personalmagazin 9/2018 - page 68

Digitale Transformation
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Und was blieb als Rolle der Konzernorganisation?
Als auf Konzernebene gesehen wurde, dass diese agilen Ele-
mente tatsächlich schon genutzt werden, wurde mit der Per-
sonalstrategie eine Art virtuelles Team für unterschiedliche
Einheiten aufgebaut. Ziel war, Lösungen dafür zu finden, dass
die Menschen, die selbstständig und agil unterwegs waren, nicht
an den Hindernissen, die ein Konzern mitbringt, scheitern. Es
hat sich als Ziel gesetzt, die unterschiedlichen Initiativen im
Konzern einzusammeln, ihnen ein Forum oder auch eine Stim-
me gegenüber den großen zentralen Gruppenfunktionen zu
geben. Wir bieten den unterschiedlichen Initiativen, ganz egal
aus welchem Grund heraus sie entstanden sind, die Möglichkeit
zur Vernetzung und zum Austausch, sowohl innerhalb der DB
AG als auch mit anderen externen Unternehmen.
Wie sieht die Zukunft aus? Ist es das Ziel, dass der gesamte
DB Konzern agil wird?
Natürlich wird die DB AG niemals in Gänze als agiles Unterneh-
men funktionieren, wenn Sie dabei von solchen Reinkulturen
ausgehen, wie man sie aus kleinen und mittelständischen Unter-
nehmen kennt. Was die DB aber auf jeden Fall sein wird: eine
Vielzahl von unterschiedlichen, sehr stark auf die Kundenbe-
dürfnisse, auf die organisatorischen Bedürfnisse ausgerichteten
Government-Frameworks, die mal mehr und mal weniger agil
sind. Deshalb glaube ich, dass wir dieses Ideal der agilen Orga-
nisation quasi schon überschritten haben und uns auf einem
Pfad befinden in eine lernende, sich wandelnde Organisation.
Der Wandel, den wir hier angestoßen haben, der hat dazu ge-
führt, dass die Organisation eine höhere Bereitschaft hat für
konstanten Wandel.
Sie sehen eine lernende, wachsende Organisation als Weiter-
entwicklung eines agilen Unternehmens?
Auch komplett agile Unternehmen werden sich wieder wan-
deln müssen. Bis zu einem bestimmten Grad können sie das
problemlos organisieren. Wenn ein Unternehmen aber erst mal
eine bestimmte Größe erreicht hat, muss es sich immer wieder
zentral rebooten, um quasi in diese Veränderungsprozesse ein-
zutreten. Wir sind eine Art Brutkasten für unterschiedliche
organisatorische Modelle, die sich immer wieder auf bestimmte
zentrale Schnittstellen konzentrieren. Man definiert quasi eine
Bandbreite, die den Raum der Möglichkeiten, in dem man sich
bewegen kann, aufzeigt, aber keiner ist gezwungen, sich inner-
halb dieses Raums auf bestimmte Positionen festzulegen.
Das heißt, der Lernprozess findet in beide Richtungen statt?
Das ist sozusagen die Idealvorstellung aus der systemischen Pers­
pektive. Es ist ja nicht so, dass die Hierarchie immer versagt – in
verschiedenen Situationen kann sie die adäquate Lösung sein.
Wenn Sie in einem agilen Raum in eine Krise geraten, kann es
durchaus positiv sein, sich auch am alternativen Lösungspfad
orientieren zu können. Dann könnten Sie beispielsweise für
einen bestimmten Zeitraum zurück in die eher traditionelle
Form gehen, um dann später wieder stärker zurückzukehren.
Diese Offenheit hat man oft nicht, weil die Liebe zum System das
überlagert. Durch die Vielfalt, die wir versuchen aufzubauen und
sichtbar zu machen, können wir das strukturelle Beharrungs-
vermögen, diese Shadow sides der großen Konzerne, vielleicht
etwas auflösen.
Wo sind die Bereiche bei der DB, in denen Agilität nicht
möglich ist?
Ich persönlich glaube, dass alles agil werden kann. Ich stelle
aber fest, dass man in Bezug auf die Agilisierung sehr demütig
sein sollte, wenn man einen hohen Anteil an Blue-Collar-Mit-
arbeitern hat. Denn der Transformationsprozess dauert hier
einfach länger. Das hängt häufig an den Führungskräften, deren
Erwartungshaltung zu hoch ist. Empowerment auf der Ebene der
Blue-Collar-Mitarbeiter bedeutet nicht, dass alle Leute Unter-
nehmer werden – die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der 25
Jahre an der Stanzmaschine gestanden hat, plötzlich Entre-
preneur werden will, ist relativ gering. Wenn aber in einer agilen
Organisation für eine Lösung, bevor sie implementiert wird,
das Feedback der Mitarbeiter eingeholt wird und diese soweit
empowered sind, dass sie zum einen über die Konsequenzen
nachdenken können und zum anderen aus ihrer operativen
Erfahrung, ihr Erfahrungswissen mit einbringen können, ist
Agilität für mich auf dieser Ebene erreicht. Dann hat man den
Feedbackprozess, der so wichtig ist für die Unternehmen, um
schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
Gibt es einen Zeitplan oder läuft der lernende Prozess für
die Ewigkeit?
Ich habe die große Hoffnung, dass es keinen Zeitplan geben wird.
Das ergibt keinen Sinn. Sie können Selbstorganisation und Agili-
tät nicht verordnen, mit intelligenten und agilen Frameworks
kann auch sehr hierarchisch Kontrolle ausgeübt werden. Der
Fortschritt in der Agilität hängt stark davon ab, wie die Themen
gelebt werden. Fundamentale Veränderungen der Strukturen auf
Arbeitsebene bekommt man nicht von heute auf morgen hin,
man muss sich viel Zeit nehmen und Geduld haben.
„Die DB wird nie
völlig agil sein. Sie
wird eine Vielzahl
von unterschiedlichen
Government-Frame­
works sein, die mal
mehr und mal weniger
agil sind. So haben wir
das Ideal der agilen
Organisation quasi
schon überschritten.“
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