CONTROLLER Magazin 3/2016 - page 43

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e) Berücksichtigung von Erstattungen
Eventuelle Erstattungsbeträge von Dritten, z. B.
von Versicherungen oder Gewährleistungen
von Lieferanten, sind nur unter den in
IAS
37.53
ff.
dargestellten Voraussetzungen zu be-
rücksichtigen. Danach muss der Erstattungs-
anspruch
so gut wie sicher
sein („
virtually
certain
“). Dies erfordert nach der üblichen
Auffassung in der Literatur eine Wahrschein-
lichkeit von 90 – 95%. In diesen Fällen ist die
Rückstellung aber dennoch vom bilanzierenden
Unternehmen in voller Höhe zu erfassen. Der
Erstattungsanspruch ist hingegen als separater
Vermögenswert zu bilanzieren. In der GuV
7
kann
nach
IAS 37.54
entgegen dem grund-
sätzlichen Saldierungsverbot nach IAS 1.32
hingegen eine Saldierung des Ertrags aus dem
Erstattungsanspruch mit dem Aufwand für die
Rückstellung erfolgen.
f) Auflösung und Verbrauch von
Rückstellungen
Ansatz und Bewertung von Rückstellungen
sind nach
IAS 37.59
zu jedem Bilanzstichtag
neu zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Sind die Kriterien für die Passivierung einer in
früheren Jahren gebildeten Rückstellung nicht
mehr erfüllt, ist die
Rückstellung aufzulösen
.
Wo exakt in der GuV die Auflösung auszuwei-
sen ist, ist dem Standard nicht eindeutig zu
entnehmen. Hier kommt es deshalb zu der
häufig vom IASB diskutierten sog. „
diversity
in practice
“. Vielfach findet sich in der Praxis
die Vorgehensweise, die ertragswirksame Auf-
lösung in der GuV in jener Position zu zeigen, in
welcher auch die aufwandswirksame Zufüh-
rung gezeigt wurde. Andere Unternehmen prä-
ferieren den Weg über den Ausweis der Auflö-
sung in einer eigenen GuV-Position „sonstige
betriebliche Erträge“.
8
Der
Verbrauch
bzw. die
Inanspruchnahme
einer Rückstellung
darf nach
IAS 37.61 f.
nur
für diejenigen Zwecke erfolgen, für die die
Rückstellung ursprünglich gebildet wurde.
Wesentliche Rückstellungsarten
Neben den bereits im Zusammenhang mit Ansatz
und/oder Bewertung diskutierten Rückstellungs-
arten werden vom IASB in
IAS 37.63 ff.
weitere
scheinlichste Ergebnis
zurückzustellen.
Dies wären in diesem Fall
200 T€
.
Der
Erwartungswert
für die Verpflichtung
beträgt gemäß IAS 37.39 hingegen:
80% x ( (60% x 200 T€) + (40% x 500 T€) )
=
256 T€
Welches der beiden Ergebnisse ist nun aber
„richtig“?
Aus dem „Education Programm“ des
IASB
selbst kann man entnehmen, dass dieses of-
fensichtlich – allerdings ohne nähere Begrün-
dung – auch für die Lösung dieses Falles den
Erwartungswert
präferiert. Die
KPMG
4
lehnt
diese Lösung hingegen explizit ab und lässt für
diesen Fall nur das
wahrscheinlichste
Ergeb-
nis zu. Die
PWC
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erachtet wohl beide Varianten
als zulässig. Es handelt sich hierbei insoweit
um ein einfach nachvollziehbares Beispiel, dass
es in der Praxis bereits mittels verschiedener
Literaturmeinungen bezüglich desselben Sach-
verhalts durchaus zu abweichenden, aber den-
noch „richtigen“ Ergebnissen kommen kann.
