personalmagazin 9/2018 - page 43

New Work
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ist und die Welt erklärte. Mein eigentliches Anliegen war
es offensichtlich, darüber zu reden, wie das Leben funktio-
niert. Ob ich es nun wollte oder nicht, das, was ich konnte,
war Philosophie. Diese Erkenntnis war zunächst wie ein
Schlag auf die Nase. Meine Freunde haben mir gesagt, das
ist nicht das richtige Du – und sie hatten recht. Sie haben
mir geholfen, das zu akzeptieren, was ich selbst nur mit
großer Schwierigkeit erkennen konnte.
Gab es das auch einmal umgekehrt, dass Ihre Familie
oder Freunde etwas von Ihnen erwartet haben, das Sie
nicht wirklich wollten oder konnten?
Mein Vater war Pfarrer und wollte unbedingt, dass ich
auch Pfarrer würde. Das war das Leben, das für mich ge-
plant war. Ich sollte Theologie studieren und predigen. Gott
sei Dank habe ich das nicht getan!
Sie haben vorhin angesprochen, dass das Wirklich-
wirklich-Wollen auch etwas Religiöses haben kann.
Integrieren Sie doch das Erbe Ihres Vaters in Ihr Wirken?
Es ist nicht leicht für mich, diese Frage ehrlich zu be-
antworten. Eigentlich glaube ich nein. Das Wirklich-wirk-
lich-Wollen ist mehr atheistisch. Vielleicht irre ich mich
aber auch und lüge mich an. Ich traue mir nie ganz, finde
aber schon, dass ich als intuitiver Mensch an mein Wirk-
lich-Wollen recht geschickt herangegangen bin. Und ich
habe fest vor, das in den Jahren, die mir noch bleiben,
weiterhin zu tun.
Was ist Ihre Vorstellung, wo es mit NewWork in Zukunft
hingehen soll?
Heute berufen sich viele Leute auf das, was ich am Anfang
laut in die Welt trompetet habe. Aber das war nicht immer
so. Eine Zeitlang hatte ich das Gefühl, die Neue Arbeit habe
sich leer gelaufen und daraus wird nichts Großes und Auf-
regendes mehr. Nun ist New Work wieder sehr gefragt,
vermutlich wegen der rapiden Digitalisierung, aber auch
weil die Menschen eine Veränderung spüren, die in der Luft
liegt. Damit hat sich mein Lebensplan sehr verändert. Wenn
meine Gesundheit mitspielt, werde ich gerne daran teil-
haben, wie die Neue Arbeit globalisiert wird. Demnächst
soll mein Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ erstmals auf
Englisch erscheinen. In Mexiko wurde gerade gewählt. Und
der neue Präsident Lopez Obrador ist möglicherweise emp-
fänglich für die Ideen der Neuen Arbeit. Vielleicht kann ein
Gespräch zwischen uns stattfinden. Ich möchte noch ein-
mal ausprobieren, ob ich die Neue Arbeit im Ernst verwirk-
lichen kann – und dafür in verschiedenen Ländern darüber
sprechen, was New Work wirklich ist.
Das Interview führte STEFANIE HOR-
NUNG, freie Journalistin in Tübingen.
Sie fuhr nach Österreich, um Frithjof
Bergmann zu treffen. Leider war er
gesundheitsbedingt nicht vor Ort,
sodass das Interview an drei Terminen
über Skype stattfinden musste.
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