New Work
39
Der Philosoph und Anthropologe Frithjof
Bergmann entwickelte vor rund vier Jahrzehnten
eine Vision für Neue Arbeit – und prägte damit
den Begriff „New Work“. Sein philosophisch-
praktischer Ansatz entstand im Umfeld der US-
amerikanischen Automobilindustrie, die aufgrund
zunehmender Technologisierung massiv
Arbeitsplätze abzubauen drohte, war jedoch auch
als Gegenmodell zum Kapitalismus gedacht.
Wir sprachen mit dem österreich-stämmigen
New-Work-Begründer darüber, was aus seiner
Ursprungsidee in der Praxis geworden ist.
Interview Stefanie Hornung, Fotos Scott Mann
Personalmagazin: Herr Bergmann, der Begriff „New Work“
hat in den vergangenen Jahren eine Erfolgsgeschichte erlebt.
Viele Unternehmen behaupten, dass sie ihre Organisation
danach ausrichten. Wie beurteilen Sie das, was Sie dort be-
obachten?
Frithjof Bergmann: Ich sehe das nicht nur mit Zufriedenheit,
Freude und Begeisterung. Die Ursprungsidee ist nicht vollkom-
men entstellt worden. Aber was ich damit zu erreichen versucht
habe, ist nicht deutlich genug.
Was versuchten Sie damals mit Ihrer Ursprungsidee konkret
zu erreichen?
Der ursprüngliche Gedanke war ein sehr krasser und doch
einfacher: Ich habe in den 1970er-Jahren bei General Motors
in Flint, Michigan, gearbeitet. Dort hatte man ein ähnliches
Problem wie heute: Die Digitalisierung schritt dramatisch vo
ran. Man setzte immer mehr Computer ein und das bedeutete,
dass es Massenentlassungen geben würde. Doch die Digitalisie-
rung schafft ja nicht die ganze Arbeit ab, sondern verkürzt sie
nur. Deshalb habe ich vorgeschlagen, die Hälfte der Arbeitszeit
sollte man am Fließband erledigen und in der andere Hälfte
der Arbeitszeit herausfinden, was man wirklich, wirklich will.
Als Verhandlungsführer habe ich dem Management gegenüber
betont, dass es dabei nicht nur darum geht, Entlassungen zu
verhindern. In der freien Zeit, die die Arbeiter durch die Digita-
lisierung gewinnen, sollten sie die Möglichkeit haben, mit sehr
viel Unterstützung ihre Berufung zu finden. Mir ging es also vor
allem um diese Unterstützung. Das wird in der Presse dauernd
falsch dargestellt oder übergangen. Wir brauchen neue Schulen,
Institutionen, Herangehensweisen und Möglichkeiten, mit den
Menschen ins Gespräch zu kommen. Dafür haben wir die Zen-
tren für Neue Arbeit aufgebaut – das erste gab es in Mumbai,
aktuell entsteht eines in Oberösterreich.
Welche Art der Unterstützung bieten Sie in einem „Zentrum
für Neue Arbeit“?
Im Grunde ist das „Trial and Error“. Für den Prozess des
Herauskriegens muss man verschiedene Arten von Arbeit ver-
suchen. So kommt man schrittweise näher und bemerkt irgend-
wann, jetzt tue ich etwas, das mir entspricht. Man braucht viel
Raum zum Experimentieren, viel Zeit und Energie. Wenn man
das vereinfacht und verflacht, kann nichts Anständiges dabei
herauskommen. Gerade jetzt, wenn alle von New Work reden,
wird das gern unter den Teppich gekehrt.