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„Lernrate“ im Praxisbeispiel
Zur Abschätzung der Gesamtkosten in Abhän-
gigkeit der Produktionsmenge gibt es über-
schlägige Formeln. Diese weisen jedoch Unge-
nauigkeiten auf. In diesem Artikel wird eine Va-
riation der gängigen Berechnungsvorschriften
vorgestellt, die zu genaueren Ergebnissen führt
und somit eine solidere Grundlage für strategi-
sche Entscheidungen bzw. Verhandlungen bie-
tet.
Diese variierte Art der Berechnung hat
sich bereits in einem Praxisprojekt be-
währt
. Dabei ging es um eine vollständige
Überarbeitung eines bewährten Produktes von
einem Stallausrüster und die damit verbundene
strategische Preis- und Mengenplanung. Dafür
wurde den Entscheidungsträgern u. a. Abbil-
dung 1 vorgelegt.
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Aus dieser geht das enorme
Potential von Erfahrungseffekten deutlich her-
vor.
Wie stark die Kosten bei zunehmendem
Produktionsvolumen abnehmen, wird da-
bei mit der Lernrate ausgedrückt.
Diese gibt
an, auf welchen Prozentsatz die Stückkosten
nach einer Mengenverdopplung potentiell sin-
ken. Ein typischer anzunehmender Wert für die
Lernrate ist 75%. Das bedeutet konkret, dass
die Stückkosten auf bis zu 75% des Niveaus
vor der Verdopplung sinken.
Im Folgenden soll die verbesserte Berech-
nungsvorschrift vorgestellt und deren Mehr-
nutzen durch den Vergleich mit bewährten
Formeln belegt werden. Dafür werden zu-
nächst die Ursachen sinkender Kosten bei ei-
ner steigenden Produktionsmenge erläutert
und anschließend die Berechnungsvorschrif-
ten betrachtet.
Die in Abbildung 1 dargestellte Kostendegressi-
on ist auf Skaleneffekte zurückzuführen. Unter
diesem Begriff werden mehrere Effekte zusam-
mengefasst. So gibt es bei der mehrfachen
Ausübung einer Tätigkeit (z. B. Montage)
Übungsgewinne und Zeitersparnisse. Auch
Rationalisierungsmaßnahmen, eine Fixkosten-
degression durch eine verbessere Maschinen-
auslastung sowie Betriebsgrößeneffekte führen
zu geringeren Stückkosten bei steigendem Pro-
duktionsvolumen. (Vgl. Coenenberg et al., 2016,
S. 435 ff.)
Für die Berechnung der Gesamtkosten ab Pro-
duktionsbeginn einer gewissen Ausbringungs-
menge wird die Lernrate in einen Degressions-
faktor b umgerechnet. Für die exakte Berech-
nung dieser Gesamtkosten gibt es Formel 1.
In dieser werden die Kosten für jede Einheit
aufsummiert. Dabei wird der zweite Faktor, der
zwischen 0 und 1 liegt, mit zunehmender Größe
von xn kleiner. So werden die kleiner werden-
den Stückkosten berücksichtigt.
Formel 2: Annäherung der Gesamtkosten
Formel 3: Empfohlene Formeln für die Gesamtkostenermittlung (in Anlehnung an: Coenenberg, 1997, S. 205
sowie Coenenberg et al., 2016, S. 442)
Abb. 2: Bisherige Näherung
Abb. 3: Näherung mit Stetigkeitskorrektur
CM März / April 2017