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dank niedriger Zinsen etwas größer ausfallen,
muss aber noch über eine längere Zeit abbe-
zahlt werden. Nebenan wohnen noch die beiden
Großeltern mütterlicherseits. Der Vater hat ein
volles Gehalt und ist als Controller bei einem
Maschinenbau-Unternehmen tätig. Die Mutter
arbeitet halbtags als Lehrerin in der nahegele-
genen Schule.
Nun sind 1,5 Gehälter für eine vierköpfige Fa-
milie üblicherweise eine gute Basis für einen
passablen Wohlstand und nicht weit weg vom
deutschlandweiten Durchschnitt. Allerdings hat
Herr Sparfuchs vor rund drei Jahren seinen
vorherigen Job wegen einer plötzlichen Insol-
venz verloren und es hat einige Monate gedau-
ert, bis er eine neue Anstellung gefunden hat-
te. In der Zeit der Arbeitslosigkeit von Herrn
Sparfuchs war das Geld am Monatsende
manchmal recht knapp und die Bedienung des
Immobilienkredites wurde schwierig (=> tem-
poräre Überschuldung). Daraufhin senkte die
Bank den Überziehungsrahmen von Familie
Sparfuchs (=> Liquiditätsrisiko) und es be-
stand die Gefahr, dass die Familie weitere
Rechnungen nicht begleichen konnte. Der
klassische Management Consultant hätte in so
einer Situation wahrscheinlich einen Abbau der
FTE von 25% vorgeschlagen, aber glücklicher-
weise wurde keines der beiden Kinder zur Ad-
option freigegeben.
Schwierige Ermittlung
der Vermögensverhältnisse
Stattdessen entschied sich das Management
der Familie Sparfuchs – bestehend aus Frau
und Herr Sparfuchs – zu einem deutlich straffe-
ren Cash Flow-Management. Anfangs erstellte
Herr Sparfuchs als gelernter Controller ausge-
hend von den Überschüssen bzw. Verlusten
eine private Kapitalflussrechnung. Davon zog er
die Abschreibung für die Wohnung und den
Zinsdienst ab. Anschließend ergänzte er die
Rechnung um die Auszahlung für die Hypothe-
ken-Finanzierung sowie das Taschengeld für
die Kinder und kam zu dem verfügbaren Cash
Flow. Allerdings war die Ermittlung der Vermö-
gensverhältnisse aufgrund der komplizierten Ei-
gentumsbeziehungen mit seinen Schwiegerel-
tern (=> Kapitalkonsolidierung) nur annähe-
rungsweise möglich.
Durch die so gewonnene Transparenz wollte er
eigentlich seine Frau und die Kinder sensibilisie-
ren und die Kosten senken, aber leider war der
Ansatz zu kompliziert für seine Stakeholder. Ge-
nauso kann man ein Versagen des Change Ma-
nagements feststellen, da die operativen Ände-
rungen auf geringe Akzeptanz außerhalb des
Managements stießen (die Kinder waren tod-
traurig über den abgesagten Freibad-Besuch).
Ein weiteres Problem war, dass der Jüngste mit
Billigung von Frau Sparfuchs bereits die Teilnah-
me an der Klassenfahrt bestätigt hatte (
=>
zu-
künftige Finanzierungszusage) und dieses Ereig-
nis die Kapitalflussrechnung unvorbereitet traf.
Daher hatte sich Herr Sparfuchs überlegt, ein
einfacheres und effektiveres Modell zu erstel-
len. Dabei erinnerte er sich zurück an sein Stu-
dium und überlegte sich ein Konzept auf Basis
der direkten Kapitalflussrechnung. Seine Idee
war radikal und simpel: „Wenn ihr meinen An-
satz nicht versteht, müsst ihr nun jede Woche
eure Ausgaben und auch Einnahmen bei mir
melden und ich entscheide, ob wir sie tätigen
können.“ Um die Idee zu ermöglichen, nahm
Herr Sparfuchs ein Blatt Papier und malte zwei
Spalten auf, in denen untereinander die Ein-
nahmen bzw. Ausgaben erfasst werden muss-
ten (
=>
Technology Enablement).
Verblüffendes Ergebnis
Das Ergebnis war verblüffend – in negativer wie
auch in positiver Hinsicht. Zum einen wurde
zum ersten Mal ersichtlich wie teuer Hundefut-
ter sein kann – insbesondere da es im Rahmen
eines Abonnements mit Vorkasse für die
nächsten zehn Monate bestellt worden war,
und dass unbedingt ein neuer Lieferant gefun-
den werden musste (
=>
Optimierung Lieferan-
tenportfolio). Zum anderen hat Herr Sparfuchs
auch erfahren, dass die Großeltern von neben-
an regelmäßig das Taschengeld der Kinder auf-
bessern und somit die geplante Erhöhung fürs
erste ausfallen kann.
Durch die so gewonnene Transparenz war Herr
Sparfuchs in der Lage, die vorhandenen Cash-
Mittel effektiver einzusetzen und somit dem Fa-
milien-Management den notwendigen Spiel-
raum für Investitionen bei gleichzeitiger Redu-
zierung des Liquiditätsrisikos zu gewähren.
Glücklicherweise war die angespannte Situation
auf der Einnahmen-Seite nur von begrenzter
Dauer, da Herr Sparfuchs schnell einen neuen
Job gefunden hat, was den privaten Cash-Be-
stand deutlich robuster werden ließ. Außerdem
konnte das Hundefutter-Abo gekündigt werden,
was ebenfalls einen signifikanten Effekt hatte.
Integration der operativen
Einheiten
Das Beispiel zeigt, dass das Cash Flow Ma-
nagement nicht mehr als reine Aufgabe der
Treasury- oder der Finanzabteilung betrachtet
werden,
sondern auch die Integration der
operativen Einheiten umfassen sollte
. Diese
werden durch ein integriertes Set an Systemen
und Technologien unterstützt, um das Cash
Flow-Management so simpel, integriert und au-
tomatisiert wie möglich zu gestalten (vgl. Abbil-
dung 1). Und die gute Nachricht ist: Die Aus-
wahl von möglichen IT-Lösungen ist groß und
hält für jeden Geschmack etwas bereit.
CM März / April 2017