personalmagazin 9/2018 - page 53

Personalmagazin: Wennman die öffentliche Debatte umden
Robotereinsatz verfolgt, bekommt man den Eindruck, dass
diese quasi imHandumdrehenmenschliche Tätigkeiten er-
lernen und viele Jobs ersetzen können. Stimmt das?
Rainer Bischoff: Das kann man nicht so stehen lassen. Es
stimmt, dass viele behaupten, Roboter seien einfach zu pro-
grammieren oder bereits in der Lage, signifikante Tätigkeiten
direkt vom Menschen zu lernen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Man braucht heute immer noch Spezialisten, die ganze Anlagen
planen und Roboter in diese integrieren und in Betrieb nehmen.
Ganz zu schweigen von den Prozessexperten, die den Robotern
zeigen, wie sie zu schweißen, zu kleben und zu montieren ha-
ben, damit die bei roboterbasierten Automatisierungsprozessen
viel zitierte Qualität entsteht. Roboter sind heute in der über-
wiegenden Anzahl nach wie vor einfach für wiederkehrende
Tätigkeiten gedacht und taugen nur für eine sogenannte starre
Automatisierung. Das heißt, sie brauchen viele Vorrichtungen,
mit denen Bauteile so positioniert werden, dass die Roboter sie
blind erreichen können. Das hat nicht viel mit intelligentem Ver-
halten zu tun. Das höchste der Gefühle ist es, wenn Kameras oder
Kraftmomentensensoren eingesetzt werden, die dabei helfen,
Fertigungsprozesse auf Bauteilvarianzen adaptieren zu können.
Arbeitsplätze, in denen Roboter Hand in Hand mit dem Men-
schen arbeiten, gibt es bisher nur sehr wenige. Heutige „Cobots“
sind einfach noch nicht kompetent, intelligent und sicher genug,
um als Geselle dem Menschen hilfreich dienen zu können.
Sind Roboter also gar nicht die Zukunft?
Doch, der roboterbasierten Automatisierung gehört die Zu-
kunft, sowohl in der Produktion als auch im Dienstleistungs-
sektor. Die Unternehmen, die seit vielen Jahren auf Automati-
sierung gesetzt haben, schaffen sogar Arbeitsplätze. Durch den
Einsatz von Robotern haben sie eine höhere Produktivität und
investieren das so gewonnene Geld gleich wieder. Das kann man
statistisch belegen. Die Unternehmen jedoch, die für ihre Pro-
duktion auf Roboter verzichtet haben, gibt es teilweise in Europa
gar nicht mehr. Eine Fertigung ohne roboterbasierte Automati-
sierung können wir uns am Hochlohnstandort Deutschland gar
nicht mehr leisten. Die Automobilindustrie würde es in Europa
ohne Roboter nicht mehr geben. Und in anderen Bereichen er-
möglicht Automatisierung sogar, Produktion hierzulande wieder
anzusiedeln. So hat Adidas mit der Speedfactory die Produktion
von Sportschuhen nach Deutschland zurückgeholt.
Inwiefern sehen Sie die Gefahr, dass uns Roboter oder auto-
matisierte Systeme in einem Setting von Industrie 4.0 Ent-
scheidungen abnehmen, diese gar kontrollieren?
Es geht bei Industrie 4.0 eher darum, flexibler zu werden. Der
Roboter kann nicht denken, hat kein Bewusstsein, hat nicht die
Feinfühligkeit des Menschen und keine Kreativität. Flexibili-
sierung erreicht man nur in der Zusammenarbeit von Mensch
und Roboter. Wenn Menschen mit Maschinen und Maschinen
mit Maschinen kommunizieren, kann man sich die Aufgaben
besser aufteilen. In Zukunft werden wir einmal Roboter haben,
die mobil sind, den Menschen zur Hand gehen und mit ihnen si-
cher kooperieren und koexistieren. Über Jahre hat man Roboter
nach Reichweite und Traglast verkauft, und jetzt sind zusätzlich
andere Eigenschaften gefragt, nämlich sicher ohne Schutzzaun
neben und mit dem Menschen zu arbeiten, Nachgiebigkeit in
der Manipulation von Gegenständen oder einfach die Fähigkeit
der Roboter, sensoriell die Umwelt zu erfassen.
Wenn man die starre Automatisierung als erste robotische Re-
volution bezeichnet, dann ist die sensitive und sichere roboter-
basierte Automatisierung die zweite. Fügen wir Mobilität hinzu,
landen wir bei der dritten, und mit der Kognition erreichen wir
schließlich die vierte robotische Revolution, in der Roboter auch
Interview Stefanie Hornung, Fotos Enver Hirsch
Kuka gehört zu den weltweit führenden Automatisierungs-
und Robotikspezialisten. Warum die Fähigkeiten von
Robotern häufig überschätzt werden, wie man in der
Konzernforschung Innovation organisiert und warum
man nicht ohne Führung auskommt – ein Gespräch mit
Dr. Rainer Bischoff, Leiter der Kuka-Konzernforschung.
Robotik
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