 
          
            41
          
        
        
          e) Berücksichtigung von Erstattungen
        
        
          Eventuelle Erstattungsbeträge von Dritten, z. B.
        
        
          von Versicherungen oder Gewährleistungen
        
        
          von Lieferanten, sind nur unter den in
        
        
          IAS
        
        
          37.53
        
        
          ff.
        
        
          dargestellten Voraussetzungen zu be-
        
        
          rücksichtigen. Danach muss der Erstattungs-
        
        
          anspruch
        
        
          so gut wie sicher
        
        
          sein („
        
        
          virtually
        
        
          certain
        
        
          “). Dies erfordert nach der üblichen
        
        
          Auffassung in der Literatur eine Wahrschein-
        
        
          lichkeit von 90 – 95%. In diesen Fällen ist die
        
        
          Rückstellung aber dennoch vom bilanzierenden
        
        
          Unternehmen in voller Höhe zu erfassen. Der
        
        
          Erstattungsanspruch ist hingegen als separater
        
        
          Vermögenswert zu bilanzieren. In der GuV
        
        
          7
        
        
          kann
        
        
          nach
        
        
          IAS 37.54
        
        
          entgegen dem grund-
        
        
          sätzlichen Saldierungsverbot nach IAS 1.32
        
        
          hingegen eine Saldierung des Ertrags aus dem
        
        
          Erstattungsanspruch mit dem Aufwand für die
        
        
          Rückstellung erfolgen.
        
        
          f)  Auflösung und Verbrauch von
        
        
          Rückstellungen
        
        
          Ansatz und Bewertung von Rückstellungen
        
        
          sind nach
        
        
          IAS 37.59
        
        
          zu jedem Bilanzstichtag
        
        
          neu zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
        
        
          Sind die Kriterien für die Passivierung einer in
        
        
          früheren Jahren gebildeten Rückstellung nicht
        
        
          mehr erfüllt, ist die
        
        
          Rückstellung aufzulösen
        
        
          .
        
        
          Wo exakt in der GuV die Auflösung auszuwei-
        
        
          sen ist, ist dem Standard nicht eindeutig zu
        
        
          entnehmen. Hier kommt es deshalb zu der
        
        
          häufig vom IASB diskutierten sog. „
        
        
          diversity
        
        
          in practice
        
        
          “. Vielfach findet sich in der Praxis
        
        
          die Vorgehensweise, die ertragswirksame Auf-
        
        
          lösung in der GuV in jener Position zu zeigen, in
        
        
          welcher auch die aufwandswirksame Zufüh-
        
        
          rung gezeigt wurde. Andere Unternehmen prä-
        
        
          ferieren den Weg über den Ausweis der Auflö-
        
        
          sung in einer eigenen GuV-Position „sonstige
        
        
          betriebliche Erträge“.
        
        
          8
        
        
          Der
        
        
          Verbrauch
        
        
          bzw. die
        
        
          Inanspruchnahme
        
        
          einer Rückstellung
        
        
          darf nach
        
        
          IAS 37.61 f.
        
        
          nur
        
        
          für diejenigen Zwecke erfolgen, für die die
        
        
          Rückstellung ursprünglich gebildet wurde.
        
        
          Wesentliche Rückstellungsarten
        
        
          Neben den bereits im Zusammenhang mit Ansatz
        
        
          und/oder Bewertung diskutierten Rückstellungs-
        
        
          arten werden vom IASB in
        
        
          IAS 37.63 ff.
        
        
          weitere
        
        
          scheinlichste Ergebnis
        
        
          zurückzustellen.
        
        
          Dies wären in diesem Fall
        
        
          200 T€
        
        
          .
        
        
          Der
        
        
          Erwartungswert
        
        
          für die Verpflichtung
        
        
          beträgt gemäß IAS 37.39 hingegen:
        
        
          80% x ( (60% x 200 T€) + (40% x 500 T€) )
        
        
          =
        
        
          256 T€
        
        
          Welches der beiden Ergebnisse ist nun aber
        
        
          „richtig“?
        
        
          Aus dem „Education Programm“ des
        
        
          IASB
        
        
          selbst kann man entnehmen, dass dieses of-
        
        
          fensichtlich – allerdings ohne nähere Begrün-
        
        
          dung – auch für die Lösung dieses Falles den
        
        
          Erwartungswert
        
        
          präferiert. Die
        
        
          KPMG
        
        
          4
        
        
          lehnt
        
        
          diese Lösung hingegen explizit ab und lässt für
        
        
          diesen Fall nur das
        
        
          wahrscheinlichste
        
        
          Ergeb-
        
        
          nis zu. Die
        
        
          PWC
        
        
          5
        
        
          erachtet wohl beide Varianten
        
        
          als zulässig. Es handelt sich hierbei insoweit
        
        
          um ein einfach nachvollziehbares Beispiel, dass
        
        
          es in der Praxis bereits mittels verschiedener
        
        
          Literaturmeinungen bezüglich desselben Sach-
        
        
          verhalts durchaus zu abweichenden, aber den-
        
        
          noch „richtigen“ Ergebnissen kommen kann.
        
