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In diesem Teil 2 unseres Beitrages zur Bilanzie-
rung von Rückstellungen nach IFRS, HGB und
Bilanzsteuerrecht erläutern wir insbesondere
die
Vorgaben des IAS 37 zur Bewertung von
Rückstellungen nach IFRS
sowie die zentra-
len
Unterschiede zum deutschen HGB und
Bilanzsteuerrecht
.
Bewertung von Rückstellungen nach IAS 37
a) Grundlagen
Rückstellungen sind nach
IAS 37.36 ff.
in Höhe
des Betrags zu bilden, mit dem bei
bestmögli-
cher Schätzung („best estimate“)
zu rech-
nen ist, um die gegenwärtige Verpflichtung
zu
erfüllen oder auf einen Dritten übertragen
zu können. Diese Schätzungen sind nach
IAS
37.38
explizit abhängig von „
Bewertungen
(„judgement“)
des Managements
“. Diese
Ur-
teilsfindung
des Managements soll dabei auf
Erfahrungswerten
aus ähnlichen Transaktio-
nen
und
„gelegentlich“ auch
unabhängigen
Sachverständigengutachten
basieren. Hier-
bei sind alle zusätzlichen nach der Berichtspe-
riode bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Ab-
schlusses bekannt gewordenen Erkenntnisse
zu berücksichtigen.
1
b) Bewertung zu Vollkosten oder
(Teil- bzw.) Grenzkosten?
Die Ausführungen in IAS 37.37 sind hierzu wie
folgt: „Die bestmögliche Schätzung der zur Er-
füllung der gegenwärtigen Verpflichtung erfor-
derlichen Ausgabe ist der Betrag, den das Un-
ternehmen bei vernünftiger Betrachtung
zur
Erfüllung der Verpflichtung
zum Abschluss-
stichtag
oder zur Übertragung auf einen
Dritten
zu diesem Termin zahlen müsste. …“
Diese
Ausführungen
sind in der Tat
inter-
pretationsbedürftig
und in der Kommentar-
literatur auch nicht eindeutig. Nach
unserer
Auffassung
spricht allerdings einiges dafür,
dass man aus dieser Passage eher eine
Be-
wertung von Rückstellungen zu Vollkos-
ten
, d. h. unter Einbeziehung von Gemeinkos-
ten ableitet.
2
Insoweit würde bei der Bewer-
tung von Rückstellungen auch eine „Konver-
genz“ zu der Bewertung der Vorräte nach IAS
2 bestehen.
3
c) Berücksichtigung von Unsicherheiten
Nach
IAS 37.39
werden „
Unsicherheiten
in
Bezug auf den als Rückstellung anzusetzenden
Betrag
in Abhängigkeit von den Umständen
unterschiedlich behandelt“. Hierbei wird vom
Standard wie folgt unterschieden:
Bewertung einer großen Anzahl von Positi-
onen („a large population of items“)
Wenn die zu bewertende Rückstellung eine
gro-
ße Anzahl von Positionen
(z. B. Verpflichtun-
gen aus Gewährleistungen) umfasst, wird nach
IAS 37.39
die Verpflichtung durch Gewichtung
aller möglichen Ergebnisse mit den damit ver-
bundenen Wahrscheinlichkeiten geschätzt (sog.
Erwartungswertmethode
). Zur
Illustration
dieser Methode folgendes Beispiel in Anlehnung
an den Standard zur Veranschaulichung:
Sachverhalt:
Die Müller AG verkauft Güter mit einer Ga-
rantie, nach der Kunden eine Erstattung
der Reparaturkosten für Produktionsfehler
erhalten, die innerhalb der ersten sechs
Monate nach Kauf entdeckt werden. Bei
kleineren Fehlern an allen verkauften Pro-
dukten würden Reparaturkosten in Höhe
von 3 Mio. € entstehen. Bei größeren Feh-
lern an allen verkauften Produkten würden
Reparaturkosten in Höhe von 12 Mio. €
entstehen. Erfahrungswert und künftige
Erwartungen des Unternehmens deuten
darauf hin, dass 90% der verkauften Güter
keine Fehler haben werden, 9% kleinere
Fehler und 1% größere Fehler aufweisen
dürften.
Lösung:
1) Ansatz
Zunächst könnte man bei diesem Sachver-
halt vielleicht sogar auf die Idee kommen,
dass gar keine Rückstellung anzusetzen ist,
da in 90% der Fälle keine Fehler auftreten.
Dem ist aber nach IAS 37.24 sowie der ex-
pliziten Aussage in IAS 37.39 nicht so. Bei
einer
Vielzahl ähnlicher Verpflichtun-
gen
(z. B. Produktgarantien) wird die Wahr-
scheinlichkeit – also das Kriterium „more
likely than not“ – eines Mittelabflusses für
die Gruppe der Verpflichtungen insge-
samt
bestimmt.
2) Bewertung
Der
Erwartungswert
für die Reparaturkos-
ten beträgt gemäß IAS 37.39:
(90% von 0) + (9% von 3 Mio. €) + (1% von
12 Mio. €) =
390 T€
Accounting & Controlling: es wächst zusammen,
was zusammen gehört!
– Teil 2 –
Bilanzierung von Rückstellungen nach IFRS, HGB und Bilanzsteuerrecht
von Thomas Amann und Carsten Ernst
Bilanzierung von Rückstellungen nach IFRS, HGB und Bilanzsteuerrecht