehalten oder Rechnun-
gen nicht bezahlt werden. Allzu oft suchen die
Vertragsparteien dann nicht das klärende Ge-
spräch, sondern drohen mit einem kostspieli-
gen Gerichtsverfahren. Diese Auseinanderset-
Controlling rechtlicher Auseinandersetzungen
Effektive Lösungswege bei rechtlichen Problemen
von Susanne Schneider und Daniel Themessl
CM Juli / August 2017