        
          d)  Abzinsung von Rückstellungen
        
        
          Rückstellungen sind nach
        
        
          IAS 37.45
        
        
          ff. abzu-
        
        
          zinsen, wenn der aus der Diskontierung resul-
        
        
          tierende Effekt wesentlich ist. Der (die) zu ver-
        
        
          wendende
        
        
          Diskontierungssatz
        
        
          (-sätze) ist
        
        
          (sind) nach IAS 37.47 „ein Satz (Sätze)
        
        
          vor
        
        
          Steuern
        
        
          6
        
        
          , der (die) die aktuellen Markterwar-
        
        
          tungen im Hinblick auf den Zinseffekt sowie
        
        
          die
        
        
          für die Schuld spezifischen Risiken
        
        
          wider-
        
        
          spiegelt“. D. h. Risiken, an welche die Schät-
        
        
          zungen künftiger Cashflows angepasst wurden,
        
        
          dürfen keine Auswirkung auf den (die) Abzin-
        
        
          sungssatz (-sätze) haben. Dieser letzte Satz in
        
        
          IAS 37.47 ist vielleicht etwas „arg technisch“
        
        
          formuliert. Einfacher ausgedrückt bedeutet
        
        
          dies, dass die
        
        
          Risiken aus der Schätzung
        
        
          entweder im Diskontierungssatz nach IAS
        
        
          37.47 oder in der Schätzung der Cashflows
        
        
          nach IAS 37.43
        
        
          berücksichtigt werden müs-
        
        
          sen. Damit wird dann auch dem in IAS 37.43
        
        
          beschriebenen „Vorsichtsprinzip“ Rechnung
        
        
          getragen.
        
        
          Werden Rückstellungen nach dem erstmaligen
        
        
          Ansatz aufgezinst, ist der
        
        
          Aufwand aus der
        
        
          Aufzinsung
        
        
          gemäß
        
        
          IAS 37.60
        
        
          als
        
        
          Fremdkapi-
        
        
          talkosten
        
        
          (im Finanzergebnis) zu erfassen.
        
        
          Bewertung einer einzelnen Verpflichtung
        
        
          („a single obligation“)
        
        
          Wenn eine
        
        
          einzelne Verpflichtung
        
        
          (z. B. ein
        
        
          Schadensersatzprozess) bewertet wird, ist ent-
        
        
          sprechend
        
        
          IAS 37.40
        
        
          in der Regel das
        
        
          wahr-
        
        
          scheinlichste Ergebnis
        
        
          zurückzustellen. Aber
        
        
          auch in einem derartigen Fall verlangt das IASB
        
        
          dennoch die Betrachtung der Möglichkeit ande-
        
        
          rer Ergebnisse. „Wenn andere mögliche Ergeb-
        
        
          nisse entweder größtenteils über oder größten-
        
        
          teils unter dem wahrscheinlichsten Ergebnis
        
        
          liegen, ist die bestmögliche Schätzung ein hö-
        
        
          herer bzw. niedrigerer Betrag. …“
        
        
          Liest man die gesamte Passage einschließlich
        
        
          des dazu dargestellten Beispiels, dann klingt
        
        
          selbst dieses auf Anhieb nicht unmittelbar ver-
        
        
          ständlich. Auch die
        
        
          Literaturmeinungen
        
        
          ge-
        
        
          hen deshalb hierzu
        
        
          deutlich auseinander
        
        
          . Das
        
        
          dahinter liegende Problem soll an folgendem
        
        
          Sachverhalt veranschaulicht werden:
        
        
          Sachverhalt:
        
        
          Die Müller AG ist Beklagte in einem Rechts-
        
        
          streit wegen angeblicher Verletzung von Pa-
        
        
          tentrechten. Es wird erwartet, dass das Ge-
        
        
          richt im Laufe des Jahres 02 ein Urteil fällt.
        
        
          Sachverständige und Rechtsanwälte erwar-
        
        
          ten mit einer Wahrscheinlichkeit von 20%,
        
        
          dass die Klage abgewiesen wird. Wenn
        
        
          nicht, dann ist davon auszugehen, dass die
        
        
          Müller AG mit einer Wahrscheinlichkeit von
        
        
          60% den Betrag von 200 T€ und mit einer
        
        
          Wahrscheinlichkeit von 40% den Betrag von
        
        
          500 T€ bezahlen muss.
        
        
          In welcher Höhe muss die Müller AG zum
        
        
          31.12.01 eine Rückstellung bilden?
        
        
          Lösung:
        
        
          1) Ansatz
        
        
          Der Ansatz einer Rückstellung ist in diesem
        
        
          Fall zu bejahen, da die Müller AG mit einer
        
        
          Wahrscheinlichkeit von 80% den Rechts-
        
        
          streit verlieren wird. Die Kriterien für den
        
        
          Ansatz einer Rückstellung nach IAS 37.14
        
        
          sind allesamt erfüllt. Es liegen Meinungen
        
        
          von Sachverständigen gemäß IAS 37.16 vor.
        
        
          Zudem ist das Kriterium „more likely than
        
        
          not“ gemäß IAS 37.23 erfüllt.
        
        
          2) Bewertung
        
        
          Es handelt sich um eine „single obligation“.
        
        
          Nach IAS 37.40 wäre demnach das
        
        
          wahr-
        
        
          
            CM Mai / Juni 2016