d) Abzinsung von Rückstellungen
Rückstellungen sind nach
IAS 37.45
ff. abzu-
zinsen, wenn der aus der Diskontierung resul-
tierende Effekt wesentlich ist. Der (die) zu ver-
wendende
Diskontierungssatz
(-sätze) ist
(sind) nach IAS 37.47 „ein Satz (Sätze)
vor
Steuern
6
, der (die) die aktuellen Markterwar-
tungen im Hinblick auf den Zinseffekt sowie
die
für die Schuld spezifischen Risiken
wider-
spiegelt“. D. h. Risiken, an welche die Schät-
zungen künftiger Cashflows angepasst wurden,
dürfen keine Auswirkung auf den (die) Abzin-
sungssatz (-sätze) haben. Dieser letzte Satz in
IAS 37.47 ist vielleicht etwas „arg technisch“
formuliert. Einfacher ausgedrückt bedeutet
dies, dass die
Risiken aus der Schätzung
entweder im Diskontierungssatz nach IAS
37.47 oder in der Schätzung der Cashflows
nach IAS 37.43
berücksichtigt werden müs-
sen. Damit wird dann auch dem in IAS 37.43
beschriebenen „Vorsichtsprinzip“ Rechnung
getragen.
Werden Rückstellungen nach dem erstmaligen
Ansatz aufgezinst, ist der
Aufwand aus der
Aufzinsung
gemäß
IAS 37.60
als
Fremdkapi-
talkosten
(im Finanzergebnis) zu erfassen.
Bewertung einer einzelnen Verpflichtung
(„a single obligation“)
Wenn eine
einzelne Verpflichtung
(z. B. ein
Schadensersatzprozess) bewertet wird, ist ent-
sprechend
IAS 37.40
in der Regel das
wahr-
scheinlichste Ergebnis
zurückzustellen. Aber
auch in einem derartigen Fall verlangt das IASB
dennoch die Betrachtung der Möglichkeit ande-
rer Ergebnisse. „Wenn andere mögliche Ergeb-
nisse entweder größtenteils über oder größten-
teils unter dem wahrscheinlichsten Ergebnis
liegen, ist die bestmögliche Schätzung ein hö-
herer bzw. niedrigerer Betrag. …“
Liest man die gesamte Passage einschließlich
des dazu dargestellten Beispiels, dann klingt
selbst dieses auf Anhieb nicht unmittelbar ver-
ständlich. Auch die
Literaturmeinungen
ge-
hen deshalb hierzu
deutlich auseinander
. Das
dahinter liegende Problem soll an folgendem
Sachverhalt veranschaulicht werden:
Sachverhalt:
Die Müller AG ist Beklagte in einem Rechts-
streit wegen angeblicher Verletzung von Pa-
tentrechten. Es wird erwartet, dass das Ge-
richt im Laufe des Jahres 02 ein Urteil fällt.
Sachverständige und Rechtsanwälte erwar-
ten mit einer Wahrscheinlichkeit von 20%,
dass die Klage abgewiesen wird. Wenn
nicht, dann ist davon auszugehen, dass die
Müller AG mit einer Wahrscheinlichkeit von
60% den Betrag von 200 T€ und mit einer
Wahrscheinlichkeit von 40% den Betrag von
500 T€ bezahlen muss.
In welcher Höhe muss die Müller AG zum
31.12.01 eine Rückstellung bilden?
Lösung:
1) Ansatz
Der Ansatz einer Rückstellung ist in diesem
Fall zu bejahen, da die Müller AG mit einer
Wahrscheinlichkeit von 80% den Rechts-
streit verlieren wird. Die Kriterien für den
Ansatz einer Rückstellung nach IAS 37.14
sind allesamt erfüllt. Es liegen Meinungen
von Sachverständigen gemäß IAS 37.16 vor.
Zudem ist das Kriterium „more likely than
not“ gemäß IAS 37.23 erfüllt.
2) Bewertung
Es handelt sich um eine „single obligation“.
Nach IAS 37.40 wäre demnach das
wahr-
CM Mai / Juni 2016
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