CONTROLLER Magazin 4/2015 - page 16

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Die Neuauflage eines Lehrbuchs zu schreiben,
ist stets Gelegenheit, über ein bekanntes Feld
noch einmal ganz neu nachzudenken – und das
ist der Anlass für diese Kolumne. In meinem
Fall geht es um das
Thema wertorientierte
Steuerung
. Die Auflage unsres 2004 erschie-
nenen Lehrbuchs ist verkauft, der Verlag hat
uns zu einer Neuauflage überredet.
Vor gut zehn Jahren haben wir – aufbauend auf
der Erfahrung von vier DAX 30-Konzernen – das
damals in Deutschland noch wenig bekannte, zu-
mindest aber kaum verbreitete Steuerungskon-
zept aus einer Controllingsicht heraus analysiert.
Diese Analyse lieferte im Kern drei Erkenntnisse:
(1)
Die
konsequente Ausrichtung an
der Pers-
pektive des
Kapitalmarkts
schafft für das Ma-
nagement eine
zusätzliche
und zudem sehr
hilfreiche neue Perspektive. (2) Wertorien-
tierte Steuerung bedeutet
– soll sie erfolgreich
sein – weit mehr als die Implementierung wert-
orientierter Kennzahlen. Letztlich müssen
alle
Führungsbereiche entsprechend angepasst
werden.
(3)
Das eigentliche Problem von Wert-
orientierung ist die
vergleichsweise kompli-
zierte Operationalisierung des Konzepts
man denke nur an die weit über Hundert An-
passungen, die im Konzept des Economic Value
Added vorgeschlagen werden.
In der Folge hat sich das Konzept dann – des-
halb? – auch weit weniger stark in der Praxis
durchgesetzt, als dies seine Protagonisten
(insbesondere Unternehmensberatungen) den
Unternehmen suggeriert hatten. Insbesondere
wurden die bestehenden Implementierungen
mit der Zeit immer weiter vereinfacht. Somit
haben wir eine paradoxe Situation vor uns: Auf
der einen Seite ermöglicht die systematische
Einbeziehung der Perspektive des Kapital-
markts bessere Entscheidungen des Manage-
ments. Auf der anderen Seite wird das Ma-
nagement mit den neuen Steuerungsgrößen
nicht wirklich warm. Sie erscheinen den Mana-
gern als zu kompliziert, zu wenig intuitiv ver-
ständlich, und das trotz umfangreicher Schu-
lungsmaßnahmen und trotz der Tatsache, dass
immer mehr junge Manager das Thema Wert-
orientierung an den Hochschulen „von der Pike
auf“ gelernt haben.
Wo liegt das Problem?
Ein zweites Beispiel: Wir kennen alle die Kapi-
talwertmethode zur Beurteilung der Wirt-
schaftlichkeit einer Investition. Die mit letzterer
verbundenen Einzahlungs- und Auszahlungs-
ströme werden ermittelt und mit einem be-
stimmten Zinssatz diskontiert. Ist der Kapital-
wert positiv, rechnet sich die Investition, im
anderen Fall nicht. Die Methode ist dabei mitt-
lerweile so sehr common sense, dass man
leicht eine zentrale der Rechnung zugrundelie-
gende Annahme vergisst: die, dass die Investi-
tion exakt festliegt, also quasi in einem Zuge
kalkuliert werden kann. Viele Investitionen
passen aber nicht in dieses Raster. So kann
man z. B. zunächst mit einem geringen Betrag
in einen neuen Markt investieren und später –
bei sich einstellendem Erfolg – weitere Investi-
tionen anschließen. Die erste Investition hat
damit einen Optionscharakter, und wir wissen
aus der Finanztheorie, dass Optionen einen
positiven Wert besitzen. Nur die direkten Zah-
lungsströme zu berücksichtigen, greift in ei-
nem solchen Fall zu kurz. Man muss vielmehr
eine Optionswertberechnung machen (Re-
aloptionen). Diese ist allerdings hochkompli-
ziert. Insofern findet man zwar in den meisten
(großen) Unternehmen Mitarbeiter, die die
Rechnung beherrschen, aber nur sehr wenige
Unternehmen, in denen Realoptionsrechnun-
gen ein zugelassenes Verfahren im Investi-
tionscontrolling sind.
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus Val-
nationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Entscheidung oder
Kommunikation
von Jürgen Weber
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