personalmagazin 9/2018 - page 37

New Work
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Selbstständigen, die regelmäßig oder manchmal von zu Hause
aus arbeiten, in den vergangenen 20 Jahren leicht rückläufig.
Damit bewegt sich Deutschland gegen den EU-Trend und weist
im europäischen Vergleich eine unterdurchschnittliche Nutzung
von Homeoffice auf. Circa zwölf Prozent der Arbeitnehmer arbei-
ten zu Hause. Zwei Drittel derer, die Homeoffice nicht nutzen,
würden gerne zu Hause arbeiten und nach subjektiver Einschät-
zung der Befragten wäre dies auch für 42 Prozent der Arbeits-
plätze möglich. Dies deutet darauf hin, dass es an Flexibilität
auf Seiten der Arbeitgeber mangelt. Die vorliegende empirische
Evidenz zu den Auswirkungen flexibler Arbeitsortgestaltung
kann diese Zurückhaltung nicht stützen: Homeoffice-Angebote
haben keinen negativen Effekt auf die Produktivität und zeigen
einen schwach positiven Zusammenhang zu Arbeitszufrieden-
heit, Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität. Auch lei-
det die Beziehungsqualität zu Vorgesetzten und Kollegen nicht,
solange die Arbeit nicht vollständig oder fast vollständig von zu
Hause erledigt wird. Dabei sollte das Angebot nicht auf einzelne
Beschäftigtengruppen wie zum Beispiel Eltern begrenzt werden.
Vielmehr profitieren alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen
von den Flexibilisierungsangeboten. Dies liegt darin begründet,
dass der positive Effekt aus der wahrgenommenen Autonomie
und Selbstbestimmung entsteht und weniger aus der verbesser-
ten Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
These 5 ist falsch.
These 6: Diversity macht
Unternehmen erfolgreicher.
Die Effekte von Diversität lassen sich auf der Ebene von Teams
im Vergleich zur Unternehmensebene sowohl theoretisch besser
fundieren als auch empirisch besser überprüfen. Relevant für die
Bewertung der Produktivitätseffekte ist die Art der Unterschied-
lichkeit, die bei der Teamzusammensetzung berücksichtigt wird.
Breit diskutiert werden in der Regel demografische Variablen wie
Alter oder Geschlecht und die Vor- oder Nachteile geschlechter-
und altersgemischter Teams. Allerdings haben diese Variablen
keinen positiven Einfluss auf den Teamerfolg. Auch die Zu-
sammenführung von Teammitgliedern aus unterschiedlichen
Kulturen hat im Durchschnitt keinen positiven Produktivitäts-
effekt. Geschickter ist die Gestaltung von aufgabenbezogener
Diversität, indem beispielsweise Beschäftigte aus unterschied-
lichen Funktionsbereichen in Teams zusammengeführt werden.
Dabei ist der positive Effekt erwartungsgemäß bei kreativen
Aufgaben größer als bei Routineaufgaben. Allerdings sind alle
untersuchten Effekte vergleichsweise gering. Einen stärkeren
Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg von Teams haben zum
Beispiel die Persönlichkeitseigenschaften der Teammitglieder.
These 6 ist – abhängig von der Art der Diversität – lediglich
tendenziell richtig.
These 4: Transparente
Gehälter führen zu mehr
Zufriedenheit.
Zu dieser New-Work-These liegen nur wenige belastbare Studien
vor, sodass die Antwort weitgehend auf theoretischen Überle-
gungen und indirekter empirischer Evidenz beruhen muss. Zwei
quantitative Unternehmensfallstudien untersuchen allerdings
den Effekt der Transparenz mit experimentellem Design: David
Card und Kollegen stellten für die Beschäftigten einer Universität
fest, dass unterdurchschnittliche Vergütung die Zufriedenheit
senkt, während überdurchschnittliche Vergütung nicht zu einer
Erhöhung der Zufriedenheit führt. Ockenfels, Sliwka und Werner
zeigen, dass eine als unterdurchschnittlich wahrgenommene
Vergütung bei Managern eines internationalen Konzerns die
Zufriedenheit und danach auch die Produktivität deutlich senkt,
während bei überdurchschnittlicher Bezahlung die Zufrieden-
heit nur leicht steigt. Die Befunde stimmen mit der umfassen-
dern in anderen Kontexten bestätigten Prospect-Theorie überein.
Im Durchschnitt wird die Zufriedenheit der Beschäftigten somit
sinken.
Aus theoretischer Perspektive ist neben der Prospect-Theorie
das Konzept der organisationalen Gerechtigkeit relevant. Eine
transparente Gehaltspolitik wird dann positive Folgen nach sich
ziehen, wenn die prozedurale und die Verteilungsgerechtig-
keit gestärkt werden. Die Wirkung lässt sich hier leider nicht
pauschal bewerten, sondern wird vielmehr davon abhängen,
welche Vorvermutungen die Beschäftigten über die tatsäch-
liche Vergütung haben und inwieweit die tatsächlichen realen
Gehälter als gerecht empfunden werden. Bezüglich der Vorver-
mutungen spielen zunehmend nicht nur Gerüchte innerhalb der
Belegschaft eine Rolle, sondern – zumindest aktuell in den USA
– auch Gehaltsvergleichsportale wie Glassdoor, deren Angaben
als Referenzpunkte herangezogen werden; wobei im Einzelfall
offen ist, ob die dort veröffentlichten Gehälter der realen Ver-
gütungspraxis in einem Unternehmen entsprechen. Darüber
hinaus ist entscheidend, wie eine transparente Vergütungspolitik
konsistent in das Gesamtgefüge der unternehmensspezifischen
Personalpraktiken eingebunden werden kann. Als isolierte per-
sonalpolitische Maßnahme wird Vergütungstransparenz in den
meisten Fällen kontraproduktiv wirken.
These 4 ist tendenziell falsch.
These 5: Das Arbeiten wird
mobil und ortsunabhängig.
Systematisch und repräsentativ erfasst werden Veränderungen
der Arbeitsortwahl über verschiedene nationale und internatio-
nale Beschäftigtenbefragungen wie beispielsweise das „Sozio-
ökonomische Panel“. Karl Brenke vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Entwicklung der Home­
office-Nutzung im Zeitverlauf näher betrachtet. Entgegen der
weit verbreitenden Rhetorik ist der Anteil der Arbeitnehmer und
PROF. DR. HEIKO WECKMÜLLER lehrt an der Hochschule
Koblenz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten als Professor für
„Human Resources“ zählt auch New Work.
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